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Unten im Schrankinnern waren mehrere Schubfächer eingebaut. Verona zog zwei davon auf. »Maddox-Davanal ist offenbar ein begeisterter Schütze gewesen, und hier liegt reichlich Munition für die Schrotflinte, die beiden Gewehre und die Glock, in der übrigens ein volles Magazin steckt. Außerdem steht hier eine Schachtel mit Hohlspitzenpatronen Kaliber 357 Magnum.«

»Munition, für die's keine Handfeuerwaffe gibt«, stellte Ainslie fest.

»Richtig. Die Waffe, die hier fehlt, könnte eine Pistole Kaliber 357 Magnum sein.«

Ainslie überlegte. »Wahrscheinlich sind diese Waffen auf Maddox-Davanals Namen angemeldet. Hat das schon jemand überprüft?«

»Noch nicht«, sagte Verona.

»Okay, dann wollen wir mal.« Ainslie rief mit dem Kombigerät die Mordkommission an. Sergeant Pablo Greene meldete sich.

»Tust du mir einen Gefallen, Pablo, und setzt dich an einen Computer?« fragte Ainslie. »Es geht um eine Anfrage beim Dade County Firearms Register.« Einige Minuten später fuhr er fort: »Name: Maddox-Davanal, Vorname: Byron... Ja, wir sind noch dort... Mich interessiert, ob irgendwelche Waffen auf ihn eingetragen sind.«

Während Ainslie warten mußte, fragte er Verona: »Sind hier am Tatort Geschosse gefunden worden?«

Der Chef der Spurensicherung nickte. »Yeah, eines - an der Fußbodenleiste hinter dem Schreibtisch. Anscheinend hat es den Schädel durchschlagen und ist von der Wand abgeprallt und dort liegengeblieben. Es ist ziemlich verformt, aber es könnte ein Kaliber 357 Magnum sein.«

Ainslie sprach wieder in sein Gerät. »Okay, Pablo, ich höre.« Er machte sich dabei Notizen. »Die haben wir!... Yeah, das paßt... Das haben wir auch... Und die ebenfalls... Ah! Bitte noch mal... Ja, ich schreibe mit... Und das war alles, stimmt's... Danke, Pablo.«

Er schaltete das Gerät aus und erklärte den anderen: »Alle diese Waffen sind auf Maddox-Davanal eingetragen. Außerdem hat er einen Revolver Smith & Wesson Kaliber 357 Magnum angemeldet, der hier fehlt.«

Die vier Männer standen schweigend da und dachten über die möglichen Konsequenzen nach.

»Habt ihr auch das Gefühl, Jungs«, fragte Garcia, »daß alles auf einen Insider hinweist, falls der verschwundene Revolver die Tatwaffe gewesen ist?«

»Schon möglich«, gab Jorge zu. »Aber wer die Fußabdrücke dort draußen hinterlassen und dann die Terrassentür aufgebrochen hat, könnte sich die Waffe besorgt haben, bevor er sich versteckt hat.«

»Aber woher hat er gewußt, daß hier die Waffen zu finden sind und wo der Schlüssel zum Waffenschrank liegt?« fragte Garcia.

»Maddox-Davanal kann Freunde gehabt haben, die darüber Bescheid wissen«, sagte Ainslie. »Sportschützen reden viel und geben gern mit ihren Waffen an. Noch etwas: Julio sagt, daß in der Glock ein volles Magazin steckt - also ist der Smith & Wesson vermutlich ebenfalls geladen gewesen.«

»Und schußbereit«, fügte Garcia hinzu.

»Ich denke auch an einen Insider, Jose«, sagte Ainslie, »aber wir wollen uns nicht vorzeitig festlegen.«

»Übrigens noch etwas«, fügte Verona hinzu. »Wir haben in diesem Raum ziemlich viele Fingerabdrücke sichergestellt und bräuchten zu Vergleichszwecken die Abdrücke aller Hausbewohner, die normalerweise hier zu tun haben.«

»Das übernehme ich«, sagte Jorge Rodriguez.

»Denken Sie vor allem an Holdsworth«, wies Ainslie ihn an. »Und natürlich an Mrs. Davanal.«

An diesem Abend und am folgenden Morgen war »Der blutige Mord bei den superreichen Davanals«, wie eine Schlagzeile lautete, der Aufmacher in Presse, Rundfunk und Fernsehen - teilweise auch überregional. Die meisten Berichte zitierten aus dem Interview, das Felicia Maddox-Davanal der familieneigenen Fernsehstation WBEQ gegeben und in dem sie von »der brutalen Ermordung meines Ehemanns« gesprochen hatte. Auf die Frage, ob die Ermittler schon eine bestimmte Spur verfolgten, hatte sie geantwortet: »Ich weiß nicht, ob sie überhaupt dazu in der Lage sind. Sie wirken völlig konfus.« Sie kündigte an, die Familie werde eine Belohnung für die Ergreifung des Täters aussetzen, sobald - wie sie es ausdrückte -»mein Vater aus Italien zurück ist, wo er, unter schwerem Schock stehend, sein Hotel nicht verlassen kann«.

