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»Vielleicht sollte ich lieber erzählen, was nicht geschehen ist«, schnappte die KI. »Der Imperiale Sternenkreuzer hat Mineningenieure und Ausrüstung auf die Oberfläche gebracht und einen Weg direkt in die Stadt hinunter freigeschossen. Sie entdeckten den alten Weg, den die Hadenmänner benutzten, und haben ihn wieder in Betrieb genommen. War nicht besonders schwierig mit den großen Energiewaffen, die sie verwendeten. Im Augenblick befinden sie sich direkt auf der anderen Seite des Labyrinths, und wenn ich sage sie, dann meine ich eine ganze verdammte Armee. Die Unerschrocken ist seit Stunden dabei, mit ihren Pinassen Verstärkungen herabzuschicken. Wir reden hier von Marineinfanteristen, Kampfespern und sogar Wampyren, und sie werden von einem Investigator angeführt. Der Kapitän selbst ist gelandet, um sicherzustellen, daß man euch alle am Arsch packt. Sie wußten, wo sie uns finden würden, Owen. Sie wußten, daß wir herkommen würden. Jemand hat es ihnen verraten.«

»Sie wußten, daß wir herkommen würden?« Owen kämpfte um seine Selbstbeherrschung. »Wie konnten sie das wissen?

Niemand hatte Gelegenheit, sich mit dem Imperium in Verbindung zu setzen.«

»Es gibt einen Spion unter uns«, erwiderte Ozymandius.

»Einen geheimen Agenten, der ununterbrochen mit dem Imperium in Verbindung stand, wo wir auch hingingen. Der ganze Plan ist schon vor langer Zeit ausgearbeitet worden. Du bist nur aus einem einzigen Grund für gesetzlos erklärt worden; du solltest nämlich die Ereignisse in Gang setzen, die dem Imperium schließlich verraten würden, wo Shandrakor und der Dunkelwüsten-Projektor verborgen lagen. Du warst die ganze Zeit an der langen Leine, Owen. Und jetzt ziehen sie die Leine ein, ob du willst oder nicht.«

»Ich kann das einfach nicht glauben«, sagte Ohnesorg und blickte der Reihe nach in die leeren Gesichter seiner Kameraden. »Das Imperium war schon immer hinterhältig und verschlagen, aber… niemand von uns hat auch nur den geringsten Grund, die anderen zu verraten! Das Imperium ist unser Feind, und es will unsere Köpfe. Ohne Ausnahme!«

»Nicht ganz«, widersprach Owen langsam. »Ich bin vogelfrei, und auf meinen Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt. Genau wie auf den Euren und den von Hazel. Und Mond ist ein Hadenmann. Sie schießen auf ihn, sobald er den Kopf aus der Deckung nimmt. Aus rein praktischen Gründen scheiden Giles und der Wolfling aus. Aber Ruby Reise hier ist eine Kopfgeldjägerin. Als wir auf sie gestoßen sind, hat sie zugeben müssen, daß sie im Namen des Imperiums hinter uns her war.

Wir dachten, wir hätten das Imperium überboten, aber die Eiserne Hexe hat ziemlich tiefe Taschen, nicht wahr, Ruby Reise?«

»Nein!« fuhr Hazel dazwischen. »Ruby ist meine Freundin!

Sie würde mich niemals so schäbig hintergehen. Sag es ihnen, Ruby!«

»Was soll das überhaupt?« fragte die Kopfgeldjägerin kühl.

»Sieh sie dir nur an! Sie haben ihre Entscheidung längst gefällt.«

»Ich habe Euch vertraut, Ruby«, sagte Jakob Ohnesorg vorwurfsvoll. »Wir alle haben Euch vertraut. Wie konntet Ihr nur…?«

Ruby Reise trat einen Schritt zurück und hatte plötzlich eine Waffe in der Hand. »Wir wollen uns wie ruhige, zivilisierte Menschen benehmen, ja? Wenn ich wirklich ein Verräter wäre, wärt ihr inzwischen längst alle tot. Ich könnte euch alle mit dieser erstaunlichen Projektilwaffe erschießen und würde dennoch das Geld auf eure Köpfe kassieren. Sie benötigen euch nicht mehr, um den Dunkelwüsten-Projektor zu finden.

