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Als besonders hilfsbereit erwies sich Alvin Travino, der Chef der Spedition Overland Trucking. Mr. Alvino, ein kleiner, weißhaariger Mann Ende Sechzig, entschuldigte sich mehrmals für seine »schlampige Buchführung«, die in Wirklichkeit tadellos war. Er hatte keine Mühe, alle Fahrten Elroy Doils in den vergangenen zwei Jahren mit Datum, Zeit, Strecke und Spesenabrechnung zu belegen. Damit Ruby Bowe sich nicht mühsam Notizen machen mußte, ließ er ihr die Unterlagen von seiner Sekretärin kopieren.

Travino sprach bereitwillig über Elroy Doil. »Soviel ich weiß, hat er früher Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt, aber das hat mich nicht gestört, solange er hier keine Dummheiten machte - und das hat er nie getan. Okay, es hat ein paar Vorfälle gegeben, aber die haben sich nie auf seine Arbeit ausgewirkt. Entscheidend war immer, daß er ein verdammt guter Fahrer ist. Er rangiert mit seinem Sattelschlepper zügig wie kein anderer, was wirklich nicht einfach ist. Und er ist ein sicherer Fahrer. Hat nie einen Unfall gebaut, hat nie ein Fahrzeug beschädigt zurückgebracht.«

»Diese >Vorfälle<, die Sie erwähnt haben«, sagte die Kriminalbeamtin. »Worum ist es dabei gegangen?«

Alvin Travino schmunzelte. »Lauter verrückte Sachen; mir tut's fast leid, daß ich sie erwähnt habe. Nun, manchmal haben wir in den Fahrerkabinen seiner Wagen nach der Rückgabe seltsame Dinge entdeckt - zum Beispiel sechs oder sieben tote Vögel, einmal einen Hund, ein andermal zwei tote Katzen.«

Ruby machte große Augen. »Wow, das ist seltsam! Haben Sie Doil darauf angesprochen?«

»Nun...« Der kleine Spediteur zögerte. »Einmal haben wir deswegen richtig Streit bekommen.«

»Wirklich? Was ist passiert?«

»Anfangs habe ich vermutet, die toten Tiere hätten irgendeine religiöse Bedeutung. Sie wissen schon - wie Ziegen bei Haitianern. Aber dann hab' ich mir überlegt, daß ich solchen Scheiß nicht in meinen Fahrzeugen haben will, und Elroy entsprechend belehrt.«

»Und?«

Travino seufzte. »Mir wär's lieber, ich bräuchte Ihnen das nicht zu erzählen, denn ich kann mir denken, worauf Sie hinauswollen. Tatsächlich hat der Hundesohn einen Wutanfall gekriegt. Ist rot angelaufen, hat sein riesiges Messer gezogen und hat mich wüst beschimpft. Ich hab' richtig Angst vor ihm gehabt, das gebe ich ehrlich zu.«

»Wissen Sie noch, wie das Messer ausgesehen hat?« fragte Ruby weiter.

Der Spediteur nickte. »Lang, scharf, mit leicht gekrümmter Klinge.«

»Hat er Sie angegriffen?«

»Nein. Ich habe mich nicht einschüchtern lassen, sondern ihm ins Gesicht gesehen und ihm gesagt, daß er entlassen ist. >Verschwinde und laß dich hier nie wieder blicken<, hab' ich gesagt. Er hat sein Messer weggesteckt und ist gegangen.«

»Aber er ist zurückgekommen!«

»Richtig. Nach zwei, drei Wochen hat er angerufen und gesagt, er möchte wieder als Aushilfsfahrer arbeiten. Ich habe ihn weiterbeschäftigt. Danach hat's nie mehr Schwierigkeiten gegeben. Er ist wie gesagt ein guter Fahrer.«

Die Sekretärin kam mit einem Stoß Fotokopien aus Fahrtenbüchern zurück. Travino blätterte sie durch, bevor er sie Detective Bowe gab.

»Sie haben mir wirklich weitergeholfen«, sagte sie. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Doil nicht erzählen würden, daß ich bei Ihnen gewesen bin.«

Travino schmunzelte erneut. »Nein, nein, ich halte dicht. Sonst zieht er vielleicht wieder sein Messer.«

Bei der Spedition Superfine Transport sprach Ruby Bowe nicht nur mit dem Geschäftsführer, sondern auch mit zwei Angestellten, die Elroy Doil kannten. Wie bei den übrigen Firmen erhielt sie bereitwillig alle gewünschten Auskünfte, weil niemand Scherereien mit der Polizei wollte.

