Ainslie nickte Rodriguez zu, der seine Mappe mit einem Notizblock und mehreren Vordrucken aufschlug.
»Ihr vollständiger Name?« fragte er den Butler.
»Sie wissen genau, wie ich heiße!« fauchte Holdsworth.
Ainslie beugte sich nach vorn und sagte ruhig: »Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, geht alles viel schneller.«
Eine Pause. Dann: »Humphrey Howard Holdsworth.«
»Geburtsdatum?«
Sobald die Angaben zur Person des Verhafteten vollständig waren, schob Rodriguez ihm den Vordruck hin. »Unterschreiben Sie bitte rechts unten. Hier steht, daß Sie über Ihre Rechte belehrt worden sind und sich dafür entschieden haben, Fragen erst in Anwesenheit Ihres Rechtsanwalts zu beantworten.«
»Wie kann ich unterschreiben?« Holdsworth zeigte mit seiner Linken auf seine noch immer an den Stuhl gefesselte rechte Hand.
Rodriguez nahm ihm die Handschellen ab.
Während Holdsworth sich sein Handgelenk rieb und den ausgefüllten Vordruck mißtrauisch studierte, stand Ainslie auf. »Bin gleich wieder da«, erklärte er Jorge. Er ging zur Tür, streckte den Kopf hinaus und tat so, als rufe er jemandem zu: »Hey, laß die alten Fingerabdrücke aus England vorläufig liegen! Wir warten auf seinen Anwalt, deshalb brauchen wir sie erst später.«
Holdsworth hob ruckartig den Kopf. »Was für Fingerabdrücke aus England sind das?«
»Sorry.« Ainslie schüttelte den Kopf, als er an den Tisch zurückkam. »Wir dürfen nicht miteinander reden, bevor Ihr Anwalt hier ist.«
»Augenblick!« sagte Holdsworth scharf. »Wie lange dauert das?«
Rodriguez zuckte mit den Schultern. »Hängt ganz von Ihrem Anwalt ab.«
Holdsworth war sichtlich erregt. »Ich will sofort wissen, was mit diesen Fingerabdrücken ist!«
»Soll das heißen, daß Sie reden wollen, ohne auf einen Anwalt zu warten?« erkundigte Rodriguez sich.
»Ja, ja!«
»Dann dürfen Sie den Vordruck nicht unterschreiben. Hier ist ein anderer, der besagt, daß Sie über Ihre Rechte belehrt worden sind und sich dafür entschieden haben...«
»Her damit!« Holdsworth griff nach dem bereitgelegten Kugelschreiber und kritzelte seine Unterschrift hin. Danach wandte er sich an Ainslie. »Was ist mit den Fingerabdrücken?«
»Das sind Ihre, die man vor sechsunddreißig Jahren abgenommen hat«, erklärte Ainslie ihm ruhig. »Wir haben Sie uns aus England beschafft, und sie sind mit Fingerabdrücken identisch, die wir auf einer Schreibtischuhr am Tatort entdeckt haben. An dieser Uhr haben wir auch Blut des Ermordeten gefunden.«
Nun herrschte sekundenlang Schweigen, bis Holdsworth bedrückt sagte: »Ja, ich erinnere mich, daß ic h die verdammte Uhr aufgehoben und auf den Schreibtisch zurückgestellt habe. Das war unüberlegt.«
»Warum haben Sie Byron Maddox-Davanal ermordet, Mr. Holdsworth?« fragte Ainslie.
Das Gesicht des Butlers spiegelte einen inneren Kampf wider. »Ich habe ihn nicht ermordet!« stieß er hervor. »Das ist kein Mord gewesen! Es war Selbstmord - der Dummkopf hat sich selbst erschossen!«
Damit war der Damm gebrochen. Holdsworth verbarg sein Gesicht in den Händen, wiegte den Kopf hin und her und sprach stockend weiter. »Ich habe Mrs. Davanal gesagt, daß das nicht funktionieren würde - weil die Polizei clever ist und alles herausbekommt. Aber sie hat nicht auf mich gehört, sie hat's besser gewußt, sie hat wieder mal alles gewußt! Aber sie hat sich getäuscht. Und jetzt das!« Als Holdsworth die Hände vom Gesicht nahm, hatte er Tränen in den Augen.
