»Komm ja nicht auf dumme Gedanken, Bursche. Das ist eine reine Vernunftehe zwischen uns beiden.«
»Entspannt Euch, Hazel d’Ark. Todtsteltzer heiraten nur aus Statusgründen. Ihr seid vollkommen sicher.«
Hazel entschloß sich, lieber das Thema zu wechseln. »Wie stark sind deiner Meinung nach die Streitkräfte, die die Eiserne Hexe hinter uns hergeschickt hat?«
»Mindestens ein Imperialer Sternenkreuzer, vielleicht auch zwei. Wir haben ihre Leute bisher ziemlich schlecht aussehen lassen, und das ist etwas, das sie überhaupt nicht vertragen kann. Wir sollten mit einem vollen Kontingent an Kampftruppen rechnen. Vielleicht sind sogar Wampyre und Kampfesper darunter. Und gleichgültig, ob sie weiß, daß der Dunkelwüsten-Projektor hier versteckt ist oder nicht – die Angelegenheit ist für die Eiserne Hexe zu einer Frage des Stolzes geworden. Wenn sie uns nicht bald trifft, und zwar richtig hart trifft, wird das Volk denken, daß ihr die Dinge aus der Hand gleiten. Und vielleicht werden dann einige Planeten ihre eigene kleine Rebellion starten, um herauszufinden, was an den Gerüchten dran ist. Nein, Löwenstein wird so viele Truppen schicken, wie nötig sind, um uns unschädlich zu machen.«
»Prima!« sagte Hazel, hob ein Gewehr und grinste Owen an. »Laß sie nur alle kommen!«
»Manchmal macht Ihr mir wirklich angst«, sagte Owen.
Jakob Ohnesorg und Ruby Reise hatten sich bereits eine großzügige Ausrüstung in der Waffenkammer zusammengesucht und hantierten im Augenblick ohne großen Erfolg in der Küche an den Nahrungsmaschinen herum, um sie zur Produktion von etwas anderem als Proteinwürfeln zu bewegen. Sie hatten jede nur erdenkliche Kombination von Befehlen ausprobiert, einschließlich Schreien und Drohen und einiger wütender Tritte gegen den Sockel des Apparates, aber all ihre Mühen brachten immer nur weitere Proteinwürfel zum Vorschein. Sie kannten Geschichten von gestrandeten Raumfahrern, die sich lieber gegenseitig aufgefressen hatten, als weiter von Proteinwürfeln zu leben, und allmählich verstand Jakob auch, warum. Aber er war hungrig, und in seinem Alter benötigte der Körper allen Treibstoff, den er bekommen konnte, also hatte er sich dazu gezwungen, einen ganzen Würfel zu essen. Im Augenblick nagte er lustlos an einem zweiten.
Männer waren schon für weniger mit Medaillen ausgezeichnet worden.
Ruby hatte sich glatt geweigert, die Würfel auch nur anzurühren, doch ihre Stimmung hellte sich merklich auf, als sie entdeckte, daß die verdammte Maschine wenigstens einen halbwegs vernünftigen Wein zustande brachte. Die Kopfgeldjägerin leerte eine halbe Flasche, während Jakob noch immer mit seinen Würfeln kämpfte, und für ihre Verhältnisse wurde sie richtig geschwätzig. Normalerweise war es anstrengender als Zähne zu ziehen, mit der Kopfgeldjägerin eine Konversation zu führen. Aber um fair zu bleiben: Ruby war ein Mensch, der lieber handelte, als Reden zu schwingen, und die meiste Zeit über hatte sie wirklich nicht viel zu sagen. Jakob hielt es trotzdem in ihrer Gesellschaft aus. Alles, was ihn von dem ablenkte, was er im Augenblick aß, mußte eine gute Sache sein. Und so redeten sie eine ganze Weile über Gott und die Welt; meist Anekdoten über den einen oder anderen Kampf oder die besten Methoden, wie man Menschen umbrachte.