Der Disponent Lloyd Swayze, ein aufgeweckter, redegewandter Schwarzer, brachte die allgemeine Meinung über Doil auf den Punkt: »Der Kerl ist ein Einzelgänger. Er will gar keine Freunde haben. Aber läßt man ihn in Ruhe seine Arbeit tun und darauf versteht er sich -, ist alles in Ordnung. Allerdings ist er verdammt cholerisch; das hab' ich einmal erlebt, als ein anderer Fahrer ihn aufziehen wollte. Glauben Sie mir, Doil hätte ihn am liebsten umgebracht.«

»Hat's eine Schlägerei gegeben?«

»Es hätte eine gegeben, aber wir dulden so was nicht. Ich habe den anderen Mann weggeschickt und Doil erklärt, daß er sich seine Papiere holen kann, wenn er sich nicht gleich abregt. Ich hab' schon gedacht, er würde mich angreifen, aber dann hat er sich die Sache doch anders überlegt. Jedenfalls kann der Kerl echt gefährlich sein, falls Sie darauf hinauswollen.«

»Danke«, sagte Bowe. »Sie haben mir eine Frage erspart.«

Mick Lebo, ein stämmiger, rauhbeiniger Fahrer, bestätigte, was Swayze über Doil gesagt hatte, und fügte hinzu: »Der Kerl ist 'ne Ratte. Ich würd' ihm keine gottverdammte Sekunde lang trauen.«

»Gibt's hier einen anderen Fahrer, mit dem Doil geredet, dem er sich vielleicht anvertraut hat?« fragte Bowe. Das war eine Standardfrage, weil viele Mörder gefaßt wurden, nachdem sie mit vermeintlichen Freunden, die sie später anzeigten oder als Zeugen gegen sie aussagten, über ihre Verbrechen gesprochen hatten.

»Der Dreckskerl redet nie!« sagte Lebo verächtlich. »Mit keinem von uns. Steht man beim Pissen neben ihm, würd' er einem nicht mal zunicken - aber einem auf den Fuß pissen, das tät' er vielleicht.« Lebo lachte schallend über seinen eigenen Witz und stieß Ruby mit dem Ellbogen an.

Auch die Spedition Overland Trucking verließ Detective Ruby Bowe mit Fotokopien der Fahrtenbücher Elroy Doils aus den vergangenen zwei Jahren und der Zusage ihrer Informanten, ihr Gespräch vertraulich zu behandeln.

Im Gegensatz zu den anderen Firmen auf der Liste war Suarez Motors & Equipment keine Spedition, sondern reparierte Personenwagen und Kleinlaster und verkaufte Ersatzteile. Elroy Doil hatte dort gelegentlich als Mechaniker gearbeitet. Aber vor ungefähr einem Monat hatte er plötzlich gekündigt und war nicht einmal zurückgekommen, um sich bei Pedro Suarez, dem jungen Firmeninhaber, den letzten Lohnscheck abzuholen. Bowe bat um eine Fotokopie, als er ihr den Scheck zeigte.

»Ist er ein guter Mechaniker?« fragte sie Suarez.

»Er arbeitet gut und schnell - aber er ist ein unverbesserlicher Unruhestifter. Fängt mit jedem Streit an. Ich wollte ihn rausschmeißen, aber er hat selbst gekündigt.«

»Halten Sie Elroy Doil für clever?«

»Yeah. Er ist clever, weil er schnell lernt. Man braucht ihm bloß was zu erklären oder zu zeigen, dann hat er's schon begriffen. Aber er kann sich nicht beherrschen.«

Suarez erläuterte Bowe, seine Firma sei nicht nur ein Reparaturbetrieb, sondern auch im Großhandel mit Ersatzteilen tätig. Als sie danach fragte, erfuhr sie, bei Suarez Motors gebe es für Lieferungen an Wiederverkäufer zwei Kastenwagen.

»Hat Doil jemals Teile ausgefahren?« fragte sie weiter.

»Klar, wenn einer unserer Fahrer verhindert war.«

»Haben Sie Aufzeichnungen darüber?«

Suarez verzog das Gesicht. »Ich hab' schon befürchtet, daß Sie danach fragen würden. Bestimmt haben wir welche, aber die müßten erst ausgegraben werden.«

Er führte Bowe in den kleinen, staubigen Abstellraum hinter seinem Büro mit überquellenden Regalen, einem halben Dutzend Aktenschränken und einem Kopiergerät. Suarez zeigte auf einen der Aktenschränke. »Sie interessieren sich für die beiden letzten Jahre? Dort finden Sie alles. Aber Sie müssen die Unterlagen selbst durchsehen, fürchte ich.«

»Das macht nichts. Darf ich den Fotokopierer benutzen?«

»Bedienen Sie sich.« Suarez grinste. »Soll ich Doil reinbringen, falls er vorbeikommt, um seinen Scheck abzuholen?«