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Commander McGowan, ein großer, auffällig hagerer Mann in Cynthias Alter, gesellte sich zu ihr und sagte: »Glückwunsch, das war ein voller Erfolg.« Er wartete, bis sie allein waren, bevor er zögernd hinzufügte: »Hören Sie, Cynthia, eigentlich geht mich das nichts an, aber seit Sie hier sind, wirken Sie ein bißchen zerstreut. Ist alles okay, oder habe ich bei den Vorbereitungen irgendwas falsch gemacht?«

Cynthia erschrak, denn sie hatte bis zu diesem Augenblick geglaubt, ihre innerliche Anspannung erfolgreich unterdrückt zu haben. Aber Winslow McGowan war offenbar ein scharfer Beobachter.

»Nein, nein, alles ist bestens«, versicherte sie ihm hastig. »Es gibt keinerlei Probleme.« Aber sie nahm sich vor, in Zukunft noch vorsichtiger zu sein.

Cynthias Sorgen wegen des Ereignisses, das in wenigen Tagen fast fünftausend Kilometer weit entfernt stattfinden sollte, wurden durch den von Paige organisierten Wirbel aus Aktivitäten gemildert. An ihrem ersten gemeinsamen Morgen fuhr Cynthia mit Paige in ihrem schwarzen Saab-Kabrio zu einem der Universal-Ateliers, in dem ein Kriminalfilm gedreht wurde. Sie waren auf der Interstate 405 nach Norden unterwegs und ließen sich den Fahrtwind durchs Haar wehen.

»Genau wie in Thelma and Louise«, meinte Paige lachend. Sie war groß und schlank, hatte schulterlanges blondes Haar und blaue Augen. »Ein waschechtes L.A. Girl!« sagte sie von sich selbst.

»Wie heißt der Film, zu dessen Dreharbeiten wir fahren?« erkundigte Cynthia sich.

»Dark Justice. Eine großartige Story! Ein kleines Mädchen wird in einer Seitenstraße in der Nähe des Polizeireviers ermordet. Der Kriminalbeamte, der die Ermittlungen leitet, ist ein anständiger Cop - intelligent, Familienvater -, aber je mehr Beweise gefunden werden, desto mehr wird er belastet.«

»Der Cop hat die Kleine ermordet?«

»So steht's im Drehbuch. Er leidet an akuter Schizophrenie, deshalb weiß er nichts von der Tat.«

Cynthia lachte. »Soll das ein Witz sein?«

»Nein, echt, die Story ist faszinierend. Wir haben einen Psychiater als Berater engagiert, damit die verrückten Stellen stimmen.«

»Und wie geht's weiter?«

»Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Seit wir Max Cormick für die Hauptrolle an Land gezogen haben, sind die Drehbuchautoren dabei, das Ende umzuschreiben. Sein Agent behauptet, als Kindermörder wäre seine Karriere ruiniert. Deshalb muß jetzt vermutlich sein Partner als Mörder herhalten.«

»Sein Partner? Das ist reichlich durchsichtig.«

»Findest du?« Paiges Stimme klang besorgt.

»Klar doch. Wie wär's mit der Frau des Kriminalbeamten?«

»Mit seiner Frau? Natürlich! Augenblick mal.« Paige griff nach ihrem Autotelefon und tippte eine Nummer ein. »Michael? Hör zu, ich bin gerade mit einer alten Freundin zusammen, die Kriminalbeamtin in Miami ist. Sie findet, Suzanne sollte die Mörderin sein.«

Eine Pause. »Okay, ich frage mal nach... Cynthia, warum sollte seine Frau die Mörderin sein?«

Cynthia zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat sie einen Geliebten und will ihren Mann loswerden. Aber statt ihn selbst umzulegen, will sie dafür sorgen, daß er lebenslänglich bekommt oder in der Gaskammer stirbt.«

»Michael, hast du das gehört?... Okay, laß dir die Sache durch den Kopf gehen.«

Paige legte auf und wandte sich lächelnd an Cynthia. »So, jetzt kann ich dich auf Geschäftskosten in die besten Restaurants der Stadt einladen.«

»Wofür?«

»Du bist eine Drehbuchberaterin.«

Paige fuhr auf den rückwärtigen Parkplatz der Universal Studios und hielt vor einem der großen weißen Ateliergebäude. In dem riesigen Innenraum herrschte reger Betrieb. Cynthia sah sich erstaunt um. Sie hatte den Eindruck, eine echte Dienststelle der Kriminalpolizei sei mitten in das Gebäude versetzt und dann mit Scheinwerfern, Gerüsten, Kameras und einem Filmteam in Kompaniestärke umgeben worden.

