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Hazel warf einen Blick über die Brücke zu Terrence Markee. Der Kapitän war Ende Vierzig; groß, solide und zuverlässig. Markee war während seines gesamten Erwachsenenlebens Pirat gewesen und erinnerte sich voller Stolz an jeden einzelnen illegalen Augenblick. Er kleidete sich geckenhaft wie ein Stutzer, ein wenig altmodisch, alles glänzende Seide und sich beißende Farben, und er pflegte einen aristokratischen Akzent, obwohl er dazu eigentlich kein Recht besaß. Im Augenblick beobachtete der Kapitän mit verkniffenem Gesicht die Schirme und erteilte mit ruhiger Stimme Befehle.

Ein klein wenig beruhigt, daß zumindest ein Mann nicht in Panik ausbrach, ließ Hazel ihre Augen über die enge, vollgestopfte Brücke schweifen. Alles war besser, als das Imperiale Schiff zu betrachten.

Die Brücke der Scherbe war ein einziges Chaos. Die meiste Zeit über funktionierte die Hälfte der Beleuchtung nicht, weil Ersatzlampen teuer und daher Mangelware waren. Der enge, niedrige Raum war vollgestopft mit Rechnerkonsolen, Terminals und Bildschirmen voller Diagramme; ganz zu schweigen von den Feuerleitstationen und den Ortungsarmaturen. Eigentlich sollten einschließlich des Kapitäns sieben Mann auf der Brücke ihren Dienst verrichten, aber wie üblich waren es nur vier – einschließlich des Kapitäns und Hazel. Die Scherbe operierte mit einer absoluten Minimalbesatzung, und jeder erledigte so viele Arbeiten gleichzeitig wie nur irgend möglich. Die Hälfte aller Systeme war außer Betrieb, doch man lernte zu improvisieren, solange nur das Allernotwendigste funktionierte. Reparaturen waren entsetzlich teuer, ganz besonders in Sternendocks. Klonpaschen konnte einem zwar einen sehr komfortablen Lebensstandard bescheren – wenn man zur rechten Zeit am rechten Ort war und ein gut gefülltes Lager besaß –, aber in jenen Tagen war die Konkurrenz hart, und kleine, unabhängige Schiffe wie die Scherbe wurden rücksichtslos verdrängt. Markee hatte darauf spekuliert, daß der Abstecher nach Virimonde ausreichen würde, um die Körpertanks wieder aufzufüllen sowie sein Schiff und seine Finanzen in Ordnung zu bringen. Aber dann hatte er sich die Friedhofsknaben zum Feind gemacht, und alles ging schneller zur Hölle, als er sich vorstellen konnte.

Plötzlich kam Hazel ein Gedanke, und sie blickte zu Markee. »Käpten, wie wär’s, wenn wir einfach alles über Bord werfen? Wenn die Ware zusammen mit den Körperbänken in der Atmosphäre von Virimonde verglüht, gibt es keine Beweise.«

»Gute Idee«, entgegnete Markee. »Und wenn dieses Schiff dort draußen kein Sternenkreuzer wär’, dann könnten wir damit vielleicht sogar Erfolg haben. Aber so… die haben derart empfindliche Sensoren an Bord, daß sie jedes einzelne Organ und jede Gewebeprobe identifizieren und sogar noch den Herstellernamen auf den Körperbänken lesen können. Ihre Sensoraufzeichnungen würden verdammt genau beweisen, was wir hier getrieben haben.

Wir können die Ware also nicht abwerfen, und wir können es uns auch nicht leisten, daß man uns mit ihr erwischt. Das läßt uns nicht viel Spielraum, oder?« Er grinste kurz. »Ich schätze, wir könnten die Ware essen… Wie steht’s mit deinem Appetit, Hazel?«

»Nicht mehr so stark wie noch vor einer Sekunde. Genaugenommen sind wir nach deinen Worten in jedem Fall aufgeschmissen. Ich nehme an, Kapitulation kommt nicht in Frage?«

Markees Lächeln kam und ging. »Es gibt genügend Konterbande an Bord, um uns alle aufzuhängen. Langsam.«

»Und was machen wir jetzt?«

»Das einzige, was sie nicht erwarten. Wir kämpfen. Wer weiß, vielleicht haben wir Glück?«

»Und wenn nicht?«

»Dann sterben wir wenigstens einen schnellen Tod. Sind die Kanonen bereit?«

»So bereit, wie sie nur sein können. Sie sind seit Ewigkeiten nicht mehr überprüft, geschweige denn abgefeuert worden.«

Hazel blickte zu dem gewaltigen Schiff auf den Schirmen vor ihr. Tränen der Wut und Frustration brannten in ihren Augen, aber sie gab ihren Gefühlen nicht nach. Ihr Glück hatte sie eben einmal zu oft im Stich gelassen, das war alles. Sie hämmerte mit der Faust auf die Armlehne ihres Stuhls. »Was zur Hölle hat das Imperiale Schiff eigentlich hier zu suchen? Wir haben doch erst vor zwölf Stunden entschieden, nach Virimonde zu gehen! Sie konnten unmöglich von uns wissen.«

Hazel sah nicht, wie Markee mit den Schultern zuckte, aber sie hörte es in seiner Stimme: »In zwölf Stunden kann eine ganze Menge passieren. Ganz besonders, wenn man sich Feinde gemacht hat. Jede Menge Leute könnten herausgefunden haben, wohin wir wollten, und die Information an das Imperium verkauft haben.«

