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»Seien Sie unbesorgt, Sergeant«, sagte Zagaki eifrig, »ich lasse ihn keine Sekunde aus den Augen.«

Ainslie stieg aus dem Lieferwagen und stellte dabei fest, daß es zu regnen aufgehört hatte. Er ging im Dunkel die Straße entlang zurück.

Dan Zagaki beobachtete ihn im Rückspiegel und dachte dabei: Gott, was für ein verfluchter Langweiler du bist, Sergeant, komm bloß nicht so schnell zurück!

Zagaki hatte sich von Anfang an gewünscht, mit einem flotteren, interessanteren Kollegen Dienst tun zu können. Ainslie war seiner Ansicht nach ein übervorsichtiger, nicht sonderlich intelligenter Pedant. Hätte er wirklich Grips, wäre er längst Lieutenant, vielleicht schon Captain gewesen - beides Dienstgrade, die Zagaki anvisierte. Er wußte, daß er clever genug war, um die Spitzenposition erreichen zu können. Das bewies schon die Tatsache, wie schnell er's vom Streifenpolizisten zum Kriminalbeamten gebracht hatte. Wie beim Militär kam es bei der Polizei darauf an, ständig Beförderung, Beförderung, Beförderung, Beförderung zu denken. Karriere machte man nicht von selbst, sondern man mußte ihr nachhelfen - am besten dadurch, daß man bei Vorgesetzten häufig angenehm auffiel.

Diese Taktik hatte Dan Zagaki seinem Vater abgeschaut, der in der U.S. Army ein ums andere Mal befördert worden war, und sie hatte auch bei seinem älteren Bruder Cedric funktioniert, der damit im Marine Corps Karriere gemacht hatte. Wie ihr Vater würde auch Cedric eines Tages General werden - das stand für ihn fest. Cedric hatte sich verächtlich darüber geäußert, daß Dan zur Miami Police, die er als eine »Scheißtruppe« bezeichnete, gegangen war. Der General hatte sich zurückhaltender ausgedrückt, aber Dan spürte, daß er über seine Entscheidung enttäuscht war. Nun, er würde es beiden zeigen!

Er grinste, als er daran dachte, wie geschickt er Ainslie in den vergangenen drei Wochen um den Bart gegangen war und ihn bei jeder passenden Gelegenheit mit »Sergeant« angesprochen hatte, ohne daß der Schwachkopf etwas gemerkt hatte. Es war ihm sogar gelungen, in der Sonderkommission zu bleiben, indem er den Reumütigen gespielt hatte. Und Ainslie hatte ihm das abgenommen. Trottel.

»Verdammt«, murmelte Zagaki, der noch immer am Steuer des Lieferwagens saß. »Ich muß schon wieder. Das wievielte Mal ist das heute?«

Wie viele hundert andere Einwohner Miamis, auch die krankgeschriebenen Detectives Wightman und Garcia, so litt auch Dan Zagaki unter der Darmgrippe. Gewiß, er hatte kein hohes Fieber, aber die sonstigen Symptome wie Magenschmerzen und Durchfall machten sich unangenehm bemerkbar. Im Gegensatz zu anderen hatte er seine Erkrankung jedoch verschwiegen, weil er entschlossen war, unbedingt durchzuhalten. Zagaki wollte sich nicht um die Riesenchance bringen, an der Lösung dieses Falls beteiligt zu sein. Bisher hatte sich sein Problem bei mehreren Stopps lösen lassen, aber jetzt mußte er irgendwo einen Ort finden - zum Beispiel die Buschgruppe im Garten rechts neben ihm -, wo er der Natur ihren Lauf lassen konnte.

Ein Blick nach vorn durch die Windschutzscheibe des Lieferwagens zeigte ihm weiterhin Doils Silhouette. Nachdem der Hundesohn so lange stillgesessen hatte, würde er nicht ausgerechnet in den wenigen Sekunden abhauen, die Zagaki jetzt brauchte, jetzt gleich!

Sollte er Ainslie über Funk verständigen? Unsinn! Dan Zagaki traf seine Entscheidungen selbständig.

Er stieg rasch aus, drückte die Fahrertür hinter sich ins Schloß und verschwand in den Büschen. Sekunden später: Welche Erleichterung! Aber beeil dich! Du hast nicht ewig Zeit.

