»Aber du hast niemanden verraten.«
»Nein, es kam nicht dazu. Es stellte sich heraus, daß ich noch wirkliche Freunde besaß. Sie befreiten mich, obwohl die meisten von ihnen dabei ihr Leben ließen. Ich kannte nicht einmal ihre Namen.«
Ruby nickte verständnisvoll. »Am Ende zerbrechen sie jeden.«
»Ja, am Ende zerbrechen sie jeden. Selbst Legenden wie Jakob Ohnesorg. Manchmal denke ich, er starb damals in der Zelle, und ich bin nur noch sein Schatten. Meine wirklichen Freunde hatten mich nicht im Stich gelassen, aber ich ließ sie im Stich. Ich wollte ihre neue Rebellion nicht anführen. Ich wollte ihnen nicht in ihrem Kampf helfen. Ich wollte nichts anderes mehr, als mich irgendwo in der Dunkelheit zu verstecken, wo meine Folterknechte mich nicht finden konnten.
Nach einer Weile erkannten meine Freunde, daß ich es ernst meinte und daß ich ihnen weder im Augenblick noch in Zukunft je wieder nützlich sein würde, trotzdem gaben sie mich immer noch nicht auf. Sie schmuggelten mich nach Nebelwelt, dem einzigen Ort in der Galaxis, wohin mir das Imperium nicht folgen würde. Ein Planet, auf dem jeder seine Geheimnisse mit sich herumträgt, aber niemand sich darum kümmert. Ich tauchte unter und verschwand. Ich nahm einen neuen Namen an. Es war überhaupt nicht schwer. Ich sah nicht wie ein legendärer Rebell aus. Ich genoß es, Jobe Eisenhand zu sein. Niemand erwartete etwas von einem Hausmeister.«
»Die ganze Zeit unter den Augen der Öffentlichkeit, und niemand hat dich erkannt«, seufzte Ruby Reise. »Ich hab’ eine Menge Zeit mit der Suche nach dir verbracht. Ich hätte das Geld auf deinen Kopf gut gebrauchen können. Und da warst du, direkt unter meinen Augen!« Sie grinste leicht.
»Aber ich bin froh, dich damals nicht gefunden zu haben. Ich wäre so enttäuscht gewesen. Jetzt bist du anders.«
Ohnesorg hob die Augenbrauen. »So, bin ich?«
»Sicher. Du wachst langsam auf, Jakob Ohnesorg. Du bist noch nicht wieder der alte, aber du bist auf dem besten Weg dorthin. Wie kommt’s, Ohnesorg? Was hat dich hinter deinem Ofen hervor und zurück ins Rampenlicht gelockt?«
»Ihr wollt die Wahrheit hören? Ich habe mich gelangweilt.
So einfach ist das. Ich mache mir die meiste Zeit über noch immer vor Angst fast in die Hosen, und meine Hände fangen an zu zittern, wenn sie denken, daß ich nicht hinsehe, aber alles ist besser, als einen verdammten Besen durch die Gegend zu schieben. Es gab eine ganze Reihe von Tagen, an denen mir sogar der Tod besser schien. Und jetzt bin ich hier, zum letzten Kampf des alten Champions, der seine beste Zeit schon lange hinter sich hat.«
»Du hast dich im Dschungel von Shandrakor verdammt gut gehalten«, sagte Ruby. »Ich kenne massenhaft Leute, die nicht lange genug überlebt hätten, um die Todtsteltzer-Fluchtburg zu erreichen. Mach dich nicht schlechter als du bist, Ohnesorg. Ich hatte nie viel übrig für Legenden, weißt du? Ich habe zu viele von ihnen getötet, immer auf der Suche nach einer richtigen. Sie starben alle genauso leicht wie jeder andere Mensch auch. Du beeindruckst mich ein gutes Stück mehr als die meisten von ihnen.«
»Oh, danke«, entgegnete Ohnesorg. »Gut, daß Ihr mich auf Nebelwelt nicht gefunden habt, was? Es wäre eine Schande gewesen, wenn ich Euch hätte töten müssen, bevor wir uns kennenlernen konnten.«
Ruby grinste und bot ihm ihre Flasche an. »Magst du einen Schluck?«
»Ich wünschte, ich könnte. Aber mein Körper kommt nicht mehr damit klar. Die Nieren haben ein paar Schläge zuviel abgekriegt. Ihr trinkt, und ich sehe Euch zu. Ich genieße es indirekt.«
»Geht dir das mit all deinen Vergnügungen so?«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Ohnesorg. »Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, dann würde ich Euch jetzt um diesen Tisch herum jagen.«
»Großartig«, brummte Hazel an der Tür. »Genau das, was uns noch gefehlt hat. Eine betrunkene Kopfgeldjägerin und eine geile Legende. Die Imperialen Truppen werden einen Blick auf uns werfen und sich vor lauter Entsetzen in die Hosen pissen.«
