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Die letzte Feststellung klang nachdenklich, fast vertraulich. Irgendwie hatte sich ihre anfängliche Feindseligkeit im Lauf des Gesprächs verflüchtigt; man könnte fast glauben, dachte Ainslie, sie habe sich nach dem verlorenen Showdown ergeben und sei eine freundliche Verbündete geworden. Trotzdem nahm er nicht alles für bare Münze, was Felicia Maddox-Davanal ihm erzählt hatte vor allem nicht das, was sich auf die Entdeckung ihres toten Ehemanns bezog. Zugleich sagte sein Instinkt ihm, daß sie ihren Mann nicht ermordet hatte, aber vielleicht wußte oder ahnte, wer der Täter gewesen war. Jedenfalls verbarg sie irgend etwas.

»Eines verstehe ich nicht ganz«, sagte Ainslie. »Sie haben Ihren Mann angeblich noch immer gemocht, obwohl Sie und er getrennte Wege gegangen sind. Aber gleich nachdem Sie ihn tot aufgefunden hatten, ist Ihre Hauptsorge die gewesen, Ihr Fernsehteam ins Haus zu holen. Das erscheint mir... «

»Schon gut! Schon gut!« unterbrach Davanal ihn. »Ich weiß, was Sie andeuten wollen - daß ich eiskalt bin. Nun, das bin ich vielleicht auch, aber vor allem bin ich praktisch veranlagt.« Sie sprach nicht weiter.

»Bitte weiter«, sagte Ainslie.

»Nun, ich habe sofort gesehen, daß Byron tot war, und keine Ahnung gehabt, wer ihn erschossen hatte. An diesen Tatsachen konnte ich nichts ändern. Aber ich konnte dafür sorgen, daß WBEQ - meine Fernsehstation, die ich persönlich leite - diese Meldung vor der gesamten Konkurrenz bringt, und genau das habe ich getan. Ich habe eines meiner Teams angefordert; als es nicht hereindurfte, habe ich mich ans Telefon gesetzt und unserer Nachrichtenredaktion alles erzählt, was ich wußte. Inzwischen ist diese Meldung in ganz Florida, vermutlich schon viel weiter verbreitet, aber wir sind die ersten gewesen, und das zählt auf einem so heißumkämpften Markt.«

»Bei Ihrer Erfahrung«, sagte Ainslie, »haben Sie doch gewußt, daß das Fernsehteam nicht durchgelassen werden würde, nicht wahr?«

Davanal verzog das Gesicht. »Oh, klar. Aber ich habe... Ich wollte einfach testen, was möglich ist. Das habe ich mein Leben lang getan. Es ist mir zur zweiten Natur geworden.«

»Unter normalen Umständen ist dagegen nichts einzuwenden. Aber bei Mordermittlungen ist das keine gute Idee.«

Felicia betrachtete ihn nachdenklich. »Sie sind ein ungewöhnlicher Polizeibeamter«, sagte sie dann. »Sie haben etwas an sich - ich weiß nur nicht, was -, das ganz anders ist... und mich neugierig macht.« Bei diesen Worten lächelte sie zum erstenmal ein geheimnisvolles kleines Lächeln, in dem eine Andeutung von Sinnlichkeit lag.

»Wenn Sie nichts dagegen haben«, antwortete er nüchtern, »möchte ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«

Sie seufzte. »Also gut, wenn Sie müssen.«

»Wer ist heute morgen um halb acht, als Sie die Leiche Ihres Mannes aufgefunden haben, und letzte Nacht außer Ihnen im Haus gewesen?«

»Lassen Sie mich nachdenken.« Als sie diese und die nachfolgenden Fragen beantwortete, stellten sich weitere Tatsachen heraus.

Felicias Eltern, Theodore und Eugenia Davanal, die ebenfalls in diesem Haus lebten, waren im Augenblick in Italien. Theodore war das Oberhaupt des Familienclans, aber er hatte längst einen großen Teil seiner Verantwortung an Felicia abgegeben. Sein Kammerdiener und die Zofe seiner Frau, die ebenfalls im Haus wohnten, waren nach Italien mitgereist.

Der Patriarch der Familie war Wilhelm Davanal. Der Siebenundneunzigj ährige hatte hier im Haus eine Dachgeschoßwohnung, in der ein Diener und seine Frau, die von Beruf Krankenschwester war, ihn umsorgten. »Großvater und das Ehepaar Vazquez sind ständig im Haus«, erläuterte Felicia, »aber wir bekommen die drei fast nie zu sehen.«

Nach Felicias Darstellung war Wilhelm Davanal senil, obwohl er lichte Augenblicke hatte, die jedoch zunehmend seltener wurden.

Humphrey Holdsworth, der Butler, wohnte mit seiner Frau, die Köchin war, ebenfalls im Haus. Die beiden Gärtner und der Chauffeur lebten mit ihren Familien außerhalb des Hauses in Apartments über der Garage.

