Am Ende lagen elf tote Banditen eigenartig verrenkt auf dem Boden der Konditorei verstreut, und Blutlachen breiteten sich um die leblosen Körper aus. Nur ein Dämon war noch am Leben. Er hockte zitternd an der Rückwand des Ladens und hielt seinen gebrochenen Arm, während er versuchte, so weit wie nur möglich vor Valentin zurückzuweichen. Sein Atem ging stoßweise, und seine Augen waren vom Schock und der aufsteigenden Panik geweitet, die die meisten Drogen aus seinem Körper getrieben hatte. Trotz seiner schwellenden Muskeln, spitzen Zähne und Klauenhände hätte er nicht den Hauch einer Chance gegen Valentin gehabt, und beide wußten das. Er leckte über seine aufgeplatzten Lippen und starrte mit fasziniertem Entsetzen auf die schlanke, grinsenden Gestalt vor sich, während er verzweifelt überlegte, ob er etwas wußte, das er gegen sein Leben eintauschen konnte.
Valentin Wolf wischte den Dreck von seiner Kleidung.
Beim Anblick des Blutes, mit dem sich seine Garderobe vollgesogen hatte, gab er ein angewidertes Geräusch von sich.
Wenig davon war sein eigenes. Seine wenigen Wunden waren bereits wieder verheilt. Er ließ ein universelles Gegenmittel in seinen Kreislauf strömen, und die Wirkung der Drogen versiegte. Sein Verstand blieb klar und scharf, während sein Körper sich bereits entspannte. Es ging doch nichts über eine gute Trainingsstunde, um den Kopf klar zu bekommen. Er blickte ohne Mitleid auf die toten Banditen. Sie hätten sich lieber ein anderes Opfer für ihren Klassenkampf aussuchen sollen. Natürlich hatten sie nicht wissen können, mit wem sie sich da eingelassen hatten. Niemand wußte von seinen Fähigkeiten, zumindest niemand, der noch lebte. Er war durch Schweiß und Tränen gegangen, um sein Geheimnis zu verbergen, und er hatte sogar seine Lehrer getötet. Valentin war sehr daran gelegen, daß seine Gegner ihn unterschätzten. Er ragte drohend über dem noch lebenden Dämon auf und grinste auf ihn hinunter. Der Bandit zuckte zusammen und versuchte, sich noch weiter zurückzuziehen, aber es gab keinen Platz mehr, wohin er hätte gehen können.
»Elf Mann in weniger als drei Minuten«, sagte Valentin in lockerem Konversationston. »Außerhalb der Arena gibt es nur drei Männer, die dazu imstande sind, und ich bin einer davon.
Ich weiß, das habt Ihr nicht erwartet, nicht wahr? Aber so ist das Leben. Voller Überraschungen. Ich bin wirklich sehr böse auf Euch. Der arme Georgios ist tot, mein Morgen versaut, und meine Kleider sind hinüber. Es gibt nur einen einzigen Grund, aus dem Ihr noch lebt und nicht in irgendeiner Hölle schmort. Ihr besitzt Informationen, die ich benötige. Irgend jemand hat Euch auf meine Spur gesetzt, und Ihr werdet mir sagen, wer das war. Wenn Ihr das nämlich nicht tun solltet, dann werde ich meine ganze morgendliche Frustration an Euch auslassen. Ihr würdet überrascht sein, wie groß meine Phantasie ist, wenn ich wirklich böse bin. Redet! Auf der Stelle, Kerl.«
Der Dämon spuckte einen dicken Klumpen Blut auf den Boden zwischen seinen ausgestreckten Beinen und tastete mit der Zungenspitze nach einem lockeren Zahn. Er wich Valentins Blicken aus. Sie machten ihm zuviel angst.
»Ich kenne keine Namen. Sie haben sich nicht vorgestellt, und sie haben uns so viel Geld geboten, daß wir nicht danach fragten. Wir haben ihre Gesichter nie gesehen. Sie trugen Holomasken. Ein Mann und eine Frau. Jung, reich, arrogant.
Nach ihrem Akzent zu urteilen Aristos wie Ihr selbst, Herr.
Aber sie haben uns etwas dagelassen, das Euch vielleicht interessieren könnte, Herr. In meiner Tasche, dort drüben.«
Er deutete mit einem vorsichtigen Kopfnicken in Richtung einer Hüfttasche, die verloren am Rand der Kampfszene lag.
Sie war noch geschlossen. Valentin ging hinüber und nahm sie vorsichtig mit Daumen und Zeigefinger auf. Er brachte sie zurück und warf sie dem Banditen in den Schoß. Der Dämon zuckte zusammen, und Valentin grinste ihn an.
