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»Wir lassen Holdsworth also laufen?«

»Natürlich. Niemand soll behaupten dürfen, die amerikanische Justiz behandle Reiche und weniger Reiche unterschiedlich. Ich setze den Haftbefehl außer Kraft.«

»Sie scheinen unser System skeptisch zu beurteilen, Counselor.«

»Das ist ein Leiden, das ich mir im Lauf der Jahre zugezogen habe, Malcolm. Sollten Sie von einem Mittel dagegen hören, lassen Sie's mich wissen.«

Damit schien der Fall Maddox-Davanal erledigt zu sein. Aber es gab noch zwei Postskripte. Eines davon war eine Nachricht für Ainslie, er solle Beth Embry anrufen.

Unter der Voraussetzung, nicht als Quelle genannt zu werden, hatte er Beth wie versprochen über alle Ereignisse auf dem laufenden gehalten. Allerdings war bisher noch keine Zeile unter ihrem Namen erschienen. Als er sie jetzt anrief, erkundigte er sich nach dem Grund dafür.

»Weil ich keine hartgesottene Reporterin mehr bin, sondern mein weiches Herz entdeckt habe«, erklärte Beth ihm. »Wollte ich über Byrons Selbstmord schreiben, müßte ich seine Spielschulden erwähnen, was nicht weiter schaden würde, aber auch die junge Frau benennen, der er ein Kind gemacht hat, und sie ist ein nettes Mädchen, dem ich nicht schaden will. Übrigens möchte ich, daß du sie selbst kennenlernst.«

»Du weißt, daß Felicia mit ihrer Behauptung gelogen hat, sie wisse nicht, warum Byron sich umgebracht hat.«

»Für Felicia gilt nur der Teil der Wahrheit, der ihr gerade paßt«, stimmte Beth zu. »Aber jetzt zu der jungen Frau. Sie hat eine Anwältin, die du bestimmt kennst - Lisa Kane.«

»Ja, die kenne ich.« Ainslie mochte Kane. Sie war jung und intelligent und arbeitete oft als Pflichtverteidigerin. Aber der Unterschied bei ihr war, daß sie sich trotz des niedrigen Honorars, das Pflichtverteidiger erhielten, mit unermüdlichem Eifer für ihre Mandanten einsetzte.

»Hättest du morgen Zeit für ein Treffen?«

Ainslie vereinbarte eine Uhrzeit.

Lisa Kane war achtundzwanzig, sah fünf Jahre jünger aus und hätte an manchen Tagen noch als Schülerin durchgehen können. Sie trug ihr rotes Haar sehr kurz, war auch ohne Makeup sehr hübsch und trug Jeans und ein T-Shirt aus Baumwolle, als sie sich mit Ainslie traf.

Ihr Treffpunkt war ein kleiner, heruntergekommener zweistöckiger Wohnblock in Liberty City, einem der berüchtigsten Viertel Miamis. Ainslie war mit einem neutralen Dienstwagen da; Lisa fuhr wie immer ihren uralten Käfer.

»Ich weiß nicht recht, warum ich hier bin«, behauptete er. Tatsächlich war er aus Neugier gekommen.

»Meine Mandantin und ich brauchen einen guten Rat, Sergeant«, erklärte Lisa ihm. »Beth hat gesagt, Sie könnten uns einen geben.« Sie stiegen die Treppe zum zweiten Stock hinauf, achteten darauf, nicht in Abfälle und Hundekot zu treten, und erreichten einen Balkon mit abbröckelndem Beton und rostigem Geländer. Lisa blieb vor einer der mittleren Türen stehen und klopfte an. Eine junge Frau Anfang Zwanzig öffnete ihnen. Sie lächelte, als sie Lisa sah, und sagte: »Bitte kommen Sie rein.«

Drinnen machte Lisa die beiden miteinander bekannt: »Das ist Serafine... Sergeant Ainslie.«

»Danke, daß Sie gekommen sind.« Die junge Frau streckte ihre rechte Hand aus, die Ainslie ergriff, während er sich in der Wohnung umsah.

Im Gegensatz zu dem heruntergekommenen Gebäude war dieses kleine Apartment makellos sauber. Die Einrichtung war seltsam zusammengewürfelt. Mehrere Möbelstücke - ein Bücherschrank, zwei Beistelltische und ein Fernsehsessel -sahen teuer aus; der Rest war billiger, aber sehr gepflegt. Ein Blick nach nebenan zeigte Ainslie ein ähnlich ordentliches Schlafzimmer.

Danach betrachtete er Serafine: eine attraktive, selbstbewußte junge Schwarze, die ein geblümtes T-Shirt und blaue Leggins trug. Ihre braunen Augen erwiderten Ainslies Blick ernst. Die junge Frau war im dritten oder vierten Monat schwanger.