»Ich will's schnell machen, Malcolm«, sagte Leo Newbold. Ainslie hatte eben das zweite Überwachungsfahrzeug erreicht und war hinten eingestiegen. »Vorhin haben mich die Kollegen von der Mordkommission in Philadelphia angerufen. Wir haben einen gewissen Dudley Rickins in ganz Amerika zur Verhaftung ausgeschrieben. Richtig?«

»Ja, Sir, das habe ich genehmigt. Bernie Quinn bearbeitet den Fall, und Rickins ist dringend tatverdächtig. Mit seiner Vernehmung könnten wir die Ermittlungen vermutlich abschließen.«

»Nun, sie haben Rickins in Philadelphia verhaftet und können ihn zweiundsiebzig Stunden lang festhalten, aber irgendein Trottel hat uns nicht rechtzeitig benachrichtigt. Jetzt müssen sie ihn in zwölf Stunden laufenlassen. Ich weiß, daß Sie alle Ihre Leute brauchen... «

»Trotzdem sollte Bernie sofort hinfliegen.«

Newbold seufzte. »Das denke ich auch.«

Wie sie beide wußten, konnten sie einen weiteren Mann nur schlecht entbehren, aber sie würden irgendwie auch ohne ihn auskommen müssen.

»Okay, Malcolm, ich lasse Bernie benachrichtigen, damit er gleich hinfliegt. Danke. Jetzt sehen Sie lieber zu, daß Sie auf Ihren Posten zurückkommen. Doil hat sich noch nicht vom Fleck gerührt?«

»Bisher nicht. Hätte er's getan, hätte Zagaki sich gemeldet.« Ainslie stieg aus und ging wieder nach vorn zu seinem Lieferwagen.

Verdammt, dachte Zagaki, als er seinen Reißverschluß hochzog, das hat gottverdammt zu lange gedauert! Er hastete zum Fahrzeug zurück.

In diesem Augenblick erschien auch Malcolm Ainslie.

»Wo zum Teufel sind Sie gewesen?« fragte Ainslie ungläubig.

»Na ja, Sergeant, ich hab' dringend...«

Ainslies Gesicht war weiß vor Zorn, als er ihn anknurrte: »Erzählen Sie mir keinen Scheiß! Denken Sie, ich lasse mich von Ihnen täuschen? Habe ich Ihnen nicht befohlen, Doil keine Sekunde aus den Augen zu lassen und sich über Funk zu melden, wenn irgendwas passiert?«

»Ja, Sergeant, aber... «

»Nichts aber! Ab morgen früh ist für Sie Schluß mit dieser Sonderkommission.«

»Sergeant, lassen Sie's mich doch erklären«, sagte Zagaki bittend. »Ich hab' dringend austreten müssen und ich...«

Ainslie hörte nicht zu, sondern sah an den geparkten Wagen vorbei nach vorn, wo der Pickup stand. Dann rief er entsetzt: »O Gott, er ist weg!«

Aus der Fahrerkabine des Pickups war Elroy Doils Silhouette verschwunden.

Zunächst herrschte völliges Durcheinander. Ainslie rannte nach vorn zu dem Pickup und sah sich in der Dunkelheit nach Doil um. Nirgends eine Spur von ihm - und auch keine anderen

Fußgänger in Sicht. Von Doils Fahrzeug aus lief er das kurze Stück zur Tigertail Avenue weiter. Aber die Wohnstraßen dieses Viertels waren nur schwach beleuchtet. Ainslie war sich darüber im klaren, daß Doil irgendwo ganz in der Nähe hinter Büschen und Bäumen versteckt lauern konnte.

Dan Zagaki kam keuchend heran: »Sergeant, ich bin... «

Ainslie fuhr herum: »Schnauze, verdammt noch mal!« fauchte er ihn wütend an. »Wie lange sind Sie nicht im Wagen gewesen?«

»Bloß ein bis zwei Minuten, Ehrenwort.«

»Lügen Sie nicht, Sie kleiner Hundesohn!« Ainslie packte den jungen Mann an seiner Jacke und schüttelte ihn kräftig. »Los, los, wie lange?« Er zog ihn zu sich heran, bis er Zagakis Gesicht dicht vor sich hatte. »Die ganze Zeit - solange ich weggewesen bin?«

Zagaki, der den Tränen nahe war, gestand ein: »Ja, ziemlich von Anfang an.«

Ainslie, der ihn angewidert wegstieß, rechnete sich aus, daß Doil mindestens zehn bis zwölf Minuten Vorsprung hatte. Selbst wenn er in der Nähe geblieben war, konnte er überall versteckt sein, und es war aussichtslos, ihn allein aufspüren zu wollen. Deshalb blieb ihm keine andere Wahl. Er griff nach seinem Funkgerät.

»Dispatcher, hier dreizehnzehn.«

Eine Frauenstimme antwortete ruhig: »Dreizehnzehn, QSK.«

»Schicken Sie mir mehrere Streifenwagen zur Tigertail Avenue...« Ainslie machte eine Pause, um die nächste Hausnummer abzulesen. »Nummer sechzehnelf. Wir haben einen Weißen, der unter Überwachung gestanden hat, aus den Augen verloren. Einsvierundneunzig groß, wiegt ungefähr hundertzwanzig Kilo, trägt ein rotes Hemd und eine dunkle Hose. Er ist bewaffnet und gefährlich.«