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»Die ist für jeden Angreifer außer dir, Darling«, murmelte sie. Dann steckte sie ihm ihre Zungenspitze ins Ohr. »Im Augenblick ist deine Waffe die einzige, die mich interessiert.«

Eine zusätzliche Pistole - bei der Polizei als »Wegwerfwaffe« bezeichnet - durften Polizeibeamte tragen, wenn sie registriert war und ihr Besitzer sich auf dem Schießstand mit ihr qualifiziert hatte. In Cynthias Fall waren beide Voraussetzungen erfüllt.

Tatsächlich sollte ihre kleine Smith & Wesson sich schon bald auf eine Art nützlich erweisen, an die Malcolm Ainslie sich dankbar erinnerte.

Detective Cynthia Ernst leitete unter Aufsicht von Sergeant Ainslie die Ermittlungen in einem Mordfall, in dem ein Bankangestellter in Miami verdächtigt wurde, er habe die Tat beobachtet, sich aber nicht als Zeuge zur Verfügung gestellt. Cynthia und Ainslie fuhren zu der Großbankfiliale in der Innenstadt, um den potentiellen Zeugen zu befragen. Beim Hineingehen sahen sie, daß dort gerade ein Bankraub mit Geiselnahme stattfand.

Es war kurz vor Mittag; die Schalterhalle war voller Menschen.

Vor kaum drei Minuten hatte der Bankräuber, ein mit einer MP Uzi bewaffneter großer, muskulöser Weißer, einer Kassiererin befohlen, ihren gesamten Bargeldbestand in die Baumwolltasche zu packen, die er ihr über den Schalter zuschob. Nur wenige Leute hatten davon etwas mitbekommen, bis ein Wachmann den Bankräuber bemerkte, seinen Revolver zog und auf ihn zulief. »Sie an der Kasse!« rief er laut. »Weg mit der Waffe!«

Statt zu gehorchen, warf der Bankräuber sich herum und gab einen Feuerstoß aus seiner Uzi ab. Der Wachmann brach zusammen. In der entstehenden Panik brüllte der Bewaffnete: »Dies ist ein Überfall! Niemand bewegt sich, dann passiert keinem was!« Dann griff er über den Schalter, bekam die Kassiererin zu fassen, zerrte sie zu sich heran und klemmte sich ihren Kopf unter den Arm.

In der atemlosen Stille, die nach diesem Ausbruch eintrat, betraten Cynthia und Ainslie die Bank.

Ainslie griff sofort nach dem Schulterhalfter unter seiner Jacke und zog seine 9mm-Glock. Er hielt sie mit beiden Händen umklammert, zielte auf den Bankräuber und rief laut: »Halt, Polizei! Lassen Sie die Frau los! Weg mit der Waffe und Hände hoch, oder ich schieße!«

Gleichzeitig setzte Cynthia sich unauffällig von Ainslie ab, ohne den Mann durch hastige Bewegungen auf sich aufmerksam zu machen. Ihre Hände umklammerten eine kleine, unauffällige Handtasche.

Der Bankräuber hielt die Kassiererin noch fester gepackt und zielte mit der MP auf ihren Kopf. »Weg mit deiner Waffe, Drecksack, sonst erledige ich sie zuerst«, knurrte er Ainslie an. »Los, mach schon! Weg damit! Ich zähl' bis zehn. Eins, zwei... «

Die Kassiererin flehte mit schriller, erstickter Stimme: »Bitte tun Sie, was er sagt! Ich will nicht...« Ihre Stimme erstarb, als der Mann ihr die Kehle zudrückte.

Der Bankräuber zählte weiter: »Drei... vier...«

»Seien Sie vernünftig!« rief Ainslie. »Legen Sie die verdammte Waffe weg! Geben Sie auf!«

»Niemals! Fünf... sechs... Weg mit deiner Waffe, Scheißkerl, sonst knall' ich diese Schlampe bei zehn ab!«

Cynthia, die abseits stand und logisch kühl überlegte, schätzte ihr Schußfeld ab. Sie wußte, daß Ainslie erraten haben mußte, was sie plante, und jetzt mit geringen Erfolgschancen versuchte, Zeit zu gewinnen. Der Geiselnehmer wußte, daß seine Lage aussichtslos war; er würde nicht flüchten können, deshalb war es ihm egal, ob...

Der Mann zählte weiter: »Sieben...«

Ainslie behielt seine Schußposition stur bei. Cynthia wußte, daß er sich jetzt ganz auf sie verließ. In der Schalterhalle herrschte atemlose, gespannte Stille. Natürlich war inzwischen längst stummer Alarm ausgelöst worden. Aber es würde einige Minuten dauern, bis weitere Polizisten eintrafen - und was hätten sie dann tun sollen?

