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Im Innern der Burg hatte sich die kleine Gruppe von Rebellen vor dem großen Hauptschirm versammelt, der die Sensorenwerte von der Planetenoberfläche anzeigte. Owen Todtsteltzer, der für vogelfrei erklärte Lord des Planeten Virimonde, der sich noch immer mehr als Historiker denn als Kämpfer betrachtete, Hazel d’Ark, die Piratin, Lebefrau und zögerliche Rebellin, Jakob Ohnesorg, der Berufsrevolutionär, Ruby Reise, die Kopfgeldjägerin. Tobias Mond, der aufgerüstete Mann von Haden, endlich nach Hause zurückgekehrt. Giles, der Erste Todtsteltzer, Schöpfer des Dunkelwüsten-Projektors. Sie blickten in die Dunkelheit hinab, die Giles durch das Auslöschen von tausend Sonnen geschaffen hatte, und sie spürten das Frösteln der langen Nacht in ihren Knochen. Es gab noch Sterne, weit entfernt, am Abgrund, dem Rand zur Dunkelwüste, aber irgend etwas in der Natur der Dunkelwüste verhinderte, daß ihr Licht hereinschien. Owen bemerkte, daß seine Hand in einem Reflex auf das Schwert an seiner Hüfte gefallen war. Die Dunkelwüste hatte etwas Gefährliches an sich, eine tödliche Drohung, die sich dem bewußten Verstand entzog.

»Willkommen auf der Wolflingswelt«, sagte Giles. Er steckte noch immer in seinen abgetragenen, schmierigen Fellen und kaute bereits auf seinem dritten Proteinwürfel. Anscheinend hatten die Jahrhunderte in Stasis einen gewaltigen Appetit in ihm geweckt. Owen hatte einen der Proteinwürfel probiert, als ihm klargeworden war, daß die Maschinen der Burg im Augenblick keine andere Nahrung produzierten, und anschließend den Entschluß gefaßt, lieber zu hungern. Giles wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und betrachtete mit verschleierten Augen den Schirm.

»Das erste Licht, das seit mehr als neunhundert Jahren auf den Planeten fällt«, sagte er. »Ich schätze, es ist nur passend, wenn ich derjenige bin, der das Licht zurückbringt. Schließlich war ich es auch, der es wegnahm. Manchmal frage ich mich, ob in den dunklen Abgründen zwischen den Planeten Dinge leben. Schwarze Kreaturen, die in der endlosen Nacht treiben, die ich in einem Augenblick der Schwäche und Wut über diese Welten gebracht habe.

Das letzte Mal, als ich hier war, lebte diese Welt noch. Sie schäumte fast über vor Leben. Es gab Ozeane und Kontinente, und Tiere lebten an Land, im Wasser und in der Luft. Es gab Städte und Menschen, die darin wohnten. Es gab wunderschöne Vögel mit Feuerschwänzen, und Touristen aus allen Teilen des Imperiums besuchten auf gemieteten Gravschlitten die Seufzenden Berge. Alles ist verschwunden, zermahlen unter dem drückenden Gewicht der gefrorenen Atmosphäre, und nur das Labyrinth des Wahnsinns und die Halle der Gefallenen sind noch übrig. Und die Städte und Laboratorien der verlorenen Welt Haden, tief unten im Herzen des Planeten.

Sie liegen schon so lange in tiefem Schlaf und warten darauf, von uns geweckt zu werden.«

»Erzähl uns von den Wolflingen«, forderte Hazel den Ersten Todtsteltzer auf. Ihre Augen blieben unverwandt auf den Bildschirm gerichtet, während ihre Hände geistesabwesend die Klinge ihres Schwertes mit einem dreckigen Lumpen polierten, den Hazel hin und wieder auch als Taschentuch benutzte. »Du hast gesagt, sie wurden hier geschaffen.«

»Ja, sie wurden hier geschaffen, und sie starben hier. Alle bis auf einen. Sie waren der erste Versuch des Imperiums, genetisch manipulierte Soldaten zu erzeugen. Ein Teil Mensch, ein Teil Wolf, und ein paar ganz besondere Zutaten.

Es dauerte eine Weile, um die Mischung aufeinander abzustimmen, aber schließlich erschuf man einen vollkommenen Jäger und Mörder. Ein in der menschlichen Evolution einzigartig dastehendes Wesen. Den Wolfling.«

»Und was ging schief?« fragte Ruby. Sie beobachtete Giles mit ihrem üblichen, unberührten Gesichtsausdruck. Ihre bleiche Haut erschien beinahe geisterhaft über der schwarzen ledernen Kleidung. Owen bemerkte, daß auch sie ihre Hand in der Nähe des Schwertes hielt.