Sie stieß Paige an und fragte flüsternd: »Lerne ich auch Max Cormick kennen?«

»Komm.« Paige ging in den abgesperrten Bereich voraus, in dem der gefeierte Filmstar auf seine nächste Szene wartete. Er war ein großer, selbstbewußter Vierziger mit leicht angegrautem Haar und haselnußbraunen Augen.

»Guten Morgen, Max«, sagte Paige. »Ich möchte dich mit Major Cynthia Ernst bekannt machen. Sie kommt vom Miami Police Department.«

Er wirkte leicht verwirrt. »Spielt jetzt auch eine Kriminalbeamtin aus Miami mit?«

»Nein, nein.« Cynthia lächelte. »Ich bin keine Schauspielerin.«

»Oh, sorry. Aber... nun, Sie sehen eher wie eine Schauspielerin als eine Polizeibeamtin aus.«

»Nach allem, was man hört, würde ich damit mehr Geld verdienen.«

Der Schauspieler nickte leicht verlegen. »Ja. Ungerecht, nicht wahr?«

»Na ja, vielleicht auch nicht. Ich habe mich in der Schule als Schauspielerin versucht, bin aber nicht damit zurechtgekommen. Der Versuch, meine Rolle zu verstehen, hat mich so beschäftigt, daß sie mir nie lebensecht vorgekommen ist.«

Max Cormick nahm ihren Arm und führte sie ans Frühstücksbufett. »Major, ein Schauspieler denkt nie an seine Rolle niemals. Tut er's doch, merkt man's ihm an. Ein Schauspieler denkt nur an sich... an die neue Persönlichkeit, die er in einer anderen Welt, die jetzt ganz seine ist, angenommen hat. Leben, Familie, Job - alles neu!«

Cynthia nickte anscheinend höflich interessiert. In Wirklichkeit hatte sie sich jedes Wort gemerkt.

Sechs Tage später, am Morgen des 18. August, erklang um 6.50 Uhr der Türgong in Paige Burdelons Eigentumswohnung. Sekunden später erklang er nochmals.

Cynthia, die schon wach war, aber noch im Bett lag, hörte den ersten Gong und nach dem zweiten Paiges gedämpfte Stimme, die protestierte: »Wer zum Teufel... um diese Zeit...«, während die andere Schlafzimmertür geöffnet wurde. Bevor sie die Wohnungstür erreichen konnte, ertönte der Gong zum drittenmal.

»Schon gut, schon gut! Ich komme!« rief Paige gereizt.

Cynthia fühlte, wie ihr Puls sich beschleunigte, aber sie blieb ruhig liegen und ließ die bevorstehenden Ereignisse gelassen auf sich zukommen.

An ihrer Wohnungstür warf Paige einen Blick durch den Spion und erkannte eine Polizeiuniform. Sie hakte die Sperrkette aus, sperrte zwei Schlösser auf und öffnete dann die Tür.

»Ich bin Commander McGowan, Ma'am.« Eine ruhige und kultivierte Stimme. »Ich arbeite mit Major Ernst zusammen, die meines Wissens bei Ihnen wohnt.«

»Ja, das stimmt. Ist irgendwas nicht in Ordnung?«

»Tut mir leid, daß ich so früh störe, aber ich muß sie unbedingt sprechen.«

»Kommen Sie rein, Sir.«

Paige drehte sich um. »Cynthia, bist du schon wach?« rief sie. »Du hast Besuch!«

Cynthia ließ sich Zeit, bevor sie im Morgenrock aus ihrem Zimmer kam. »Hallo, Winslow«, begrüßte sie McGowan lächelnd. »Was führt Sie so früh hierher?«

Anstatt ihre Frage zu beantworten, wandte McGowan sich an Paige. »Können Cynthia und ich irgendwo ungestört miteinander reden?«

»Klar.« Sie deutete hinter sich. »Gehen Sie ins Arbeitszimmer. Rufen Sie mich, wenn Sie fertig sind. Ich koche inzwischen Kaffee.«

Als McGowan und sie Platz nahmen, sagte Cynthia: »Sie machen ein so ernstes Gesicht, Winslow. Ist irgendwas nicht in Ordnung?« Während sie das scheinbar unbekümmert fragte, erinnerte sie sich wieder an Max Cormicks Worte in den Universal Studios: Als Schauspieler denkt man nie an seine Rolle niemals. Tut er das, merkt man's ihm an...

»Ja«, antwortete McGowan. »Ich habe Ihnen eine schlechte Nachricht, eine sehr schlechte Nachricht zu überbringen. Cynthia, Sie müssen sich aufs Schlimmste gefaßt machen.«

»Ich bin darauf gefaßt. Reden Sie doch!« Ihre Stimme klang besorgt. Dann fragte sie, als sei ihr plötzlich etwas eingefallen: »Irgendwas mit meinen Eltern?«