Unmittelbar hinter dem Geiselnehmer war niemand zu sehen.

Er stand Cynthia jetzt fast Auge in Auge gegenüber, ohne jedoch auf sie zu achten, weil er sich völlig auf Ainslie konzentrierte. Seine MP war weiter auf den Kopf der Kassiererin gerichtet; das war eine verdammt gefährliche Situation, aber Cynthia blieb keine andere Wahl. Sie wußte, daß sie nur einen Schuß hatte, der sofort tödlich sein mußte...

»Acht... «

Mit einer schnellen Bewegung öffnete Cynthia den Aufreißsaum ihrer speziell angefertigten Handtasche - ein wirkungsvoller Ersatz für ein Knöchelhalfter. Sie ließ die Ledertasche achtlos fallen, hielt jetzt ihre kleine Pistole in der Hand und riß die chromblitzende Smith & Wesson hoch.

»Neun... «

Sie zielte rasch, hielt den Atem an und drückte ab.

Der scharfe Schußknall ließ alle zusammenzucken. Cynthia ignorierte die Leute, die sie anstarrten; sie hatte nur Augen für den Mann, der jetzt zusammenbrach, während aus einer roten Schußwunde fast genau in der Stirnmitte langsam Blut zu quellen begann.

Ainslie, dessen Waffe auf den Bankräuber gerichtet blieb, ging auf ihn zu, betrachtete die leblose Gestalt und steckte dann seine Pistole weg. Als Cynthia herankam, sagte er grinsend: »Du hast dir verdammt viel Zeit gelassen. Aber trotzdem vielen Dank.«

In der Schalterhalle wurde aufgeregtes Stimmengewirr laut; als die Menschen erkannten, daß die Gefahr vorüber war, brandete Beifall auf, der rasch in spontane Hochrufe auf Cynthia überging. Sie lehnte sich lächelnd an Malcolm, seufzte erleichtert und flüsterte ihm zu: »Ich glaube, dafür schuldest du mir mindestens eine Woche im Bett.«

Ainslie nickte. »Aber wir müssen vorsichtig sein. Du wirst jetzt berühmt.« Und das war sie in den Tagen danach als eine von den Medien groß herausgestellte Heldin tatsächlich.

Erstaunlicherweise liebte Malcolm Ainslie seine Frau Karen in dieser ganzen Zeit mit Cynthia nicht weniger. Es war, als habe er zwei Privatleben: sein Eheleben, das Sicherheit und Beständigkeit darstellte, und ein wildes Abenteuerleben, das unweigerlich irgendwann enden würde. Ainslie dachte nie ernstlich daran, Karen und seinen dreijährigen Sohn Jason zu verlassen.

In dieser Zeit gab es Augenblicke, in denen Ainslie sich fragte, ob Karen etwas von seinem Verhältnis mit Cynthia ahnte oder sogar davon wußte. Irgendein Wort, eine Geste von ihr konnte bewirken, daß er glaubte, sie müsse zumindest einen Verdacht hegen.

Im Verlauf von »Cynthias Jahr« zeigten sich einige Facetten ihres Charakters, die Ainslie unangenehm berührten, ihm manchmal sogar beruflich Unbehagen bereiteten. Sie neigte zu plötzlichem Stimmungswechsel - von heiterer, liebevoller Wärme zu abrupter, eisiger Kälte. In solchen Augenblicken fragte Ainslie sich, was um Himmels willen passiert sein mochte; nach mehreren Erlebnissen dieser Art erkannte er jedoch, daß das nur Cynthias Art war - ein Aspekt ihres Charakters, der immer häufiger und deutlicher hervortrat.

Trotzdem konnte er sich mit solchen Stimmungsschwankungen eher abfinden als mit den beruflichen Bedenken, die ihr Verhalten in ihm weckte.

In seiner Laufbahn als Polizeibeamter hatte Ainslie stets an seinen ethischen Grundsätzen festgehalten - auch im Umgang mit völlig amoralischen Gewohnheitsverbrechern. Manchmal waren gewisse Zugeständnisse denkbar, um Informationen zu erhalten, aber damit war für ihn das Limit schon erreicht. Auf der anderen Seite gab es Kollegen, die mit Straftätern illegale Absprachen trafen, bei ihren Zeugenaussagen logen oder Verdächtigen belastendes Material unterschoben, um eine anders nicht mögliche Verurteilung zu erwirken. Ainslie lehnte solche Winkelzüge für sich selbst und seine Untergebenen strikt ab.

Cynthia schien keine derartigen Skrupel zu haben.