»Nichts«, erwiderte der Erste Todtsteltzer. »Die Wolflinge erfüllten alle in sie gesetzten Erwartungen. Und mehr. Und genau das Mehr machte den Wissenschaftlern angst. Die Wolflinge waren klug, weit klüger als ihre menschlichen Herren. Schneller, stärker, wilder – und auch noch klüger? Die Wissenschaftler erkannten, wie die Zukunft aussehen würde, und sie erschraken. Voller Panik riefen sie die Imperialen Streitkräfte herbei, und diese lockten die Wolflinge in eine Falle und schossen sie aus dem Hinterhalt zusammen. Natürlich wehrten sich die Wolflinge, und sie töteten eine Menge ihrer Feinde, bevor sie schließlich untergingen. Einigen gelang die Flucht, und sie wurden gejagt. Das Imperium verlor noch mehr Soldaten, aber schließlich waren alle Wolflinge tot. Alle, bis auf einen. Den Besten der Besten, den Mutigsten und Klügsten von allen. Er entkam seiner Gefangennahme und allen Fallen, die sie ihm stellten. Er war noch immer hier, als das Imperium die Jagd schließlich abblies und seine Streitkräfte zurückrief. Er wurde immer seltener gesehen, und schließlich war er nur noch ein Mythos unter vielen, eine Legende, ein Märchen, das man Kindern erzählte. Aber er war nicht tot. Er hatte sich nur unter die Oberfläche der Wolflingswelt zurückgezogen.

Und dort lebte er noch immer, als die Dunkelwüste entstand und alle starben, bis auf ihn.

Er lebte noch immer, als Wissenschaftler in die Dunkelwüste eindrangen und sich auf der Suche nach einem sicheren Ort für ihre Labors und ihre Experimente auf der verlorenen Welt Haden niederließen. Er beobachtete, wie sie an sich selbst experimentierten und immer kompliziertere Hybride aus Mensch und Maschine schufen, die Hadenmänner. Er sah zu, als sie auszogen, um das Imperium zu erobern, und er beobachtete, wie sie geschlagen und gedemütigt zurückkamen und sich in ihre Gruft zurückzogen, um auf eine bessere Zeit zu warten. Er ist noch immer dort unten. Er ist unvorstellbar alt und unvorstellbar mächtig, und er beobachtet und wartet und bewacht das Labyrinth des Wahnsinns und die Halle der Gefallenen

»Wie kommt es, daß Ihr so gut über alles Bescheid wißt?«

fragte Jakob Ohnesorg. »Ihr wart auf Shandrakor in Stasis, während die meisten der beschriebenen Ereignisse stattfanden.«

»Der Wolfling hat zu meinen Lektronen gesprochen«, antwortete Giles. »Und meine Lektronen haben mit mir gesprochen. Und jetzt wartet der Wolfling darauf, mit uns zu sprechen. Und wenn wir alle sehr höflich sind, läßt er uns vielleicht sogar am Leben.«

»Und wenn nicht?« fragte Ruby.

»Wozu brauchen wir ihn denn überhaupt?« fragte Mond.

»Das habe ich Euch bereits gesagt: Er bewacht das Labyrinth des Wahnsinns.«

»Und was ist dieses Labyrinth des Wahnsinns, wenn es zu Hause ist?« fragte Hazel schnippisch. »Etwas, das die Hadenmänner geschaffen haben?«

»O nein, meine Liebe. Das Labyrinth ist viel älter als die Hadenmänner. Das Labyrinth des Wahnsinns stammt nicht von Menschenhand. Es existierte bereits, bevor die ersten Hadenmänner ihren Fuß auf diese Welt setzten. Die Wissenschaftler der Hadenmänner enträtselten das Geheimnis, aber sie waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich darum zu kümmern, diese Dummköpfe.«

»Also gut«, unterbrach Owen den Redefluß seines Vorfahren. »Ich bin gespannt. Wozu dient das Labyrinth des Wahnsinns

»Evolution«, erwiderte Giles. »Es dient der Evolution selbst. Und ich bin der einzige Mensch, der je aus seinen Geheimnissen Nutzen gezogen hat. Aber jetzt wollen wir nach unten gehen und dem Wolfling guten Tag sagen. Ach übrigens, bevor ich es vergesse: Er denkt im Augenblick, daß eine ganze Armee von Rebellen in der Burg wartet. Ich möchte nicht, daß jemand ihm diese Illusion raubt. Man kann nie wissen, wann man ein As im Ärmel gebrauchen kann.«