»Ich bewundere den Mut des Mannes«, sagte Owen, der neben Hazel getreten war. »Ich für meinen Teil würde nicht freiwillig näher als drei Meter an Ruby Reise herantreten, wenn ich nicht mindestens einen Stuhl und eine Peitsche in den Händen hätte.«
»Ich wußte immer, daß ihr Aristos pervers seid«, entgegnete Ruby schnippisch. »Ich würde Euch ja einen Schluck anbieten, aber ich hab’ nur diese eine Flasche.«
»Gib mir einen Schluck«, sagte Hazel. »Ich könnte einen halbwegs vernünftigen Drink gut gebrauchen.«
»Ja, ja«, sagte Ohnesorg. »Ihr hattet immer schon eine Schwäche für Drinks, wenn ich mich recht erinnere.«
Hazel warf ihm einen scharfen Blick zu. »Du erinnerst dich? Ich wußte gar nicht, daß wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind.«
»Ist schon eine Zeitlang her, auf Nebelwelt. Jemand erkannte mich und lud mich zu einem Essen ein. Ich ging hin, weil ich hungrig war und kein Geld hatte. Ihr habt für meine Gastgeberin als Dienerin gearbeitet. Sie war gerade knapp an Personal, und so hat man Euch gezwungen, das Essen zu servieren.«
Rubys Kopf ruckte herum, und sie blickte Hazel mit einem sich verbreiternden Grinsen an. »Du warst eine Dienerin, Hazel?«
»Wie zur Hölle kommt es, daß du dich an mich erinnerst?«
fragte Hazel und starrte Ohnesorg wütend an.
»Ich habe ein hervorragendes Gedächtnis für Gesichter.
Und außerdem habt Ihr mir fast eine ganze Flasche ziemlich guten Portweins über die Hosen gekippt. Das letzte Paar guter Hosen, das ich besaß.«
»Du warst eine Dienerin?« fragte Ruby erneut.
Hazel runzelte die Stirn. »Ich habe mich bei dir entschuldigt, Ohnesorg.«
»Nein, habt Ihr nicht. Ihr sagtet…«
»Ist doch egal, was ich gesagt habe!«
»Aber Ihr habt selbst davon angefangen!«
»Du warst eine Dienerin? « prustete Ruby.
»Sicher«, antwortete Ohnesorg für Hazel. »Und sie sah gar nicht schlecht aus mit ihrer Schürze und dem Häubchen auf dem Kopf.«
»Darauf gehe ich jede Wette ein«, entgegnete Ruby Reise.
»Wenn du irgend jemandem davon erzählst, bring’ ich dich um!« fauchte Hazel.
»Ich glaube, sie meint es ernst«, sagte Owen.
»Mach dir keine Gedanken, meine Süße«, säuselte Ruby, noch immer grinsend. »Dein kleines Geheimnis ist bei uns vollkommen sicher.«
»Ich wollte dir eigentlich eine Frage stellen, Ohnesorg«, sagte Hazel im ernsten Tonfall von jemandem, der fest entschlossen ist, das Thema zu wechseln. »Owen und ich haben uns über die Schlachten unterhalten, in denen du gekämpft hast. Du hast Rebellionen angeführt, die sich über ganze Welten ausgedehnt haben, und du hast Armeen befehligt. Einmal hattest du sogar eine eigene Kriegsflotte. Was ich wissen wilclass="underline" Woher hattest du all das Geld? Kriege sind eine verdammt kostspielige Angelegenheit. Wer hat all deine Armeen und deine Raumschiffe finanziert? Ich habe jedenfalls nichts davon gehört, daß du reich und unabhängig warst. Also, wer hat die Rechnungen bezahlt?«
»Männer und Frauen, die hinter unserer Sache standen«, erwiderte Ohnesorg. »Meistens. Den Rest habe ich mir überall geholt, wo Geld zu holen war. Es gab immer Leute, die daran Interesse hatten, daß die Mächtigen gestürzt oder zumindest ernsthaft herausgefordert wurden. Politische Gruppierungen, verfolgte Religionsgemeinschaften, Geschäftsleute, die sich einen Profit vom Krieg versprachen. Junge Aristokraten, die nicht schnell genug erben konnten oder die einfach auf ein wenig Abwechslung aus waren. Im Imperium haben schon immer verschiedene Gruppierungen gegeneinander gekämpft, und sie waren stets bereit, sich gegenseitig für den geringsten Vorteil zu verkaufen. Ich lernte, nicht zu viele Fragen zu stellen.
Ich sagte mir bei mehr als einer Gelegenheit, daß ein kleineres Übel immer noch besser ist als ein größeres. Und wenn es nötig werden würde, konnte ich immer noch eine weitere Rebellion gegen die neuen Machthaber anzetteln. In jenen Tagen herrschte nie Mangel an mutigem, idealistischem Kanonenfutter.