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Sie hieß Beth Embry, und obwohl sie ihr Geburtsdatum sogar im Who's Who in America geheimhielt, mußte sie weit über Siebzig sein. Sie lebte in den Oakmont Tower Apartments in Miami Beach, mit Meerblick, und Malcolm Ainslie gehörte zu ihren zahlreichen Freunden.

Bei seinem zweiten Telefongespräch aus der Villa der Familie Davanal hatte er Beth gefragt, ob er sie besuchen dürfe. Jetzt empfing sie ihn an der Wohnungstür. »Ich weiß, warum du kommst; ich habe in den Morgennachrichten gesehen, wie du bei den Davanals aufgekreuzt bist. Du hast wieder mal eine Reporterin niedergemacht.«

»Dich habe ich nie niedergemacht«, protestierte er.

»Weil du Angst vor mir hattest.«

»Stimmt genau«, gab er zu. »Sogar noch heute.« Sie lachten, und er küßte sie auf die Wange, während Able, Baker und Charlie kläffend um sie herumtollten.

Obwohl Beth Embry nach herkömmlichen Maßstäben nie schön gewesen war, strahlte sie eine Vitalität aus, die sich in ihrem Mienenspiel und in jeder Bewegung zeigte. Sie war groß und schlank, trotz ihres Alters noch immer sportlich, und trug nie etwas anderes als Jeans und bunte Baumwollhemden - heute ein weißgelb kariertes.

Die beiden hatten sich vor zehn Jahren kennengelernt, als Beth als Reporterin an Tatorten aufkreuzte, an denen Ainslie ermittelte, und nach ihm zu fragen begann. Nach anfänglichem Mißtrauen entdeckte er, daß ihre Ideen und ihr Hintergrundwissen oft ebenso wertvoll waren wie die Informationen, die sie von ihm erhielt. Als sich zwischen ihnen ein Vertrauensverhältnis entwickelte, sorgte Ainslie dafür, daß Beth einige sensationelle Erstmeldungen landen konnte, weil er wußte, daß sie ihren Informanten geheimhalten würde. Gelegentlich kam er auf der Suche nach Informationen zu Beth, um ihren Rat einzuholen, so auch diesmal.

»Augenblick«, sagte sie jetzt. Sie sammelte die drei kläffenden Pekinesen ein, trug sie in ihr Schlafzimmer und machte die Tür hinter ihm zu.

»Ich habe gelesen, daß du bei Elroy Doils Hinrichtung gewesen bist«, sagte Beth, als sie zurückkam. »Wolltest du dich davon überzeugen, daß er seine gerechte Strafe bekommt?«

Ainslie schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht freiwillig dabeigewesen. Doil wollte mit mir reden.«

Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ein Geständnis im Angesicht des Todes? Rieche ich eine Story?«

»Vielleicht später. Jetzt noch nicht.«

»Ich schreibe noch immer gelegentlich. Versprichst du mir diese Story?«

Ainslie überlegte, dann sagte er: »Okay, falls ich damit befaßt bin, erfährst du irgendwelche Neuigkeiten als erste. Aber streng vertraulich.«

»Natürlich. Habe ich jemals nicht Wort gehalten?«

»Nein.« Aber bei Beth Embry ging es nie ohne ein gewisses Feilschen um Gegenleistungen ab.

Die Erwähnung Doils erinnerte Ainslie daran, daß Ruby Bowe inzwischen ihre Nachforschungen begonnen haben mußte. Er konnte nur hoffen, daß es ihnen gelingen würde, diesen neuen Mordfall rasch aufzuklären. Zunächst fragte er Beth: »Reden wir jetzt inoffiziell über die Davanals?«

»Ohne Quellenangabe, okay?« schlug sie statt dessen vor. »Ich schreibe wie gesagt nicht mehr viel - die jungen Kriminalreporter sind ziemlich gut -, aber manchmal juckt's mich doch wieder, und besonders die Davanals sind ein Thema, das mich reizen könnte.«

»Weißt du viel über sie? Okay, ohne Quellenangabe.«

»Die Davanals sind ein Teil unserer Geschichte. Und Byron Maddox-Davanal, wie er sich hat nennen müssen, ist eine traurige Gestalt gewesen. Mich wundert's nicht, daß er ermordet worden ist; mich hitte's nicht gewundert, wenn er Selbstmord begangen hätte. Habt ihr schon einen Verdächtigen?«

