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Ainslie schenkte dem zweiten Gerücht keinen Glauben. Erstens konnte er sich nicht vorstellen, daß Cynthia angesichts der Tatsache, daß Patrick Jensen als Mörder verdächtigt wurde, so töricht sein würde, und zweitens fand er es unvorstellbar, daß Cynthia gleichzeitig zwei Affären haben könnte, zumal ihre intensive Beziehung sie völlig in Anspruch nahm.

Trotzdem sprach er sie auf Patrick Jensen an, als er glaubte, seinen Namen wie beiläufig erwähnen zu können. Aber Cynthia ließ sich wie üblich nicht täuschen.

»Bist du eifersüchtig?« fragte sie.

»Auf Patrick Jensen? Darauf kannst du lange warten!« Er zögerte, bevor er hinzufügte: »Müßte ich's denn sein?«

»Patrick bedeutet mir nichts«, versicherte sie ihm. »Dich will ich, Malcolm - und ich will dich für mich allein haben. Ganz für mich allein! Ich hab' keine Lust mehr, dich mit jemandem teilen zu müssen.« Die beiden saßen in einem neutralen Dienstwagen, den Cynthia fuhr. Ihre letzten Worte klangen wie ein Befehl.

Ainslie war so verblüfft, daß er impulsiv fragte: »Willst du damit sagen, wir sollten heiraten?«

»Malcolm, darüber reden wir, wenn du frei bist. Dann überleg' ich's mir.«

Typisch Cynthia, dachte er, denn im vergangenen Jahr hatte er sie gründlich kennengelernt. Wäre er frei gewesen, hätte sie ihn wahrscheinlich benutzt, bis zum letzten ausgepreßt und dann weggeworfen. Für Cynthia gab es keine auf Dauer angelegte Beziehung; das hatte sie von Anfang an unmißverständlich klargemacht.

Nun war es soweit. Ainslie wußte, daß in diesem entscheidenden Augenblick eine Auseinandersetzung unvermeidlich war. Er wußte, daß seine Antwort Cynthia nicht gefallen würde, und ahnte, daß sich ihr Zorn wie ein Vulkan entladen würde. Trotzdem hatte er nicht vor, sich von Karen zu trennen, um vielleicht Cynthia heiraten zu können.

Sie waren auf einer ruhigen Wohnstraße unterwegs. Als ahne Cynthia, was kommen würde, hielt sie am Bordstein an.

Sie sah zu ihm hinüber. »Also?«

Er griff nach ihrer Hand und sagte zärtlich: »Mein Liebling, was wir erlebt haben, ist zauberhaft, einfach herrlich gewesen, und ich werde dir dafür immer dankbar sein. Aber ich muß dir etwas sagen... Ich kann nicht so weitermachen, wir müssen uns trennen.«

Er hatte einen wütenden Ausbruch erwartet. Aber der blieb aus. Statt dessen lachte sie. »Das soll wohl ein Witz sein?«

»Nein«, antwortete er nachdrücklich.

Sie saß eine Zeitlang stumm neben ihm und starrte aus ihrem Seitenfenster. Dann sagte sie mit eisiger Ruhe, ohne zu ihm hinüberzusehen: »Das wirst du bereuen, Malcolm, das verspreche ich dir - du wirst's für den Rest deines jämmerlichen Lebens bereuen.«

Er seufzte. »Vielleicht hast du recht. Das muß ich leider riskieren.«

Plötzlich starrte sie ihn mit vor Wut funkelnden Augen, in denen Tränen standen, an. Ihre geballten Fäuste zitterten. »Du Schwein!« kreischte sie.

Danach sahen sie sich nur noch selten. Das lag auch daran, daß Cynthia wenige Tage später zum Sergeant befördert wurde. Sie hatte vor einigen Wochen die Prüfung für den höheren Dienst abgelegt und von sechshundert Kandidaten das drittbeste Ergebnis erzielt.

Nach ihrer Beförderung wurde sie aus der Mordkommission als Teamleiterin zum Sittendezernat versetzt. Dort leitete sie ein Team aus fünf Kriminalbeamten, das Vergewaltigungen, Vergewaltigungsversuche, sexuelle Belästigungen und Belästigungen durch Spanner aufzuklären hatte; das war ein weites Feld, auf dem Cynthia überragend erfolgreich war. Wie in der Mordkommission entwickelte sie ein besonderes Talent dafür, Ermittlungen mit Hilfe eines Netzwerks aus Kontaktleuten und Spitzeln voranzutreiben. Als geborene Führungspersönlichkeit schonte sie weder ihre Leute noch sich selbst und konnte mit der Verhaftung eines wegen fünfzehn Vergewaltigungen gesuchten Triebtäters, der Miami zwei Jahre lang terrorisiert hatte, frühzeitig einen großen Erfolg verbuchen.