»Warum seid Ihr eigentlich Kopfgeldjägerin geworden?« wollte Ohnesorg von ihr wissen. »Es erscheint mir nicht gerade als erstrebenswerte Beschäftigung, jedenfalls nicht für die meisten Menschen.«
»Ich war gut darin, das ist alles«, erwiderte Ruby. »Und die Alternativen waren schlimmer. Kannst du dir vorstellen, wie ich in schicken Kleidern hinter einem Schreibtisch sitze und Akten staple? Oder mit einem dreckigen Bauern verheiratet bin und ein Dutzend Kinder an meinem Rockzipfel hängen?«
»Ehrlich gesagt – nein.«
»Verdammt richtig. Aber sie verheirateten mich trotzdem, als ich gerade vierzehn war. Mit dem lokalen Eintreiber der Wassergelder. Er war groß und schwer und hatte feuchte kalte Hände, und er fand es wahrscheinlich lustig, mich dauernd zu verprügeln. Er stellte auch noch andere Dinge mit mir an. Und so wartete ich eines Nachts, bis er schlief, und schnitt ihm mit einem Küchenmesser die Kehle durch. Ich sah zu, wie er starb. Es dauerte verdammt lang, und damals erkannte ich zum ersten Mal, daß ich wirklich Spaß an dieser Art von Nervenkitzel hatte. Ich raffte alles Wertvolle zusammen, das nicht gerade angenagelt war, und machte mich auf den Weg zum Raumflughafen. Seitdem bin ich allein, und ich mag es so. Es ist weniger kompliziert.«
»Habt Ihr viele Aufträge für das Imperium erledigt?«
»Sicher. Was glaubst du denn, wer die Kopfgelder bezahlt?
Aber ich bin nicht voreingenommen. Ich arbeite für jeden, der mich bezahlen kann.«
»Und was macht Ihr dann bei uns?«
»Ich konnte noch nie einer Herausforderung widerstehen.
Außerdem hat mir der Todtsteltzer soviel Beute versprochen, wie ich nur tragen kann. Nicht, daß ich bis jetzt auch nur einen Penny davon gesehen hätte.«
»Wie kommt es, daß Ihr mit Hazel befreundet seid?«
»Du stellst vielleicht Fragen, weißt du das?« Ruby nahm einen tiefen Schluck aus ihrer Flasche. »Wir haben uns in Nebelhafen kennengelernt. Wir hatten gerade beide eine Pechsträhne. Sie hat mir aus der Klemme geholfen und mich hinterher für sich vereinnahmt. Ich hatte bei der Sache nichts mitzureden. Ich hätte sie schon vor Jahren fallengelassen, aber manchmal ist es gut, Freunde zu besitzen, denen man vertrauen kann und die einem den Rücken freihalten. Doch jetzt wird es Zeit, daß du auch ein paar Fragen beantwortest. Wie bist du zu einem Berufsrevolutionär geworden?«
»Ich bin überrascht, daß Ihr nichts davon gehört habt. Zu meiner Zeit war die Geschichte ziemlich bekannt. Aber ich schätze, das ist schon zu lange her, und meine Geschichte ist nicht mehr so bekannt, wie sie es eigentlich verdient hätte. Ich war ein unbedeutender Sohn aus einem noch unbedeutenderen Haus. Ich trank viel, spielte und betätigte mich ein wenig hier und ein wenig dort, und die ganze Zeit über häufte ich nichts als Schulden an. Dann schwängerte ich eine Dienstmagd, und meine Familie schickte mich zu einem Minenplaneten in der Nähe des Abgrunds, um mich von weiteren Dummheiten abzuhalten. Der Planet hieß Trigann. Es war ein entsetzlicher Ort.
Ich hatte vorher noch nie einen Fuß außerhalb meiner wohlbehüteten Welt gesetzt, und ich war entsetzt, wie die anderen achtundneunzig Prozent der Menschheit ihr Leben fristeten.
Die Umstände, unter denen die Minenarbeiter arbeiten mußten, und die Art und Weise, wie man sie und ihre Familien behandelte, waren sogar nach dem offiziellen Standard des Imperiums eine Schande, und als sie schließlich rebellierten, unterstützte ich sie, anstatt ihren Aufstand blutig zu beenden.
Irgendwann war ich dann ihr Anführer, und genau wie Ihr hatte ich etwas gefunden, in dem ich sehr gut war. Also blieb ich dabei.
Ich zog von Planet zu Planet und predigte Ungehorsam, und ich stellte Armeen auf, um die Schwachen und Wehrlosen zu schützen und die Schuldigen zu bestrafen. Die Übermacht war immer auf der Seite unserer Gegner, trotzdem gewannen wir ein paarmal, hin und wieder jedenfalls. Oft genug, um meinen Namen zu einer Legende zu machen. Ich wurde quer durch das gesamte verdammte Imperium gehetzt.«
»Und dann schnappten sie dich.«
»Ja. Ich wurde allmählich alt und langsam, und dann beging ich den Fehler, den ich schon so oft begangen habe. Ich vertraute den falschen Leuten. Ich war immer viel zu leichtgläubig.« Ohnesorg verstummte und starrte eine ganze Zeitlang schweigend auf seinen halbverzehrten Proteinwürfel, als könne er ihm ein Geheimnis entreißen. Schließlich fuhr er fort.
»Sie zerbrachen mich. Ich war so sicher, daß ich vorher sterben würde, aber ich starb nicht. Am Ende hätte ich alles gesagt, was sie von mir hören wollten, hätte jeden verraten, den ich kannte, nur damit die Foltern aufhörten.«