Выбрать главу

Sie klopften den Pulverschnee von ihrer Kleidung und gingen weiter. Solche Augenblicke sind viel zu selten, erkannte Malcolm, während er Karen und Jason seine Arme um die Schultern legte.

Als ihr Sohn dann vorauslief, sagte Karen plötzlich: »Was ich dir zu erzählen habe, kann ich ebensogut jetzt sagen. Ich bin schwanger.«

Malcolm blieb stehen und starrte sie an. »Ich dachte...«

»Ich natürlich auch. Das beweist nur, daß Ärzte sich irren können. Ich habe mich erst gestern zum zweitenmal untersuchen lassen; ich wollte's dir nicht früher erzählen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Aber stell dir vor, Malcolm, wir bekommen ein Baby!«

Die beiden hatten sich seit vier Jahren ein weiteres Kind gewünscht, aber Karens Gynäkologe hatte ihr erklärt, sie könne keines mehr bekommen.

Karen fuhr fort: »Ich wollte's dir auf dem Flug hierher erzählen...«

Malcolm schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Jetzt verstehe ich, wie dir vorgestern zumute gewesen sein muß! Tut mir leid, Darling.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast deine Pflicht getan. Schön, jetzt wissen's wir also beide. Bist du glücklich?«

Statt zu antworten, schloß Malcolm Karen in die Arme und küßte sie.

»Hey!« rief Jason lachend. »Vorsicht!« Als sie sich dann umdrehten, traf sie ein perfekt gezielter Schneeball.

»Das sollten wir öfter machen«, sagte Gary Moxie, als das Familientreffen früh am vierten Tag mit herzlicher Verabschiedung zu Ende ging. Sie waren alle vor Tagesanbruch aufgestanden, hatten rasch gefrühstückt und fuhren dann mit mehreren Autos zum Flughafen Toronto, um die Frühmaschinen zu erreichen.

George Grundy brachte Karen, Malcolm und Jason zum Flughafen. Unterwegs plapperte Jason aufgeregt. »Opa«, sagte er zu seinem Großvater, »ich bin echt froh, daß wir am gleichen Tag Geburtstag haben.«

»Ich auch, mein Junge«, antwortete der General. »Wenn ich mal nicht mehr da bin, feierst du hoffentlich für uns beide. Traust du dir das zu?«

»O ja!«

»Das tut er«, sagte Karen. »Aber das hat noch lange Zeit, Dad. Wie wär's, wenn wir den nächsten gemeinsamen Geburtstag in Miami feiern würden? Wir laden die ganze Familie ein.«

»Abgemacht!« Ihr Vater wandte sich an Malcolm, der auf dem Rücksitz saß. »Wenn's dir auch recht ist?«

Malcolm schrak hoch. »Sorry! Worum geht's denn?«

Karen seufzte. »Hallo! Bist du wieder da?«

George Grundy lachte. »Laß nur, Karen, diese Anzeichen kenne ich. Du hast über die morgigen Probleme nachgedacht, stimmt's?«

»Ja, das habe ich«, gab Malcolm zu. Er hatte sich gerade überlegt: Wie lassen sich die noch offenen Fragen, die mein letztes Gespräch mit Elroy Doil aufgeworfen hat, am besten beantworten? Und wie schnell läßt sich das machen?

6

Wie sich dann zeigte, hatte Malcolm Ainslie in der ersten Woche nach seiner Rückkehr kaum Gelegenheit, über Doil nachzudenken. Auf seinem Schreibtisch türmten sich Aktenberge und Unterlagen, die sich während seiner viertägigen Abwesenheit angesammelt hatten und erledigt werden mußten.

Am wichtigsten war der Stapel mit den Überstundenabrechnungen seiner Leute. Ainslie zog ihn näher heran. »Schön, daß Sie wieder da sind, Sergeant«, begrüßte ihn Detective Jose Garcia, dessen Schreibtisch neben seinem stand. »Freut mich, daß Sie das Wichtigste zuerst erledigen«, fügte er hinzu, als er die Überstundenabrechnungen sah.