Der Mailänder Associated-Press-Korrespondent, der erfolglos versucht hatte, Theodore Davanal einen Tag nach dem Tod seines Schwiegersohns zu interviewen, berichtete jedoch, das Ehepaar Davanal habe sich mit Freunden in dem Luxusrestaurant L'Albereta di Gualtiero Marchesi zum Lunch getroffen und sei offenbar glänzend gelaunt gewesen.

Unterdessen gingen die Ermittlungen der Mordkommission in der Villa an der Brickell Avenue weiter. Am zweiten Tag kamen Malcolm Ainslie, Jorge Rodriguez und Jose Garcia um zehn Uhr in Maddox-Davanals Arbeitszimmer zusammen.

Jorge berichtete, das in Frage kommende Hauspersonal habe sich freiwillig die Fingerabdrücke abnehmen lassen. »Aber bei Mrs. Davanal bin ich abgeblitzt; sie hat einfach gesagt, sie denke nicht daran, sich im eigenen Haus ihre Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.« Auch der Butler Holdsworth hatte seine Fingerabdrücke verweigert.

»Das ist ihr gutes Recht«, murmelte Ainslie. »Aber die Abdrücke des Butlers hätten mich schon interessiert.«

»Ich kann versuchen, sie ohne sein Wissen zu beschaffen«, erbot Jorge sich. Kriminalbeamte griffen oft zu diesem Trick, obwohl er offiziell mißbilligt wurde.

»Das wäre in diesem Haus zu riskant.« Ainslie fragte Garcia: »Haben Sie nicht gesagt, Holdsworth sei in England verurteilt worden?«

»Ja, aber er ist auf Bewährung freigekommen.«

»Dann sind seine Fingerabdrücke noch registriert.«

»Nach dreiunddreißig Jahren?« fragte Garcia zweifelnd.

»Die Briten sind gründlich; sie haben seine Abdrücke bestimmt noch. Rufen Sie Ihren Mann bei der Einwanderungsbehörde an, damit er sich diese alten Fingerabdrücke schnellstens per Computer übermitteln läßt.«

»Wird sofort erledigt.« Garcia nickte eifrig, ging in eine Ecke des Arbeitszimmers und sprach in sein Kombigerät.

»Na, hoffentlich wird er fündig«, sagte Julio Verona, der eben hereingekommen war. »Die Fingerabdrücke an der Uhr sind eine Sackgasse gewesen. Keine Entsprechung bei uns oder beim FBI.« Er machte eine Pause. »Übrigens noch etwas: Dr. Sanchez möchte einen von Ihnen im Leichenschauhaus sprechen.«

Jorge sah zu Ainslie hinüber, der entschied: »Wir fahren gemeinsam hin.«

»Dieser Todesfall Maddox-Davanal hat irgendwas Merkwürdiges an sich, das nicht zusammenpaßt.« Sandra Sanchez saß in ihrem Büro im ersten Stock der Dade County Morgue in der Northwest Tenth Avenue an ihrem mit Papieren überhäuften Schreibtisch. Vor der Gerichtsmedizinerin lag ein Zettel mit handschriftlichen Notizen.

»Was paßt nicht zusammen, Doktor?« fragte Jorge. Sanchez zögerte, dann antwortete sie: »Die Spuren und die Mordtheorie, die ich bisher von euch gehört habe. Eigentlich geht mich das nichts an. Ich soll Ihnen nur die Todesursache mitteilen...«

»Aber Sie tun meist mehr, und dafür sind wir Ihnen alle dankbar«, versicherte Ainslie ihr.

»Nun, es geht um die Schußbahn, Malcolm - schwer zu verfolgen, weil ein großer Teil des Schädels fehlt. Aber unsere Röntgenaufnahmen zeigen, daß die Kugel offenbar in die rechte Wange, dann durchs rechte Auge nach oben ins Gehirn gedrungen ist und bei ihrem Austritt das Schädeldach zertrümmert hat.«

»Klingt ziemlich tödlich«, meinte Jorge. »Was soll daran falsch sein?«

»Falsch ist daran, daß jemand, der ihn so hätte erschießen wollen, ihm den Revolver praktisch unter die Nase hätte halten müssen, um aus nächster Nähe abzudrücken.«

»Kann das Ganze nicht so schnell und unerwartet abgelaufen sein«, fragte Jorge, »daß er gar nicht mitgekriegt hat, was passiert ist?«