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»Pater, Sie können mir keine Anweisungen geben.«

»Ich handle im Auftrag Gottes!« dröhnte Uxbridge.

Ainslie ignorierte seinen Theaterdonner. »Hören Sie, damit vergeuden wir nur Zeit. Richten Sie Animal aus, daß ich komme, bevor er auscheckt. Und ich versichere Ihnen, daß ich in keiner anderen Rolle als meiner eigenen auftreten werde.«

»Geben Sie mir darauf Ihr Wort?«

»Du lieber Gott, natürlich gebe ich Ihnen mein Wort. Wollte ich als Geistlicher herumstolzieren, hätte ich mein Priestergewand nie ausgezogen, oder?«

Ainslie legte auf.

Er nahm rasch wieder den Hörer ab und drückte die Kurzwahltaste, um Lieutenant Leo Newbold anzurufen. Der Chef der Mordkommission hatte dienstfrei und war zu Hause.

Eine angenehme Frauenstimme, die mit jamaikanischem Akzent sprach, meldete sich.

»Hallo, Devina. Hier ist Malcolm. Kann ich den Boß sprechen?«

»Er schläft, Malcolm. Soll ich ihn wecken?«

»Muß leider sein, Devina. Sorry.«

Ainslie wartete ungeduldig, sah wieder auf die Uhr, überschlug die Fahrtstrecke und rechnete aus, wie lange sie brauchen würden. Wenn nichts dazwischenkam, konnten sie's schaffen. Aber nur ganz knapp.

Er hörte ein Klicken, dann eine verschlafene Stimme. »Hi, Malcolm. Was zum Teufel soll das? Ich dachte, Sie haben Urlaub?« Leo Newbold sprach mit dem gleichen jamaikanischen Akzent wie seine Frau.

»Eigentlich schon, Sir. Aber jetzt ist etwas dazwischengekommen.«

»Ist das nicht immer so? Schießen Sie los.«

Ainslie berichtete, was er von Pater Uxbridge gehört hatte, und betonte, er müsse sofort losfahren. »Ich rufe an, um Ihre Genehmigung einzuholen.«

»Die ist erteilt. Wer fährt Sie?«

»Ich nehme Rodriguez mit.«

»Gut. Aber Vorsicht, Malcolm. Der Kerl fährt wie ein verrückter Kubaner.«

Ainslie lächelte. »Genau so einen brauche ich jetzt.«

»Bringt das Ihren Familienurlaub durcheinander?«

»Wahrscheinlich. Ich habe Karen noch nicht angerufen. Das mache ich von unterwegs.«

»Scheiße! Das tut mir wirklich leid.«

Ainslie hatte Newbold erzählt, daß sie morgen den achten Geburtstag seines Sohns Jason und zugleich den fünfundsiebzigsten von Karens Vater, den pensionierten kanadischen Brigadegeneral George Grundy, feiern wollten. Die Grundys wohnten in einem Vorort von Toronto. Dieser Doppelgeburtstag war als großes Familientreffen geplant.

»Wann müßten Sie morgen fliegen?« fragte Newbold.

»Fünf nach neun.«

»Und wann kommt Animal auf den Stuhl?«

»Sieben.«

»Also können Sie um acht draußen sein. Zu spät, um hierher zurückzufliegen. Haben Sie sich schon nach Flügen nach Toronto von Jacksonville oder Gainesville aus erkundigt?«

»Noch nicht.«

»Überlassen Sie das mir, Malcolm. Rufen Sie mich in ungefähr einer Stunde vom Auto aus an.«

»Danke. Wird gemacht.«

Beim Hinausgehen nahm Ainslie ein Tonbandgerät mit, das er verdeckt unter seiner Jacke tragen konnte. Unabhängig davon, was Doil im Angesicht des Todes zu sagen hatte, würden seine Worte ihn überdauern.

Im Erdgeschoß des Police Buildings wartete Jorge Rodriguez in der Einsatzzentrale des Streifendienstes.

»Für den Wagen ist unterschrieben. Und ich habe das Mobiltelefon.« Jorge war der jüngste Detective des Morddezernats und in vielerlei Hinsicht ein Schützling Ainslies, der seinen Diensteifer jetzt zu schätzen wußte.

»Dann los.«

Sie trabten auf den Parkplatz hinaus und spürten sofort die drückende Schwüle, unter der Miami seit Tagen litt. Wenige Minuten später schoß der Streifenwagen mit Jorge am Steuer auf die Northwest Third Avenue hinaus. Zwei Häuserblocks weiter bogen sie auf die Interstate 95 ab, auf der sie zehn Meilen nach Norden fahren würden, bis sie den Florida's Turnpike erreichten, auf dem noch gute vierhundertfünfzig Kilometer vor ihnen lagen.

