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Die pelzigen Hände endeten in langen, gezackten Krallen, und lange schmutziggelbe Reißzähne glänzten in einem grinsenden Maul. Aber das war alles noch nichts gegen die wirklich furchteinflößenden Augen. Sie waren groß und verrieten Intelligenz und eine beinahe hypnotische Wildheit. Die Rebellen hatten den Wolfling gefunden. Oder besser, er hatte sie gefunden.

Owen leckte sich über die plötzlich trockenen Lippen. Er schaffte es nicht, die Hand von der Waffe zu nehmen. Der Wolfling sah aus, als könne er jeden Augenblick angreifen, und Owen hatte keinen Zweifel daran, daß mehr als nur sein Schwert nötig war, um ihn aufzuhalten. Giles hatte den Wolfling als vollkommenen Jäger beschrieben, als genetisch manipulierte Tötungsmaschine, und nachdem Owen ihn jetzt mit eigenen Augen vor sich sah, stimmte er den Worten seines Vorfahren voll und ganz zu. Allein die Art und Weise, wie der Wolfling dastand, ließ schon ein Gefühl tödlicher Bedrohung aufkommen, als sei er nur einen Schritt von mörderischer Raserei entfernt, und sein gesamtes Äußeres, von dem wilden Blick der Augen bis hin zu den klauenbewehrten Händen, verriet die unbezähmbare Gewalt, die in ihm steckte. Der Wolfling knurrte leise, und Owen sträubten sich sämtliche Haare. Der junge Todtsteltzer schluckte mühsam. Er hatte keine Idee, wie es nun weitergehen sollte – außer sofort auf die Kreatur zu schießen. Sollte er vielleicht wie ein Selbstmörder vortreten, dem Wolfling die Hand tätscheln und ›Braver Hund‹ sagen? Er schob den Gedanken entschlossen beiseite, als der Wolfling erneut knurrte, und warf einen Blick über die Schulter zu seinem Vorfahren.

»Giles«, sagte er so ruhig und fest, wie seine Stimme es zuließ. »Ich denke, er möchte mit dir reden.«

Der Erste Todtsteltzer schob sich zwischen den anderen hindurch nach vorn und trat neben Owen. Er verbeugte sich förmlich vor der Kreatur und lächelte schwach. »Hallo Wulf.

Ist lange her, was?«

»Nicht lange genug«, grollte der Wolfling. Seine Stimme klang tief und rauh, aber die Worte schienen keine Drohung zu enthalten. »Wenn du herkommst, bringst du mir jedesmal Schwierigkeiten. Welche schlechten Nachrichten gibt es denn diesmal wieder?«

»Das Imperium ist uns auf den Fersen«, erwiderte Giles.

»Sie wollen den Projektor, ganz egal, wie hoch der Preis dafür ist. Ich will ihnen zuvorkommen. Das bedeutet, daß wir durch das Labyrinth müssen. Und das bedeutet jedenfalls, daß wir nur wenig Zeit haben. Wirst du uns helfen?«

»Zeit zum Begrüßen alter Freunde hat man immer«, sagte der Wolfling und grinste schwach. Kein beruhigender Anblick Das Wesen trat plötzlich mit einer eleganten Bewegung vor und umarmte den Ersten Todtsteltzer. Giles verschwand fast unter den Fellen. Sie lachten beide, und der Wolfling ließ ihn wieder los. Er musterte Giles mit zur Seite geneigtem Kopf und fuhr fort: »Du hast zwar gesagt, daß du eines Tages zurückkehren würdest, aber nach mehr als neunhundert Jahren hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben. Verdammt, alter Junge, es tut gut, dich wiederzusehen. Aber ich sehe, daß du in Begleitung gekommen bist. Stell mir deine Freunde vor, und ich entscheide dann, ob ich sie fresse oder nicht.«

Er grinste erneut sein entnervendes Grinsen, während Giles seine Kameraden vorstellte. Owen zog es vor anzunehmen, daß der Wolfling nur einen Scherz gemacht hatte. Alles andere wäre wirklich zu beängstigend gewesen. Hazel neigte höflich den Kopf, doch ihre Waffe blieb unverwandt auf den Wolfling gerichtet. Ruby machte sich erst gar nicht die Mühe, höflich zu erscheinen. Ohnesorg lächelte herzlich und schüttelte dem Wolfling sogar die Klauenhand, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Wahrscheinlich hatte er in seiner Zeit als Berufsrebell gelernt, diplomatisch mit allen Arten von Verbündeten umzugehen. Tobias Mond und der Wolfling sahen sich für einen langen Augenblick schweigend in die Augen, und dann sah jeder wieder weg, als hätten sie beide entschieden, für den Augenblick einen Waffenstillstand einzuhalten. Owen fragte sich, was die beiden künstlichen Kreaturen voneinander denken mochten. Zwei Bastarde, die ihre Existenz menschlichem Erfindungsreichtum verdankten. Vielleicht Eifersucht?