»Diese alte Sache in England«, murmelte er. »Der Grund für die Fingerabdrücke. Ich habe sie abgegeben, als... «
»Das wissen wir«, unterbrach Rodriguez ihn. »Eine Bagatelle, die längst verjährt ist.«
»Ich bin seit fünfzehn Jahren hier.« Holdsworth schluchzte jetzt. »Ich habe nie Schwierigkeiten mit der Polizei gehabt, aber plötzlich stehe ich unter Mordverdacht... «
»Stimmt alles, was Sie bisher ausgesagt haben, wird dieser Mordverdacht fallengelassen«, sagte Ainslie. »Aber Sie haben sich trotzdem strafbar gemacht, und wir verlangen von Ihnen rückhaltlose Offenheit - Antworten auf alle unsere Fragen, keine Ausflüchte mehr.«
»Fragen Sie, was Sie wollen.« Holdsworth setzte sich auf und hob den Kopf. »Ich erzähle Ihnen alles.«
Der tatsächliche Ablauf war verblüffend einfach.
Vor vier Tagen waren Holdsworth und Felicia Maddox-Davanal kurz nach halb sechs Uhr morgens durch einen Knall geweckt worden. Sie trafen sich mit hastig übergeworfenem Bademantel und Morgenrock im Erdgeschoß und betraten Byrons Arbeitszimmer, in dem sie ihn erschossen auffanden. In seiner rechten Hand hielt der Tote einen Revolver.
»Mir ist nur übel gewesen; ich habe nicht gewußt, was ich tun sollte«, erklärte Holdsworth den Kriminalbeamten. »Aber Mrs. Davanal war die Ruhe selbst. Sie ist schon immer stark gewesen. Sie hat angefangen, mir Anweisungen zu geben, weil wir beide geglaubt haben, als einzige Hausbewohner wach zu sein.«
Nach Aussage des Butlers hatte Mrs. Davanal ihm erklärt: »Niemand darf erfahren, daß mein Mann Selbstmord begangen hat.« Sie hatte hinzugefügt, für die Familie wäre das eine schreckliche Schande, und Mr. Theodore würde ihr nie verzeihen, wenn diese Tatsache öffentlich bekannt würde -deshalb müßten sie einen Mord vortäuschen.
»Ich habe versucht, ihr das auszureden«, berichtete Holdsworth. »Ich habe sie gewarnt, daß die Polizei clever ist und alles herausbekommt, aber sie hat nicht hören wollen. Sie hat gesagt, sie sei oft mit Fernsehreportern an Tatorten gewesen und wisse genau, was zu tun sei, damit alles nach einem Mord aussehe. Außerdem hat sie an meine Loyalität appelliert und mir erklärt, ich sei den Davanals einiges schuldig. Das stimmt natürlich, aber mir wär's lieber, ich hätte...«
»Bleiben wir bei den Tatsachen«, unterbrach Ainslie ihn. »Was ist mit der Waffe passiert?«
»Mrs. Davanal hat sie Mr. Byron aus der Hand genommen. Der Revolver ist eine der Waffen aus seinem Schrank gewesen.«
Ainslie erinnerte sich an Felicias Antwort auf seine Frage, ob sie im Arbeitszimmer ihres Mannes irgend etwas angefaßt, verändert oder bewegt habe: Ich habe mich einfach nicht dazu überwinden können, dicht an Byron oder den Schreibtisch heranzutreten.
»Wo ist der Revolver jetzt?«
Holdsworth zögerte. »Das weiß ich nicht.«
Rodriguez sah von seinen Notizen auf. »Doch, das wissen Sie! Oder Sie haben eine ziemlich gute Vorstellung davon.«
»Mrs. Davanal hat mich gefragt, wie sie die Waffe spurlos beseitigen könne. Ich habe ihr geraten, sie in einen Gully zu werfen. Der nächste ist praktisch vor unserem Haus.«
»Und hat sie das getan?«
»Das weiß ich nicht. Ich hab's lieber nicht wissen wollen. Ehrenwort!«
Rodriguez fragte weiter: »Und die falschen Spuren außerhalb des Hauses - die Fußabdrücke, die aufgebrochene Terrassentür? Wer ist das gewesen?«
»Das bin leider ich gewesen«, gab Holdsworth zu. »Ich habe die Tür mit einem großen Schraubenzieher aufgebrochen und die Spuren mit meinen Sportschuhen hinterlassen.«
»Ist das Mrs. Davanals Idee gewesen?«
Holdsworth nickte verlegen. »Nein, meine.«
»Wo sind der Schraubenzieher und die Schuhe jetzt?«
»Bevor die Polizei gekommen ist, bin ich an diesem Morgen die Straße entlang zu einer Baustelle gegangen und habe beides in einen Container geworfen. Er ist am Tag darauf abtransportiert worden; das habe ich gesehen.«
»Ist das alles?« fragte Ainslie.
»Ich glaube ja... Oh, da fällt mir noch etwas ein. Mrs. Davanal hat ein Handtuch, Seife und warmes Wasser geholt und Mr. Byrons Hand abgewaschen - die rechte Hand, in der er die Waffe gehalten hat. Damit keine Pulverspuren zurückbleiben, hat sie mir erklärt. Auch das hat sie von den Fernsehleuten gelernt.«