»Macht sie auf. Und seid vorsichtig. Könnte doch sein, daß es eine Falle ist, nicht wahr?«
Der Dämon lächelte ohne Fröhlichkeit und fummelte mit zittrigen Fingern an der Tasche. Sein Gesicht war bleich, und hektische Flecken zeigten sich auf den Wangen. Offensichtlich begannen die Nachwirkungen der Drogen, ihren Tribut zu fordern. Valentin beobachtete ihn leidenschaftslos. Amateure sollten die Finger von Drogen lassen. Er wandte den Kopf und sah zur Eingangstür. Einer der Banditen hatte das im Glas eingebettete ›Geschlossen‹-Schild aktiviert. Das hatte andere abgehalten, auf der Suche nach Georgios in den Laden zu stürmen. Allerdings war der Kampf auch viel zu schnell vorbei gewesen. Die Frage war, wie lange sich Ladenbesucher durch das Schild noch abhalten ließen. Wahrscheinlich nicht mehr sehr lange. Manche Leute, ganz besonders, wenn sie Valentins Stand angehörten, würden das Schild sogar als Herausforderung betrachten. Wenn sie sich genügend ärgerten, konnten sie vielleicht sogar die Tür eintreten. Valentin hätte sich so verhalten. Und daß man ihn hier fand, umgeben von Leichen, deren Blut an seinen Kleidern klebte – das war das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Es würde ihm schwerfallen, die Situation zu erklären, und noch schwerer, seine Worte zu beweisen. Die Behörden würden eine großangelegte, teure Untersuchung einleiten, und sein Vater würde toben.
Nein, das konnte er wirklich nicht gebrauchen.
Valentin fiel auf, daß der Dämon ungewöhnlich lange brauchte, um die Tasche zu öffnen. Er machte einen ungeduldigen Schritt auf den Banditen zu und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen, als der Dämon in die Tasche griff und einen Disruptor hervorzog. Valentin erstarrte das Blut in den Adern.
Sein Verstand raste. Die Energiewaffe änderte alles. Ein Freizeitganove konnte auf keinen Fall über die normalen Kanäle an einen Disruptor gelangen. Für Leute wie ihn bedeutete allein der Besitz einer solchen Waffe bereits den Tod.
Aber die Pistole in der Hand des Banditen war real. Die mysteriösen Auftraggeber waren anscheinend tatsächlich Aristokraten gewesen. Valentin ging in Gedanken die Drogen durch, die in seinen Körperreservoirs übriggeblieben waren. Die meisten der nützlichen hatte er bereits verbraucht. Er war ziemlich sicher, daß der Dämon ihn im gleichen Augenblick erschießen würde, wo er versuchte, an seine silberne Pillenschachtel zu gelangen. Er könnte den anderen zwar anspringen und darauf vertrauen, daß seine Reflexe besser waren als die des Banditen, aber er konnte dabei genausogut getötet werden. Er entschied sich, erst einmal regungslos stehenzubleiben und darauf zu warten, daß ihm etwas einfiel.
Der Dämon hielt die Waffe auf Valentin gerichtet, aber er konnte sie kaum ruhig halten. In seinen Augen war eine Wildheit, die Valentin überhaupt nicht gefiel. Trotzdem. Irgendwie kam ihm der Gedanke, daß der Dämon reichlich Zeit gehabt hätte, ihn zu erschießen, wenn das sein Plan gewesen wäre. Und wenn er bereits die ganze Zeit eine Energiewaffe bei sich geführt hatte – warum hatte er sie nicht während des Kampfes eingesetzt?
Plötzlich, während Valentin noch überlegte, richtete der Bandit die Waffe auf sich selbst. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Überraschung und Entsetzen, als er den Lauf gegen seine Schläfe richtete und den Abzug betätigte. Sein Kopf explodierte in einer blutigen Wolke von Gehirnfetzen, die im ganzen Laden herabregneten. Valentin fluchte leise. Offensichtlich hatten seine Auftraggeber den Banditen so programmiert, daß er keine Geheimnisse verraten würde. Das war interessant. Es ließ darauf schließen, daß die geheimnisvollen Hintermänner nicht nur Zugang zu Hochtechnologie besaßen, sondern daß die Dämonen auch Dinge erfahren hatten, die auf keinen Fall ans Licht kommen durften. Auf Valentins Gesicht begann sich ein böses Grinsen abzuzeichnen, als er mit einem duftenden Taschentuch das frische Blut von seinem Gesicht wischte. Er wußte, wer die Hintermänner waren. Es gab nur diese eine Möglichkeit. Es mußte so sein.