»Ich weiß, wie ihr Jungs arbeitet«, sagte Ainslie. »Immer darauf aus, ein paar Dollar mehr zu verdienen.«

Garcia spielte den Gekränkten. »Hey, wir müssen dafür sorgen, daß unsere Kinder nicht verhungern.«

Tatsächlich brauchten die Kriminalbeamten ihre Überstunden, um finanziell über die Runden zu kommen. Obwohl die Beförderung zum Detective begehrt war, weil nur die Besten und Intelligentesten genommen wurden, war damit bei der Miami Police paradoxerweise keine Gehaltserhöhung verbunden. Ein Kriminalbeamter mit regulärer Vierzigstundenwoche verdiente im Durchschnitt achthundertachtzig Dollar und mußte davon noch Steuern zahlen; zwanzig Überstunden brachten ihm zusätzlich sechshundertsechzig Dollar pro Woche ein. Aber der Preis dafür war hoch: Für irgendein Privatleben blieb praktisch keine Zeit mehr.

Jede Überstunde wurde jedoch pedantisch genau aufgeführt und vom Sergeant des jeweiligen Ermittlerteams abgezeichnet -eine zeitraubende Arbeit, die Ainslie jetzt ungeduldig erledigte.

Dann kamen die halbjährlichen Beurteilungen aller Kriminalbeamten seines Teams, die er mit der Hand schrieb, damit eine Sekretärin sie abtippen konnte. Und zuletzt weitere Berge von Papier: Berichte über laufende Ermittlungen, auch in neuen Fällen, die er wenigstens lesen und abzeichnen mußte, falls nicht auch etwas zu veranlassen war.

»Manchmal«, beschwerte er sich bei Sergeant Pablo Greene, »komme ich mir wie ein kleiner Bürogehilfe in einem Roman von Charles Dickens vor.«

»Das liegt daran, daß wir uns alle für Scrooge totarbeiten«, antwortete Greene.

Deshalb fand Ainslie erst am späten Nachmittag des ersten Tages nach seiner Rückkehr Zeit, sich mit dem Fall Doil zu befassen. Er ging mit der Tonbandkassette zu Newbold.

»Was hat Sie so lange aufgehalten?« fragte der Lieutenant. »Nein, erzählen Sie's mir lieber nicht.«

Während Ainslie das Tonbandgerät einschaltete, wies Newbold seine Sekretärin an, nur dringende Anrufe durchzustellen, und schloß die Bürotür. »Ich bin gespannt, was Sie mitgebracht haben.«

Ainslie spielte die gesamte Aufnahme ab - von der Sekunde an, in der er sein Gerät in dem kahlen kleinen Büro nahe der Hinrichtungskammer eingeschaltet hatte. Nach kurzer Pause war zu hören, wie die Tür geöffnet wurde, als Lieutenant Hambrick zurückkam und zwei Gefängniswärter den kahlgeschorenen Elroy Doil in Hand- und Fußfesseln hereinführten, mit Pater Ray Uxbridge am Ende dieser kleinen Prozession. Ainslie murmelte Erklärungen zu den einzelnen Geräuschen.

Newbold hörte sich den nun folgenden Wortwechsel gespannt an: die ölige Stimme des Gefängnisgeistlichen... Doils heisere Aufforderung an Ainslie: »Vergeben Sie mir, Pater, denn ich habe gesündigt...« Dann Uxbridges erregter Einspruch: »Das ist Gotteslästerung!...« Zuletzt Doils wütende Aufforderung:

»Schafft dieses Arschloch hier raus!«

Newbold schüttelte fassungslos den Kopf. »Einfach unglaublich!«

»Augenblick, es kommt noch mehr.«

Die Lautstärke nahm ab, sobald Ainslie dann vorgab, Doil die »Beichte« abzunehmen.

»Ich hab' ein paar Leute umgebracht, Pater.,.«

»Wen zuerst?«

»Zwei Japse in Tampa.«

Newbold, der wie gebannt zuhörte, fing an, sich Notizen zu machen.

Wenig später folgte Doils Geständnis seiner übrigen Doppelmorde... an den Ehepaaren Esperanza, Frost, Larsen, Hennenfeld, Urbina, Tempone...

»Die Gesamtzahl stimmt nicht«, stellte Newbold fest. »Das haben Sie mir erzählt, aber ich habe gehofft...«

»Daß ich mich verrechnet habe?« Ainslie lächelte schwach.

Als nächstes kam Doils verzweifelter Appell in bezug auf die Ermordung des Ehepaars Ernst: »Ich bin's nicht gewesen! Ich schwör's Ihnen, Pater! Dafür will ich Vergebung... Ich hab' die anderen umgebracht, aber ich will mir nichts anhängen lassen, was ich nie getan habe!«