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»Die sexuell völlig ausgehungert sind. Was ist von denen schon anderes zu erwarten?«

Malcolm seufzte. »Sexuell ausgehungert sind wir alle. Unser Leben ist pervers.«

»Du denkst wohl schon an die nächste Predigt?«

»Diesmal nicht. Sanford hat mir einen Maulkorb verpaßt. Er hält mich für einen Rebellen, Russell.«

»Hat er vergessen, daß auch Jesus ein Rebell gewesen ist? Er hat ähnliche Fragen wie du gestellt.«

»Erzähl das mal Eisenarsch.«

»Welche Buße wird er sich für dich einfallen lassen?«

»Keine Ahnung«, sagte Malcolm. »Das ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal.«

Aber er brauchte nicht lange zu warten.

Bischof Sanfords Entscheidung wurde Malcolm zwei Tage später von Pater Andre Quäle mitgeteilt, der ein Schreiben der Erzdiözese erhalten hatte. Malcolm sollte sich sofort in ein Trappistenkloster in den Pocono Mountains im Norden Pennsylvanias begeben. Sein Aufenthalt in dieser Einsamkeit war vorläufig unbefristet.

»Ich bin zum Schweigen in der Äußeren Mongolei verurteilt worden«, berichtete Malcolm Russell. »Du weißt über die Trappisten Bescheid?«

»Sie leben enthaltsam und reden niemals.« Russell erinnerte sich an einen Artikel, den er gelesen hatte. Die Lebensweise des »Katholischen Ordens der Zisterzienser strikter Observanz«, so die offizielle Bezeichnung der Trappisten, war asketisch genügsam: wenig Essen, kein Fleisch, harte körperliche Arbeit und striktes Schweigen. Weltweit hatte dieser 1664 in Frankreich gegründete Orden siebzig Klöster.

»Der alte Sanford hat mir Buße versprochen«, fuhr Malcolm fort, »und er hält Wort. Ich soll dort ausharren und beten natürlich schweigend -, bis ich bereit bin, mich an die Linie des Vatikans zu halten.«

»Gehst du hin?«

»Ich muß. Tu' ich's nicht, werde ich meines Priesteramts enthoben.«

»Was für uns beide vielleicht nicht das Schlechteste wäre«, sagte Russell zu seiner eigenen Verblüffung impulsiv. »Vielleicht nicht«, stimmte Malcolm zu.

Malcolm begab sich ins Kloster und fand dort zu seiner Überraschung inneren Frieden. Die Entbehrungen ertrug er gelassen. Die Schweigepflicht war keineswegs so belastend, wie er geglaubt hatte, und als er später in die Welt zurückkehrte, fand er sie voll sinnlosem Geschwätz. Gegen eine Regel in seiner Verbannung verstieß er jedoch: Er betete nicht. Während die Mönche um ihn herum vermutlich schweigend beteten, nutzte Malcolm diese Zeit, um über seine Vergangenheit und Zukunft nachzudenken.

Nachdem er einen Monat in sich gegangen war, gelangte er zu drei Schlußfolgerungen: Er glaubte nicht mehr an irgendeinen Gott, die Göttlichkeit Jesu oder die Sendung der katholischen Kirche. Dafür gab es verschiedene Gründe, von denen der wichtigste die Tatsache war, daß selbst die ältesten Religione n höchstens fünftausend Jahre alt waren. Im Vergleich zu den unzähligen Äonen seit der Entstehung des Universums, in dem die Erde kaum ein Stecknadelkopf war, entsprach die Dauer der Existenz menschlicher Religionen vielleicht einem einzelnen Sandkorn der Sahara.

Deshalb waren die vielen Götter und Religionen lediglich Erfindungen der Neuzeit.

Sollten die Menschen deshalb von jeglicher Religionsausübung abgehalten werden? Keineswegs! Wer in ihr Trost fand, sollte in Ruhe gelassen und notfalls geschützt werden. Malcolm schwor sich, immer die Glaubensgrundsätze anderer zu achten.

Aber was kam für ihn als nächstes? Natürlich würde er das Priesteramt aufgeben. Nachträglich erkannte er seine Berufswahl als von Anfang an falsch - eine Realität, die er sich um so leichter eingestehen konnte, als seine Mutter im Jahr zuvor gestorben war. Auf dem Totenbett hatte Victoria Ainslie seine Hand gehalten und geflüstert: »Du bist Priester geworden, weil ich's wollte. Ich weiß nicht, ob das wirklich dein Wunsch war, aber ich bin voller Stolz gewesen und habe meinen Willen durchgesetzt. Ich frage mich, ob Gott mir das als Sünde ankreiden wird.« Malcolm hatte ihr versichert, das werde Gott nicht tun, und er bereue seine Berufswahl keineswegs. Seine Mutter war friedlich gestorben. Aber ohne sie fühlte er sich berechtigt, andere Entscheidungen zu treffen.

