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Die FIVO-Karten wurden ans Polizeipräsidium weitergeleitet und dort in den Computer eingespeichert; dabei sorgte der automatische Datenabgleich dafür, daß jede FIVO-Meldung durch polizeibekannte Vorstrafen ergänzt wurde.

Eine Zeitlang hatten FIVO-Meldungen in Miami keinen guten Ruf gehabt. Schuld daran waren Streifenpolizisten, die massenhaft erfundene Meldungen abgegeben hatten, um Aufmerksamkeit zu erregen und vielleicht befördert zu werden. Auf manchen FIVO-Karten standen sogar von Grabsteinen abgeschriebene Namen. Nachdem einige Streifenpolizisten Disziplinarstrafen erhalten hatten, hörte der Schwindel auf. Aber viele Kriminalbeamte, darunter auch Ainslie, waren FIVOs gegenüber noch immer mißtrauisch.

Das Zugangsverfahren zu FIVOs war ähnlich wie zuvor beim CIC, und Ruby ging schnell zu AUFFÄLLIGKEITEN und danach zu RELIGIÖSE FANATIKER weiter. Plötzlich füllte sich der Bildschirm mit Namen, Daten und anderen Angaben. Ainslie beugte sich gespannt nach vorn. »Hey, seht euch das an!« sagte eine Stimme hinter ihm. Jemand anders stieß überrascht einen langgezogenen Pfiff aus.

Auch diesmal gingen sie die Namen gemeinsam durch, schieden einige aus und nahmen die restlichen in eine neue Datei auf, die schon die beiden Verdächtigen aus dem CIC enthielt. Zuletzt druckte Ruby ein halbes Dutzend Exemplare der kombinierten Liste aus und verteilte sie.

Der Ausdruck enthielt sechs Namen:

JAMES CALHOUN, w/m, alias »Little Jesus«.

Geburtsdatum: 10.10.67, 1,81m, 90 kg. Letzte bekannte Anschrift: 271 NW 10 St., Miami. Tätowiertes Kreuz auf der linken Brustseite. Spricht vom bevorstehenden Ende der Welt und behauptet, der wiedergekehrte Heiland zu sein. Vorstrafen: Totschlag, Raubüberfall und bewaffneter Einbruch.

CARLOS QUINONES, l/m, alias »Diablo Kid«.

Geburtsdatum: 17.11.69, 1,67m, 80 kg, untersetzt. Letzte bekannte Anschrift: 2640 SW 22 St., Miami. Gibt sich als der einzige Messias aus und predigt das Wort Gottes. Zahlreiche Vorstrafen: Körperverletzung, Vergewaltigung und Raubüberfall mit Gewaltanwendung.

EARL ROBINSON, b/m, alias »Rächer«.

Geburtsdatum: 02.08.64, 1,83m, 85 kg. Letzte bekannte Anschrift: 1310 NW 65 St., Miami. Schlank, ehemaliger Profiboxer, sehr aggressiv. Predigt an Straßenecken, zitiert aus der Bibel, immer aus der Offenbarung des Johannes, und behauptet, der rächende Engel Gottes zu sein. Mehrfache Vorstrafen: fahrlässige Tötung, bewaffneter Raubüberfall und Körperverletzung (Messerstecher).

ALEC POLITE, h/m, alias »Messias«.

Geburtsdatum: 12.12.69, 1,80m, 85 kg. Letzte bekannte Anschrift: 265 NE 65 St., Miami. Redet mit jedem, der ihm zuhören will, über die Heilige Schrift und behauptet, mit Gott zu sprechen. Wird aggressiv, wenn er Zweifel spürt oder befragt wird. Könnte gewalttätig sein, hat aber keine Vorstrafen. Seit 1993 in den USA.

ELROY DOIL, w/m, alias »Kreuzfahrer«.

Geburtsdatum: 12.09.64, 1,94m, 120 kg. Letzte bekannte Anschrift: 189 NE 35 St., Miami. Behauptet, ein Apostel Gottes zu sein und Gottes Wünsche zu kennen. Predigt öffentlich. Anscheinend nicht gewalttätig. Arbeitet zeitweise als Fernfahrer. Vorstrafen: Keine.

EDELBERTO MONTOYA, l/m, alias »Prediger«.

Geburtsdatum: 01.11.62, 1,79m, 70 kg. Letzte bekannte Anschrift: 861 NW 1 St., Miami. Trägt buschigen schwarzen Vollbart. Bezeichnet sich als wiedergeborenen Christen, zitiert aus der Bibel und betet für ein baldiges Ende der Welt. Vorstrafen: Vergewaltigung, schwere Körperverletzung und sexuelle Belästigung.

Während Ainslie, Knowles und die Kriminalbeamten die Namen und Personenbeschreibungen studierten, machte sich Erregung breit.