»Noch nicht. Bisher sieht's nach einem fremden Täter aus. Warum ist Byron eine traurige Gestalt gewesen?«

»Weil er die schmerzliche Wahrheit >Der Mensch lebt nicht vom Brot alleinc, selbst wenn dick Butter drauf ist, am eigenen Leib erfahren hat.« Beth lachte. »Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«

»Klar. Allerdings gibt's dafür mehrere Quellen - vom fünften Buch Mose bis hin zu Matthäus und Lukas.«

»Hey, ich bin beeindruckt! Anscheinend hat das Priesterseminar dich fürs Leben geprägt. Glaubst du, daß du irgendwann als Geistlicher wiedergeboren wirst?« Beth, die regelmäßig zur Kirche ging, ließ keine Gelegenheit aus, Ainslie wegen seiner Vergangenheit zu necken.

»Dir halte ich auch die andere Wange hin«, sagte Ainslie lächelnd. »Das steht ebenfalls bei Matthäus und Lukas. Aber jetzt will ich alles über Byron hören.«

»Okay. Anfangs ist er die große Hoffnung der Familie gewesen und sollte eine neue Generation Davanals zeugen; darum hat er seinen Namen ändern müssen, als er Felicia geheiratet hat. Sie ist ein Einzelkind, und wenn sie kinderlos bleibt, was in ihrem Alter wahrscheinlich ist, stirbt die Dynastie Davanal mit ihr aus. Nun, Byron hat sein Sperma großzügig in ganz Miami verteilt und wohl auch Felicia etwas davon abgegeben, aber es scheint nicht angeschlagen zu haben.«

»Wie ich gehört habe, hat er auch in den Familienunternehmen erfolglos mitgewirkt.«

»Byron ist eine Niete gewesen. Aber ich nehme an, daß Felicia dir davon erzählt hat - und von seiner Apanage, die er fürs Nichtstun bezogen hat.«

»Ja.«

»Das erzählt sie jedem. Durch ihre Verachtung ist sein Leben noch leerer und sinnloser geworden.«

»Traust du Felicia zu, ihren Mann ermordet zu haben?«

»Traust du ihr das zu?«

»Im Augenblick nicht.«

Beth schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Sie hätte ihn nie umgebracht. Erstens ist Felicia zu klug, um etwas so Dummes zu tun. Zweitens ist Byron für sie nützlich gewesen.«

Ainslie erinnerte sich an Felicias Aussage: Unser Arrangement hat beide zufriedengestellt... unsere Ehe hat mir eine Art Freiheit gegeben.

Welche »Freiheit« sie gemeint hatte, war nicht schwer zu erraten.

Beth musterte ihn prüfend. »Na, hast du's begriffen? Solange sie mit Byron verheiratet gewesen ist, hat sie niemals befürchten müssen, einer ihrer vielen Männer könnte den Kopf verlieren und sie unbedingt heiraten wollen.«

»Einer ihrer vielen Männer?«

Beth warf ihren Kopf in den Nacken und lachte schallend. »Unzählige! Felicia verschlingt Männer. Aber sie wird ihrer rasch überdrüssig, stößt sie wieder ab. Hat einer sie allzusehr bedrängt, war ihre Antwort: >Danke, ich bin schon verheiratet.««

Sie betrachtete Ainslie nochmals forschend. »Hat Felicia dir Avancen gemacht?... Sie hat's getan! Mein Gott, Malcolm, du wirst ja rot!«

Er schüttelte den Kopf. »Es hat nur einen Augenblick gedauert, und ich hab's mir wahrscheinlich bloß eingebildet.«

»Das glaube ich nicht, mein Freund, und wenn du ihr gefallen hast, versucht sie's bestimmt wieder. Aber laß dich warnen -Felicias Honig mag süß sein, aber sie ist eine Bienenkönigin, die stechen kann.«

»Du hast von der Dynastie Davanal gesprochen. Wie alt ist sie?«

Beth überlegte. »Ihre Geschichte in Amerika beginnt kurz vor der Jahrhundertwende - 1898, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe mal ein Buch über die Familie gelesen. Simon Davanal und seine Frau Maria sind aus dem damals noch deutschen Oberschlesien eingewandert. Er hat ein bißchen Geld gehabt, nicht viel, und damit ein Geschäft für Haushaltswaren aufgemacht. Bis zu seinem Tod war daraus Davanal's Department Store geworden: der Grundstock des Familienvermögens. Simon und Maria haben einen Sohn gehabt - Wilhelm Davanal.«