»Aber warum zur Hölle sollte man einen ganzen verdammen Sternenkreuzer hinter so etwas Unbedeutendem wie unserer Scherbe herschicken?«

»Gute Frage. Ich wünschte, ich wüßte eine ebenso gute Antwort. Die Friedhofsknaben könnten dahinterstecken. Vielleicht schuldet ihnen jemand einen Gefallen, und sie fordern ihm jetzt ein, um uns endgültig den Rest zu geben? Es spielt doch gar keine Rolle. Und jetzt sei endlich still und kümmere dich um die Kanonen. Hannah erzählt den Imperialen gerade, daß wir ein Ambulanzschiff auf einer Hilfsmission sind und eine Epidemie bekämpfen helfen. Sie füttert sie mit jeder Menge überzeugender Details, aber ich glaube nicht, daß die Imperialen uns die Geschichte abkaufen. Jedenfalls ganz bestimmt nicht lange genug, damit wir unsere Maschinen für einen Sprung in den Hyperraum hochfahren können.«

Hazels Mund war plötzlich wie ausgetrocknet. »Käpten, unsere zwei Kanonen sind nicht mehr als Spucke gegen die Schilde der Imperialen. Es muß doch eine andere Möglichkeit geben!«

»Tut mir leid, Hazel. Ich hab’ keine Idee. Du kennst die Regeclass="underline" Wenn du keinen Spaß verstehst, dann hättest du nicht mitmachen dürfen.«

Hazel wartete, aber Markee hatte nichts mehr zu sagen.

Schließlich konzentrierte sie sich auf die Feuerkontrollen.

Sowohl die Scherbe als auch der Imperiale Kreuzer besaßen Schutzschilde, die eine Menge einstecken konnten. Aber sie benötigten auch eine ganze Menge Energie, und die Schilde der Scherbe würden lange vor denen des Imperialen Schiffs zusammenbrechen. Allmählich wurde Hazel bewußt, daß sie hier draußen in der leeren Weite des Randes sterben würde, weit weg von ihrer Familie und ohne Ehre. Genau so, wie sie immer geahnt hatte.

An Bord des Imperialen Sternenkreuzers Sturmwind saß Kapitän Johan Schwejksam entspannt in seinem Kommandantensitz und überblickte die vollbesetzte Brücke. Jeder Mann auf seinem Posten, alle Systeme fehlerfrei und in Betrieb, ein leises Murmeln von Geschäftigkeit; genau wie es sein sollte.

Das kleine Schiff auf dem Schirm erschien überraschend bedeutungslos. Zu bedeutungslos, um so viel von der kostbaren Zeit und Aufmerksamkeit des Kapitäns zu beanspruchen.

Trotzdem. Etwas derart Winziges würde ihm keine wirklichen Probleme bereiten, und die Prise, die das Kapern einbringen würde, war ein willkommener Bonus. Zumindest würde bei der Mission auf diese Weise doch noch etwas Positives herausspringen. Schwejksam versuchte den Gedanken zu verdrängen, aber es funktionierte nicht. Er hatte Besseres zu hin, als seine Zeit mit der Jagd auf einen armen Bastard zu verschwenden, der wahrscheinlich nicht einmal wußte, daß er in Ungnade gefallen war. Aber der Mensch denkt, die Imperatorin lenkt. Sie sagte Mach! , und man machte. Jedenfalls wenn man es vorzog, den Kopf auf den Schultern zu behalten.

Schwejksam blickte erneut auf das winzige Raumschiff auf dem Hauptschirm und runzelte nachdenklich die Stirn. Wahrscheinlich ein Pirat, der seine dubiosen Geschäfte abwickelte.

Aber was hatte er dann ausgerechnet hier zu suchen, wenn die Sturmwind im System auftauchte? War es möglich, daß der Pirat den Todtsteltzer zu retten versuchen wollte? Owen Todtsteltzer, Lord von Virimonde, Träger eines stolzen Namens und Titels, der durch das Wort der Imperatorin zum Tode verurteilt worden war? Sie hatte nicht gesagt warum, und Schwejksam hatte nicht nach dem Grund gefragt. Man fragte nicht, man gehorchte. Insgeheim hatte Schwejksam die Akten durchgesehen, nur für den Fall, daß es etwas gab, was er wissen mußte. Aber wenn es wirklich etwas besonderes an diesem Fall gab, dann hatte er es jedenfalls übersehen. Owen Todtsteltzer mochte vielleicht einem berühmtem Kriegerclan entstammen, aber in seinem Fall schien das Blut ziemlich dünn geworden zu sein. Seine Leute verwalteten Virimonde nicht schlecht, aber der Mann selbst war nicht mehr als ein Amateurhistoriker. Er schrieb lange, schwerverständliche Bücher über Themen, die niemanden interessierten. Inoffiziell wurde es nicht gern gesehen, wenn jemand sich mit der Vergangenheit beschäftigte. Die Imperatorin zog es vor, wenn das Volk die Dinge vergaß, die in der Vergangenheit lagen. Vermutlich war der Todtsteltzer über etwas gestolpert, das besser im Verborgenen geblieben wäre. Was immer es gewesen sein mochte, Owen Todtsteltzer würde diesmal keine Gelegenheit haben, ein Buch darüber zu schreiben. Er war jetzt ein Gesetzloser. Eine Unperson, auf deren Kopf ein Preis ausgesetzt war. Buchstäblich. Die Imperatorin liebte Beweise für ihre Morde.