Die Stimme einer Stewardess aus der Bordsprechanlage unterbrach Malcolms Gedanken. Sie kündigte die baldige Landung in Atlanta an und bat die Fluggäste, sich wieder anzuschnallen, die Tischchen hochzuklappen und die Rückenlehnen gerade zu stellen.

Malcolm blendete diese bekannten Anweisungen aus und kehrte in Gedanken in die Vergangenheit zurück.

Er blieb noch einen weiteren Monat im Kloster, um Zeit zu haben, seinen Entschluß zu revidieren. Aber seine Überzeugung verfestigte sich, und am Ende dieses zweiten Monats schrieb er einen Brief, in dem er auf die Priesterwürde verzichtete, und ging einfach.

Nach mehreren Meilen Fußmarsch, auf dem er alles, was er aus seiner Vergangenheit mitnehmen wollte, in einem Handkoffer bei sich trug, nahm ihn ein Lastwagenfahrer nach Philadelphia mit. Dort fuhr er mit einem Bus zum Flughafen, und da er nicht wußte, wohin er sollte, kaufte er sich spontan ein Ticket für den nächsten Flug - einen Nonstopflug nach Miami. Dort begann sein neues Leben.

Kurz nach seiner Ankunft lernte er Karen Grundy kennen -eine Kanadierin, die in Miami Urlaub machte.

Sie stand in einer Reinigungsannahme hinter ihm. Malcolm, der ein paar Hemden waschen lassen wollte, war von der Angestellten gefragt worden, ob er sie zusammengelegt oder auf Bügeln haben wolle. Als er zögerte, sagte eine Stimme hinter ihm: »Wenn Sie viel reisen - zusammengelegt. Sonst sind Bügel praktischer.«

»Mit meiner Herumreiserei ist's vorbei«, sagte er, indem er sich nach der attraktiven jungen Frau umdrehte, die gesprochen hatte. Dann nickte er der Angestellten zu. »Also bitte auf Bügeln.«

Nachdem Karen ein Kleid in der Reinigung abgegeben hatte, sah sie Malcolm am Ausgang warten. »Ich wollte mich nur für Ihren freundlichen Rat bedanken.«

»Warum ist's mit Ihrer Herumreiserei vorbei?« fragte sie.

»Das kann ich hier schlecht erzählen. Aber vielleicht beim Mittagessen?«

Karen überlegte nur einen Augenblick, bevor sie lächelnd sagte: »Klar. Warum nicht?«

So begann ihre Romanze. Sie verliebten sich rasch ineinander, und Malcolm machte Karen schon nach zwei Wochen einen Heiratsantrag.

Etwa zu dieser Zeit las Ainslie im Miami Herald, die hiesige Polizei nehme neue Bewerber auf. Die Erinnerung an Russells Vater, Detective Kermit Sheldon, der ein Freund der Familie Ainslie gewesen war, bewog Malcolm dazu, sich für den Polizeidienst zu bewerben. Er wurde angenommen, absolvierte einen zehnwöchigen Lehrgang an der Police Department Academy und bestand ihn mit Auszeichnung.

Karen hatte nicht nur keine Einwände dagegen, statt in Toronto in Florida zu leben, sondern war von dieser Idee sogar begeistert. Und da sie inzwischen seine Vergangenheit kannte, urteilte sie ganz richtig über Malcolms neuen Beruf. »In gewisser Weise tust du nichts anderes als früher - du sorgst dafür, daß die Menschheit auf dem Pfad der Tugend bleibt.«

Er hatte gelacht. »Das wird viel mühsamer, aber verdammt viel praktischer.«

Letzten Endes war es dann beides.

Einige Monate später erfuhr Malcolm, daß Russell Sheldon der katholischen Amtskirche ebenfalls den Rücken gekehrt hatte. Russells Hauptmotiv war einfach, daß er heiraten und Kinder haben wollte. In einem Brief an Malcolm schrieb er:

Hast Du gewußt, daß es in den Vereinigten Staaten rund siebzigtausend von uns gibt: Geistliche, die aus eigenem Antrieb die Kirche verlassen haben, die meisten davon um die Dreißig? Das ist übrigens eine katholische Zahlenangabe.

Russell Sheldon hatte jedoch weder seinen Glauben verloren noch die Religion aufgegeben, sondern schloß sich einer freien katholischen Gemeinde in Chicago an, die ihn auch als aus dem Kirchendienst entlassenen Geistlichen akzeptierte. Malcolm hörte noch immer gelegentlich von ihm. Er amtierte weiter als unabhängiger Geistlicher und war glücklich mit einer ehemaligen katholischen Nonne verheiratet; nach letzten Berichten hatten die beiden zwei Kinder.