Sergeant Greene brachte sie zum Ausdruck. »Malcolm, da haben wir was, glaube ich!«

Detective Garcia nickte eifrig. »Robinson ist unser Mann! Er muß es sein. Seht euch nur den Passus mit der Offenbarung an! Und er ist als >Rächer< bekannt - das paßt genau. Außerdem ist er als ehemaliger Boxer bestimmt recht kräftig.«

»Abgesehen davon ist er als Messerstecher bekannt«, fügte Ruby Bowe hinzu.

»Okay, okay«, sagte Ainslie. »Keine voreiligen Schlußfolgerungen! Wir sehen sie uns alle an.«

Sheriff-Detective Montes fragte: »Haben Sie vor, jemanden festnehmen zu lassen?«

Ainslie schüttelte den Kopf. »Dafür sind die Hinweise zu dürftig. Nein, wir überwachen erst mal alle.«

»Sergeant«, sagte Knowles warnend, »das muß äußerst vorsichtig geschehen, damit diese Leute nichts merken.« Er sah einen Kriminalbeamten nach dem anderen an. »Denken Sie bitte alle daran, daß wir bisher praktisch keine Beweise haben. Ist einer dieser sechs unser Mann und wird er durch unsere Überwachung gewarnt, könnte er völlig inaktiv werden, so daß wir nichts gegen ihn in der Hand hätten.«

»Ein bißchen Untätigkeit könnte allerdings nicht schaden«, stellte Pablo Greene fest. »Wir wollen schließlich nicht, daß er weitermordet.«

»Funktioniert die Überwachung, kann das nicht passieren.« Knowles machte eine nachdenkliche Pause. »Ideal wär's natürlich, ihn auf frischer Tat zu ertappen.«

»Ideal für den Staatsanwalt«, sagte Ruby Bowe. »Riskant für das Opfer.«

Ainslie stimmte in das Gelächter der anderen mit ein, bevor er es mit einer Handbewegung beendete.

»Ruby hat trotzdem recht«, stellte Quinn fest. »Die Überwachung ist riskant. Wir wissen, daß dieser Kerl clever ist, und er weiß natürlich, daß wir nach ihm fahnden.«

Ainslie wandte sich an Leo Newbold, der sich vor einigen Minuten zu der Gruppe gesellt hatte. »Was denken Sie, Lieutenant?«

Newbold zuckte mit den Schultern. »Das ist Ihre Entscheidung, Malcolm. Sie leiten diese Sonderkommission.«

»Dann gehen wir das Risiko ein«, sagte Ainslie. »Und ich versichere Ihnen, Counselor, daß kein Verdächtiger etwas von unserer Überwachung mitbekommen wird.« Er wandte sich an Greene. »Pablo, am besten arbeiten wir gleich einen Plan aus.«

Sie einigten sich darauf, daß Sergeant Ainslies Team zunächst Earl Robinson, James Calhoun und Carlos Quinones überwachen würde. Sergeant Greenes Team sollte Alec Polite, Elroy Doil und Edelberto Montoya übernehmen. Alle sechs Männer würden Tag und Nacht observiert werden.

Ainslie teilte Newbold mit: »Wir brauchen sofort Verstärkung aus dem Raubdezernat, Sir - für den Anfang erst mal zwei Kollegen, die ich gleich einplanen möchte.«

Der Lieutenant nickte. »Gut, ich rede mit Major Yanes.«

Die Gruppe wollte sich eben trennen, als plötzlich die Tür des Konferenzraums aufgestoßen wurde. Sergeant Hank Brewmaster, der gleich nach der Besprechung gegangen war, stand atemlos und vor Entsetzen bleich auf der Schwelle. Da Brewmasters Team an diesem Tag Bereitschaftsdienst hatte, wußten alle, was kommen würde.

Newbold trat vor. »Ein schlimmer Fall, Hank?«

»Schlimmer geht's kaum, Sir.« Brewmaster holte tief Luft. »City Commissioner Gustav Ernst. Und seine Frau. Beide tot, ermordet. Die Meldung ist gerade reingekommen. Der Beschreibung nach deutet alles auf einen dieser...«

»O Gott!« sagte Ainslie betroffen. »Nicht schon wieder einer unserer... «

Er brauchte nicht weiterzusprechen, denn Brewmaster nickte nachdrücklich. »Offenbar hat unser Serienmörder wieder zugeschlagen.«

Der Sergeant wandte sich wieder an Newbold. »Meine Leute sind zum Tatort unterwegs, Sir. Das wollte ich Ihnen nur melden.« Sein Blick schloß die anderen mit ein. »Ich dachte, das solltet ihr alle wissen, denn die Medien sind bereits am Tatort, und soviel ich gehört habe, ist dort die Hölle los.« In den Tagen danach erfaßte die von den Medien geschürte Empörung der Öffentlichkeit die City wie ein Flächenbrand: Der Mordfall Ernst war zu einer Cause celebre geworden.