Es war 23.10 Uhr.

Der Streifenwagen, den Ainslie verlangt hatte, war ein blauweißer Chevrolet Impala der Miami Police mit voller Ausstattung - eindeutig ein Dienstfahrzeug.

»Mit Blinklicht und Sirene?« fragte Jorge.

»Noch nicht. Erst mal sehen, wie's läuft.«

Da nur wenig Verkehr war, fuhren sie bereits hundertzwanzig Stundenkilometer, weil sie wußten, daß ein Streifenwagen selbst außerhalb ihres Einsatzbereichs nicht wegen Geschwindigkeitsüberschreitung angehalten werden würde.

Malcolm lehnte sich zurück. Dann griff er nach dem Mobiltelefon und tippte seine Privatnummer ein.

2

»Ich kann's nicht glauben, Malcolm! Ich kann's einfach nicht glauben!«

Kurz zuvor war Karens erste Frage gewesen: »Darling, wann kommst du heim?«

Als er antwortete, er werde gar nicht nach Hause kommen, ging ihr Temperament mit ihr durch.

Er bemühte sich vergebens, ihr alles zu erklären und sich zu rechtfertigen.

Jetzt sprach sie erregt weiter: »Du willst's also vermeiden, diesen Schweinehund zu kränken, der's zehnmal verdient hat, morgen früh auf den elektrischen Stuhl zu kommen! Aber es macht dir nichts aus, deinen Sohn an seinem Geburtstag zu enttäuschen. Deinen Sohn, Malcolm, der sich so auf morgen gefreut, der die Tage gezählt und mit dir gerechnet hat... «

Ainslies Stimme wurde schärfer. »Karen, ich muß dort hin«, unterbrach er sie. »Mir bleibt keine andere Wahl. Keine!«

Als sie daraufhin schwieg, fuhr er fort: »Hör zu, ich versuche, von Jacksonville oder Gainesville aus nach Toronto zu fliegen. Du kannst meinen Koffer mitnehmen.«

»Du solltest mit uns reisen - wir drei zusammen! Du, Jason und ich - deine Familie! Oder hast du die ganz vergessen?«

»Karen, das reicht!«

»Ebenso unwichtig ist natürlich der fünfundsiebzigste Geburtstag meines Vaters. Aber wir alle zählen nicht im Vergleich zu einem Massenmörder. Diese Bestie ist dir offenbar viel wichtiger als deine Familie.«

»Natürlich nicht«, protestierte er.

»Dann beweis es uns! Wo bist du jetzt?«

Ainslie sah nach vorn; sie waren auf der 195. »Karen, ich kann unmöglich umkehren. Tut mir leid, daß du das nicht verstehst, aber die Entscheidung ist unwiderruflich.«

Seine Frau schwieg einen Augenblick. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme gepreßt, und er wußte, daß sie den Tränen nahe war. »Ist dir klar, was du uns antust, Malcolm?«

Als er nicht antwortete, hörte er das Klicken, mit dem sie auflegte.

Ainslie schaltete bedrückt das Mobiltelefon aus. Er hatte ein schlechtes Gewissen, wenn er daran dachte, wie oft er Karen enttäuscht hatte, weil ihm der Dienst wichtiger als sein Familienleben gewesen war. Ihm fiel ein, was Karen erst vorige Woche gesagt hatte: Malcolm, so kann unser Leben nicht weitergehen. Er konnte nur hoffen, daß das nicht ihr Ernst gewesen war.

Jorge war vernünftig genug, um das nun folgende Schweigen nicht zu unterbrechen. Schließlich sagte Ainslie trübselig: »Meiner Frau macht's richtig Spaß, mit einem Cop verheiratet zu sein.«

»Ziemlich sauer, was?« fragte Jorge verständnisvoll.

»Kann mir gar nicht denken, weshalb«, sagte Ainslie mißmutig. »Dabei hab' ich bloß wegen eines Schwätzchens mit einem Killer, der morgen hingerichtet wird, unseren Urlaub platzen lassen. Hätte nicht jeder gute Ehemann das gleiche getan?«

Jorge zuckte mit den Schultern. »Sie gehören zur Mordkommission. Manche Sachen muß man einfach tun. Kann man Außenstehenden nicht immer erklären.« Er fügte hinzu: »Ich heirate bestimmt nie.«

Ainslie dachte an die schönen, eleganten Frauen, die Jorge überallhin begleiteten und ihn zu bewundern schienen, bis sie aus unerfindlichen Gründen in periodischen Abständen durch neue ersetzt wurden.