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Plötzlich fesselte ein als 27422-F registrierter bewaffneter Raubüberfall vom 18. April 1980 Rubys Aufmerksamkeit. An diesem Tag um 0.15 Uhr hatte sich vor dem Carousel Nite Club am Gratigny Drive in Miami Lakes ein Raubüberfall ereignet. Der mit einem Messer bewaffnete Täter hatte einen Mann namens Harald Baird um Geld und Schmuck erleichtert. Als Beute waren aufgezählt vierhundert Dollar in bar, zwei Ringe zu jeweils hundert Dollar und eine goldene Geldscheinklammer mit dem Monogramm »HB« im Wert von zweihundert Dollar. Der Täter wurde als »ungewöhnlich großer und kräftiger Weißer, Identität unbekannt«, beschrieben.

Mit einem Seufzer der Erleichterung tippte Ruby die Drucktaste des Geräts an und nahm den Bericht 27422-F in Empfang. Dann lehnte sie sich zurück und gönnte sich eine Pause, weil sie wußte, daß sie den Beweis dafür erbracht hatte, daß Doil bei seinem Tonbandgeständnis zumindest teilweise bei der Wahrheit geblieben war.

Nun weiter nach Tampa.

Von ihrem Schreibtisch bei der Mordkommission aus rief Ruby Bowe das Tampa Police Department an und wurde mit der Mordkommission der Kriminalpolizei verbunden, wo Detective Shirley Jasmund ihren Anruf entgegennahm.

»Wir haben Informationen über einen alten Fall, der sich bei Ihnen ereignet haben müßte«, erklärte Ruby ihr. »Es handelt sich um ein Ehepaar Ikei, das 1980 ermordet worden sein soll.«

»Sorry, damals bin ich noch zur Schule gegangen - in die dritte Klasse«, sagte Detective Jasmund kichernd. Dann wurde sie wieder ernst. »Irgendwo habe ich den Namen schon mal gehört, glaube ich. Wie wird er geschrieben?«

Jasmund notierte sich den Namen. »Das kann eine Zeitlang dauern«, meinte sie. »Am besten geben Sie mir Ihre Telefonnummer, damit ich Sie zurückrufen kann.«

Drei Stunden später klingelte Rubys Telefon, und sie hörte Jasmunds Stimme: »Wir haben die Akte gefunden, sieht interessant aus. Ein japanisches Ehepaar - beide über Siebzig -ist in seinem hiesigen Ferienhaus erstochen worden. Die Leichen hat man zur Bestattung nach Japan überführt. Einen Tatverdächtigen hat's nie gegeben, steht hier.«

»Irgendwelche Einzelheiten über den Tatort?« fragte Ruby.

»Jede Menge!« Ruby hörte ihre Kollegin umblättern. »Hier steht, daß der Täter ungewöhnlich brutal vorgegangen ist... Die Ermordeten sind mißhandelt worden; sie haben sich gefesselt und geknebelt gegenübergesessen... Ein größerer Geldbetrag ist gestohlen worden, und... Augenblick, hier steht etwas Merkwürdiges... «

»Was?«

»Moment, ich lese noch... Neben den Toten ist ein Briefumschlag gefunden worden. Er ist mit Siegelwachs verschlossen gewesen, mit einem Kreis aus sieben Punkten, und hat ein bedrucktes Blatt enthalten - eine Seite aus der Bibel.«

»Steht da auch, aus welchem Teil der Bibel?«

»Nein... Doch! Aus der Offenbarung.«

»Das ist der Fall, den ich meine!« sagte Ruby aufgeregt. »Hören Sie, wir haben so viele Informationen auszutauschen, daß ich am besten zu Ihnen rauffliege. Wäre Ihnen morgen vormittag recht?«

»Augenblick, ich frage meinen Sergeant.«

Im Hintergrund waren gedämpfte Stimmen zu hören, dann meldete Jasmund sich wieder: »Morgen paßt's gut. Hier sind alle neugierig - auch unser Captain, der mitgehört hat. Ich soll Ihnen ausrichten, daß die Familie Ikei noch immer jedes Jahr aus Japan anruft, um zu fragen: >Gibt's was Neues?< Daher war mir der Name bekannt.«

»Sagen Sie dem Captain, daß er beim nächsten Anruf aus Japan vielleicht den Mörder benennen kann. «