Alle diese Leute, darüber war Ainslie sich im klaren, mußten befragt werden, ob sie letzte Nacht irgend etwas Verdächtiges gesehen oder gehört hatten.

»Sprechen wir noch einmal über die Entdeckung der Leiche Ihres Mannes«, sagte er zu Felicia. »Als die Polizei - Officer Navarro - gekommen ist, sind Sie in seinem Arbeitszimmer gewesen, nicht wahr?«

»Ja.« Sie zögerte. »Nun, nachdem ich Byron so aufgefunden hatte, bin ich hinausgelaufen und habe am Telefon in der Eingangshalle die Notrufnummer gewählt. Dann... ich weiß selbst keine rechte Erklärung dafür... hat mich irgend etwas dorthin zurückgezogen. Ich muß wohl eine Art Schock erlitten haben. Alles ist so plötzlich gekommen... und so schrecklich gewesen.«

»Das ist verständlich«, sagte Ainslie mitfühlend. »Beantworten Sie mir bitte folgende Frage: Haben Sie irgend etwas angefaßt, verändert oder bewegt, während Sie zweimal mit der Leiche Ihres Mannes allein gewesen sind?«

»Nein, nicht das geringste.« Felicia schüttelte den Kopf. »Mein Instinkt muß mir gesagt haben, daß ich das nicht darf. Außerdem habe ich mich einfach nicht dazu überwinden können, dicht an Byron oder den Schreibtisch heranzutreten... « Ihre Stimme wurde leiser und verstummte.

»Danke«, sagte Ainslie. »Im Augenblick habe ich keine weiteren Fragen.«

Felicia Maddox-Davanal stand auf, als ihre Befragung beendet war; sie hatte ihre Selbstbeherrschung offenbar wiedergewonnen.

»Ich bedaure, daß wir einen so schlechten Start gehabt haben«, sagte sie. »Aber vielleicht können wir im Lauf der Zeit lernen, einander mehr zu mögen.« Sie streckte unerwartet eine Hand aus, berührte leicht Ainslies Rechte und ließ ihre Finger sekundenlang auf ihr ruhen. Dann wandte sie sich ab und war im nächsten Augenblick verschwunden.

Malcolm Ainslie, der allein im Salon zurückgeblieben war, benutzte sein Kombigerät, um zwei Telefongespräche zu führen. Danach ging er in Byron Maddox-Davanals Arbeitszimmer zurück, in dem jetzt reger Betrieb herrschte. Die Spurensicherung war eingetroffen und bei der Arbeit, während die Gerichtsmedizinerin Sandra Sanchez den Toten untersuchte.

Staatsanwalt Curzon Knowles, mit dem Ainslie im Fall Elroy Doil zusammengearbeitet hatte, beobachtete alles, stellte Fragen und machte sich Notizen.

Ainslie sah, daß es draußen zu regnen begonnen hatte, aber Rodriguez versicherte ihm: »Wir haben die Spuren rechtzeitig fotografiert und auch gute Gipsabdrücke gemacht.« Jetzt wurden die Schuhspuren hinter dem Samtvorhang fotografiert; danach würde der Schmutz abgekratzt und zu Vergleichszwecken sichergestellt werden. Gleichzeitig ging die Suche nach Fingerabdrücken weiter.

Ainslie nahm Jorge beiseite, schilderte ihm sein Gespräch mit Felicia Maddox-Davanal und diktierte ihm die Namen aller Haushaltsangehörigen, die befragt werden mußten. »Ich habe Pop Garcia herbestellt«, erklärte er Jorge. »Er arbeitet mit Ihnen zusammen, führt Befragungen durch und ist Ihnen ganz allgemein behilflich. Ich muß jetzt weg.«

»Schon?« fragte Jorge erstaunt.

»Ich möchte mit jemandem sprechen«, sagte Ainslie. »Mit jemandem, der viel über alte Familien weiß - auch über diese. Vielleicht ergibt sich dabei ein Hinweis.«

8

Ihr Name war legendär. Zu ihrer Zeit hatte sie als beste Kriminalreporterin Amerikas gegolten, deren Ruf weit über ihre Leserschaft in Florida hinausreichte, für die sie aus Miami berichtete. Was Menschen und Ereignisse betraf, war sie ein wandelndes Lexikon - nicht nur in bezug auf Verbrecher, sondern auch auf Politiker, Geschäftsleute und sonstige Angehörige der Oberschicht Miamis, weil Verbrechen und diese Bereiche miteinander zu tun hatten. Jetzt lebte sie halb im Ruhestand, was bedeutete, daß sie gelegentlich ein Buch schrieb, das bereitwillig verlegt und gekauft wurde, obwohl sie in letzter Zeit weniger schrieb und lieber dasaß und ihren Erinnerungen nachhing oder mit ihren Hunden spielte - sie hatte drei Pekinesen, die Able, Baker und Charlie hießen. Aber ihr Verstand und ihr Gedächtnis waren scharf wie eh und je.