Auch aus diesem Grund und wegen einer glanzvoll bestandenen weiteren Laufbahnprüfung wurde Cynthia zwei Jahre später zum Lieutenant befördert und wechselte als Stellvertreterin des Leiters in die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit über. In dieser Funktion verfaßte sie Pressemitteilungen, nahm an Bürgerversammlungen teil, hielt Vorträge vor kommunalen Vereinigungen und verbreitete insgesamt ein überzeugend positives Image des Miami Police Departments.

Das alles machte Polizeipräsident Farrell Ketledge auf sie aufmerksam, und als Cynthias Vorgesetzter unerwartet starb, ernannte der Chief sie zu seinem Nachfolger. Und da gute Öffentlichkeitsarbeit zunehmend wichtiger wurde, beschloß Chief Ketledge, sie solle in Zukunft von einem Polizeimajor geleitet werden. So erreichte Cynthia diesen hohen Dienstposten, ohne jemals Captain gewesen zu sein.

Unterdessen war Ainslie noch immer Sergeant, was teilweise auch auf das Karrierehindernis zurückzuführen war, daß er zu einer Zeit, in der Frauen und Angehörige von Minderheiten bevorzugt befördert wurden, ein Mann und ein Weißer war. Aber er hatte die Laufbahnprüfung zum Lieutenant mit Auszeichnung bestanden und rechnete damit, demnächst befördert zu werden. Aus praktischer Sicht würde sein Jahresgehalt von zweiundfünfzigtausend Dollar, das er als Sergeant bezog, dadurch um willkommene zehntausendvierhundert Dollar steigen.

Ließ der finanzielle Druck etwas nach, konnten Karen und er mehr reisen, öfter Jazz- und Kammerkonzerte besuchen, häufiger zum Essen ausgehen und ganz allgemein ihre Lebensqualität verbessern. Seit Ainslie sein Verhältnis mit Cynthia beendet hatte, war er entschlossener denn je, ein treusorgender Ehemann zu sein.

Dann bekam er einen Anruf von Captain Ralph Leon aus der Personalabteilung. Ainslie und Leon kannten sich von der Polizeiakademie her, wo sie gemeinsam gelernt hatten und gute Freunde geworden waren. Leon war ein Schwarzer und gut qualifiziert - daher hatte die Minderheitenförderung seinen Aufstieg nicht beeinträchtigen können.

Am Telefon hatte Leon nur gesagt: »Malcolm, wir müssen uns auf einen Kaffee treffen.« Er nannte einen Tag, eine Uhrzeit und als Treffpunkt ein Cafe in Little Havana - weit vom Polizeipräsidium entfernt.

Vor dem Cafe lächelten sie sich zu und begrüßten sich mit kräftigem Händedruck. Leon, der statt seiner gewohnten Uniform ein Sportsakko und eine Gabardinehose trug, öffnete die Tür und ging zu einer ruhigen Sitznische voraus. Er war ein schlanker Mann, gewissenhaft und methodisch, und wählte seine Worte sorgfältig, bevor er zu sprechen begann. »Malcolm, dieses Gespräch hat nie stattgefunden.«

Sein Blick stellte eine Frage, die Ainslie mit einem Nicken beantwortete. »Okay, ich verstehe.«

»In der Personalabteilung hört man vieles, was...« Leon machte eine Pause. »Hol's der Teufel, Malcolm, ich will dir reinen Wein einschenken. Bleibst du Cop in Miami, wirst du dein Leben lang nicht mehr befördert. Du wirst niemals Lieutenant oder erreichst irgendeinen Dienstgrad, der höher als dein jetziger ist. Das ist unfair, und ich find's empörend, aber aus alter Freundschaft wollte ich's dich wissen lassen.«

Ainslie, der wie vor den Kopf geschlagen war, saß schweigend da.

Leons Stimme klang emotionaler. »Schuld daran ist Major Ernst. Sie macht dich überall schlecht, blockiert deine Beförderung. Ich weiß nicht, warum, Malcolm; vielleicht weißt du mehr. Aber wenn du's weißt, behalt's bitte für dich.«

»Mit welcher Begründung blockiert sie meine Beförderung? Meine Personalakte ist einwandfrei, meine Beurteilungen sind immer sehr gut gewesen.«

»Ihre Gründe sind trivial, das weiß jeder. Aber als Major - vor allem in ihrer Stellung - hat sie viel Einfluß, und wer in unserem Laden einen mächtigen Feind hat, zieht immer den kürzeren. Du weißt ja, wie das ist.«

Das wußte Ainslie, aber aus Neugier fragte er doch: »Was wirft man mir vor?«