»Tut mir leid, daß es draußen so aussieht«, sagte sie mit dunkler, weicher Stimme. »Byron wollte, daß ich...« Sie verstummte abrupt und schüttelte den Kopf.

Lisa Kane übernahm die Gesprächsführung. »Byron wollte für Serafine eine bessere Wohnung suchen, aber leider sind andere Dinge dazwischengekommen.« Sie machte eine Handbewegung. »Kommt, wir setzen uns.«

Als sie Platz genommen hatten, wandte Serafine sich nochmals an Ainslie. »Ich erwarte Byrons Kinder. Aber das wissen Sie vermutlich.«

»Kinder?«

»Mein Arzt hat's mir gestern gesagt. Ich bekomme Zwillinge.« Sie lächelte.

»Erst die Vorgeschichte«, sagte Lisa. »Byron Maddox-Davanal hat Serafine kennengelernt, weil sie ihn mit Drogen versorgt hat. Sie und ich kennen uns, seit ich sie als Dealerin auf Bewährung freibekommen habe. Sie ist nicht mehr im Geschäft, die Bewährungsfrist ist abgelaufen, und Byron hat vor seinem Tod monatelang keine Drogen mehr genommen; seine Drogenabhängigkeit ist ohnehin nie sehr stark gewesen.«

»Ich schäme mich trotzdem«, warf Serafine ein. Sie sah zu Ainslie hinüber, dann wich sie seinem Blick aus. »Aber meine Lage ist damals verzweifelt gewesen...«

»Serafine hat einen vierjährigen Sohn, für den sein Vater nie Alimente gezahlt hat«, fuhr Lisa fort. »Als alleinerziehende Mutter hat sie keinen Job finden können, und hier gibt es nicht viele Möglichkeiten, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«

»Ja, ich weiß«, sagte Ainslie verständnisvoll. »Aber wie ist das mit Maddox-Davanal gekommen?«

»Nun, man könnte sagen, Serafine und er hätten aufeinander reagiert; irgendwie haben sie ihre jeweiligen Bedürfnisse befriedigt. Jedenfalls ist Byron immer öfter hergekommen, um seinem anderen Leben zu entfliehen, und Serafine hat ihn entwöhnt; sie selbst hat nie Drogen genommen. Auch wenn sie sich vielleicht nicht geliebt haben, hat ihre Beziehung beide zufriedengestellt. Byron hatte etwas Geld, um Serafine zu unterstützen. Er hat ein paar Möbel gekauft und Serafine Geld für Essen und Miete gegeben, so daß sie als Dealerin aufhören konnte.«

Klar hat Byron Geld gehabt, dachte Ainslie. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wieviel.

»Und natürlich ist sie mit ihm ins Bett gegangen«, fügte Lisa hinzu.

Serafine warf ein: »Ich wollte nie schwanger werden, aber irgendwas ist schiefgelaufen. Als ich Byron davon erzählt habe, hat ihm das überhaupt nichts ausgemacht; er hat mir versprochen, sich weiter um uns zu kümmern. Aber irgendwas anderes hat ihn bedrückt, ihm wirklich Sorgen gemacht, und er hat einmal davon gesprochen, er säße in einer Falle. Kurz danach hat er aufgehört, zu mir zu kommen.«

»Das ist vor ziemlich genau einem Monat gewesen, und das Geld ist auch ausgeblieben«, berichtete Lisa. »Daraufhin ist Serafine hilfesuchend zu mir gekommen. Ich wollte Byron Maddox-Davanal anrufen, aber er ist nie erreichbar gewesen und hat nie zurückgerufen. Also habe ich mit meinem Anliegen bei der Anwaltsfirma Haversham vorgesprochen... «

Ainslie kannte diese Anwälte, die seit vielen Jahren die Interessen der Davanals vertraten. »Haben Sie was erreicht?« fragte er.

»Ja«, antwortete Lisa Kane, »und deshalb brauchen wir Ihren Rat.«

Die Anwaltsfirma Haversham, das berichtete Lisa, war clever genug, um auch eine unbekannte junge Kollegin ernst zu nehmen und respektvoll zu behandeln. Sie sprach mit Mr. Jaffrus, einem der Partner, der sich ihre Geschichte anhörte und ihr zusicherte, er werde Nachforschungen wegen der Ansprüche ihrer Mandantin anstellen. Einige Tage später rief er Lisa an und vereinbarte ein weiteres Treffen, das in der Woche vor Byron Maddox-Davanals Selbstmord stattfand.

»Sie haben gleich Nägel mit Köpfen gemacht«, erzählte Lisa jetzt Ainslie. »Nachdem offenbar festgestellt worden war, daß Byron der Vater sein mußte, hat Haversham Serafine Unterhaltszahlungen angeboten - allerdings unter der Bedingung: Der Name Davanal durfte niemals mit ihrem Kind in Verbindung gebracht werden, und es würde Mittel geben, um das zu garantieren.«