Ich könnte ihnen zeigen, wo er versteckt ist – wenn ich ein Verräter wäre. Aber das bin ich nicht! Es gibt wichtigere Dinge im Leben als Geld. Ich gebe einen Dreck auf eure verdammte Rebellion, aber Hazel ist meine Freundin. Ich würde für sie sterben, genauso wie sie für mich sterben würde. Wir beide wußten das immer.«

»Dann beweist es«, sagte Owen. »Legt Eure Waffe zur Seite.«

»Wenn ich das mache, tötet ihr mich.«

»Nein«, sagte Hazel erneut. »Das würde ich auf keinen Fall zulassen. Ruby, bitte! Leg deine Waffe weg.«

Eine lange Pause entstand. In der Luft hing eine beinahe körperlich spürbare Spannung, und Hände schwebten griffbereit über den Waffen. Dann senkte Ruby Reise langsam ihre Pistole und schob sie ins Holster zurück. Sie hakte die Hand demonstrativ weit vom Holster entfernt hinter den Gürtel und musterte die anderen mit herausfordernden Blicken. Eine weitere Pause entstand, während der Rest der Gruppe sich mißtrauisch gegenseitig beäugte, ob nicht jemand anderes zur Waffe griff, doch schließlich schienen sich alle in einem langen gleichzeitigen Seufzer zu entspannen. Owen bedachte Ruby mit einem um Verzeihung bittenden Schulterzucken und blickte dann zu seinen restlichen Kameraden.

»Aber… wenn Ruby nicht die Verräterin ist – wer dann?«

»Seht mal«, begann Ohnesorg mit fester Stimme. »Das alles macht nicht viel Sinn. Niemand von uns kann ein Verräter sein. Wir haben alle viel zuviel zu verlieren.«

»Nicht wir alle«, widersprach Hazel. »Du hast selbst zugegeben, daß das Imperium dich in seinen Folterkammern zerbrochen hat, Jakob. Du hast gesagt, du wärst entkommen, aber ganz ehrlich – wem gelingt schon die Flucht aus den Hochsicherheitstrakten der Imperialen? Wir haben deine Geschichte nie in Frage gestellt, weil du der legendäre Jakob Ohnesorg bist, aber was, wenn du überhaupt nicht geflohen bist! Was, wenn sie dich wirklich zerbrochen haben und du dich nicht erholt hast? Du würdest alles tun, was sie von dir verlangen, nicht wahr? Sie hätten dich sogar auf der Nebelwelt absetzen können, damit du uns findest. Sie wußten, daß wir der Versuchung nicht würden widerstehen können, dich mitzunehmen.

Und wer würde schon den legendären Rebellen Jakob Ohnesorg verdächtigen, ein Spion des Imperiums zu sein?«

»Netter Versuch«, erwiderte Ohnesorg. »Aber für mich gilt das gleiche wie für Ruby Reise. Wenn ich Euren Tod gewollt hätte, wärt Ihr inzwischen bereits tot. Ich hatte genug Gelegenheiten dazu. Ich bin gerne bereit, Euch meine Waffen zu übergeben, aber überlegt doch einmal selbst. Owen, Ihr habt selbst gesagt, daß das Imperium von dem Augenblick an auf Euren Fersen war, da Ihr von Virimonde vertrieben wurdet.

Ich bin erst seit relativ kurzer Zeit bei Euch. Wer immer der Verräter ist, er muß von Anfang an dabeigewesen sein.«

»Du redest über mich, Kerl!« fauchte Hazel. »Du Bastard! Du meinst mich!«

»Nein« widersprach Owen, und ein entsetzter Ausdruck erschien in seinem Gesicht. »Nicht Euch, Hazel. Sondern die einzige Person, die wirklich von Anfang an dabeigewesen ist.

Die Person, der ich alles anvertraute. Die Person, die zu allen Geheimnissen Zugriff hatte. Die über alles Bescheid wußte, was das Imperium in unserer Abwesenheit unternahm, bis hin zu dem Namen des Imperialen Schiffs auf unseren Fersen, das inzwischen im Orbit über der Wolflingswelt kreist. Du bist der Verräter, nicht wahr, Ozymandius?«

»Ja«, erwiderte die KI. Ihre Stimme blieb kühl und beherrscht. »Ich habe dem Imperium regelmäßig berichtet, seit dein Vater mich erworben hat. Die Loyalität gegenüber dem Eisernen Thron wurde mir einprogrammiert, so tief und sorgfältig versteckt, daß nur die besten Systemanalytiker sie überhaupt hätten finden können. Dein Vater vertraute niemals jemandem völlig, selbst mir nicht, und so war mein Nutzen viele Jahre lang ziemlich eingeschränkt. Bis zu dem Tag, an dem die Entscheidung gefällt wurde, deinen Vater zu töten und die gegenwärtigen Ereignisse in Gang zu setzen. Als du der Todtsteltzer wurdest, hast du mir genauso vertraut wie zu der Zeit, als du noch ein Kind warst. Du dachtest, ich wäre nichts weiter als eine Maschine, die endlos geduldig und gehorsam ist und bestenfalls eine Erweiterung deiner eigenen Persönlichkeit. Dir kam nie in den Sinn, daß ich von den gleichen Leuten entworfen und programmiert worden sein könnte, die dich verfolgten. Tut mir leid, Owen, aber ich bin der Verräter. Ich war es die ganze Zeit. Nimm’s nicht persönlich.«