Als er an der Reihe war, schüttelte auch Owen dem Wolfling die Hand. Es war nicht so schlimm, wie er zuerst geglaubt hatte; es war einfach, als schüttelte man jemandem die Hand, der dicke Handschuhe trug. Jedenfalls solange man nicht auf die Krallen blickte. Die Krallen waren lang und kräftig, das tiefe Gelb des Horns mit dunklen Flecken überzogen, die möglicherweise getrocknetes Blut waren, möglicherweise aber auch nicht. Owen entschied, lieber nicht nachzufragen.

Aus der Nähe roch die riesige Kreatur ziemlich streng, um nicht zu sagen sie stank; ein animalischer Geruch, der Owens Nackenhaare in einer instinktiven Reaktion erneut zu Berge stehen ließ. Er lächelte tapfer und ließ die Hand des Wolflings los, sobald es ohne Beleidigung möglich war. Das Wesen wandte sich wieder an Giles.

»Er ist dein Verwandter. Der Geruch deines Blutes ist stark in ihm, Giles. Was werdet ihr beide mit dem Projektor anfangen, wenn er wieder in euren Händen ist? Werdet ihr ihn gegen eure Feinde einsetzen oder werdet ihr ihn endgültig vernichten?«

»Wir haben noch keine Entscheidung gefällt«, antwortete Giles. »Wir denken, im Augenblick ist es einfach nur wichtig zu verhindern, daß er in unbefugte Hände gerät. Schläft er noch sicher und unberührt im Labyrinth?«

»Woher soll ich das wissen? Ich habe nicht nach dem verdammten Ding gesehen, seit du es vor all den Jahrhunderten in die Mitte des Labyrinths teleportiert hast.«

»Warst du niemals neugierig?«

»Nein, nicht im geringsten. Vielleicht hätte ich den Projektor im gleichen Augenblick vernichtet, in dem mein Blick darauf gefallen wäre. Ich sah, was er aus dir gemacht hat, nachdem du ihn benutzt hattest.«

»Bring uns zum Labyrinth, Wulf«, sagte Giles. »Uns bleibt nicht viel Zeit.«

»Was ist mit der Gruft?« mischte sich Mond von hinten in die Unterhaltung. »Ihr habt versprochen, mich hinzubringen.«

Der Wolfling blickte den Hadenmann nachdenklich an.

»Viele von Eurer Art warten in der Gruft. Seid Ihr am Ende gekommen, um sie aufzuwecken?«

»Ja«, sagte Mond. »Unsere Zeit ist reif. Die Hadenmänner werden die Bühne des Imperiums wieder betreten.«

Der Wolfling nickte langsam. »Nun, Ihr klingt jedenfalls wie ein Hadenmann. Aristokratischer als Gott selbst und doppelt so arrogant. Ich würde Euch Glück wünschen, aber warum das Schicksal herausfordern? Doch seid gewarnt und vorsichtig. Wollt Ihr sehen, was von meiner Rasse geblieben ist? Es kann wirklich sehr lehrreich sein.«

Er wandte sich um und ging über den Waldweg voraus, ohne eine Antwort abzuwarten. Das Wesen bewegte sich schnell und mit einer für seine Größe überraschenden Grazie, und die anderen mußten sich beeilen, um ihm zu folgen. Der Hadenmann stapfte mit unbeweglichem Gesicht hinterher, doch seine strahlenden goldenen Augen waren unverwandt auf den Rücken des Wolflings gerichtet. Owen warf einen Blick zu Giles, doch das Gesicht seines Vorfahren verriet ebenfalls keine Gefühle. Welchen Eindruck die Halle der Gefallenen bei ihm auch immer hinterlassen haben mochte, er verriet nichts. Sie marschierten durch den schweigenden Wald, und niemand durchbrach die vollkommene Stille durch unbedachtes Reden, bis sie plötzlich an einer Abzweigung anlangten.

Der Wolfling wandte sich nach links, und schnell erreichten sie einen kahlen Felsen, einen gigantischen Felsbrocken, der mehrere hundert Meter in die Höhe ragte: ein massiver Grabstein in der Mitte des Waldes.