»Wird gemacht. Rufen Sie mich an, sobald Sie die Ankunftszeit wissen, dann lassen wir Sie von einem Streifenwagen am Flughafen abholen.«

Der Flug mit einer Morgenmaschine der Gulfstream Airlines von Miami nach Tampa dauerte fünfundsechzig Minuten, so daß Ruby Bowe um 8.30 Uhr im City of Tampa Police Department eintraf. Detective Shirley Jasmund holte sie am Empfang ab und ging mit ihr ins Detective Bureau, und die beiden Frauen schwarz und weiß - fanden sich sofort sympathisch. »Inzwischen wissen alle von Ihnen«, sagte Jasmund. »Sogar der Chef hat von diesem alten Fall mit den Japanern gehört. Wenn wir fertig sind, will er einen Abschlußbericht.«

Jasmund, eine lebhafte Mittzwanzigerin, hatte braune Augen, schwarzes Haar, hohe Wangenknochen und eine schlanke Figur, um die Ruby, die in letzter Zeit ein paar Pfund zugelegt hatte, sie beneidete. Du mußt dringend eine Diät machen, Schätzchen, sagte sie sich zum x-ten Mal.

»Wir haben eine Besprechung angesetzt«, erklärte Jasmund ihr. »Mit Sergeant Clemson, Detective Yanis und mir.«

»Die Angehörigen rufen uns Jahr für Jahr an«, sagte Detective Sandy Yanis von der Mordkommission zu Ruby, »weil Japaner ihre Vorfahren ehren. Deshalb haben sie die Toten zur Beisetzung in die Heimat überführen lassen und finden keine Ruhe, bis der oder die Täter gefaßt und bestraft sind.«

»Vielleicht finden sie bald Ruhe«, antwortete Ruby. »Mit achtundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit ist der Mörder Elroy Doil gewesen, der vor drei Wochen in Raiford wegen eines anderen Verbrechens hingerichtet worden ist.«

»Tatsächlich? Ja, das habe ich gelesen.«

Detective Yanis, offensichtlich ein Veteran, war groß und hager und Ende Fünfzig. Eine lange Narbe auf der linken Backe, die von einem Messerstich zu stammen schien, gab seinem faltigen Gesicht einen verwegenen Ausdruck. Sein schütteres graues Haar war unordentlich zurückgekämmt. Fast auf der Nasenspitze saß eine Lesebrille; meist ging sein durchdringender Blick jedoch über die halbmondförmigen Gläser hinweg.

»Was Doil betrifft, sprechen Sie von achtundneunzigprozentiger Sicherheit«, sagte er zu Ruby. »Was ist mit den restlichen zwei Prozent?«

»Auf einem Friedhof hier in Tampa soll ein Messer vergraben sein. Finden wir's, werden aus diesen achtundneunzig Prozent hundert.«

»Wir wollen hier kein Quiz veranstalten«, wandte Sergeant Clemson ein, der ungefähr zwanzig Jahre jünger als Sandy Yanis war. »Mich interessieren Tatsachen.«

»Also gut.« Ruby berichtete wieder einmal, wie Elroy Doil vor seiner Hinrichtung vierzehn Morde gestanden hatte -darunter auch den an dem Ehepaar Ikei in Tampa, von dem niemand in Miami wußte -, während er den ihm zugeschriebenen Mord an dem Ehepaar Ernst strikt geleugnet hatte.

»Er ist ein pathologischer Lügner gewesen, deshalb hat ihm anfangs niemand geglaubt«, fuhr Ruby fort. »Aber jetzt sind Zweifel entstanden, und ich habe den Auftrag, alle seine Aussagen zu überprüfen.«

»Haben Sie schon eine widerlegen können?« fragte Jasmund.

»Bisher nicht.«

»Stimmt jetzt noch, was er über Tampa gesagt hat«, stellte Yanis fest, »haben Sie einen weiteren ungelösten Mord am Hals.«

Ruby Bowe nickte. »Einen Nachahmungstäter.«

»Was ist mit dem Messer auf einem Friedhof?« wollte Clemson wissen.

Ruby las aus ihrem Notizbuch vor, was Doil ausgesagt hatte: »>Gleich neben dem Haus der Ikeis liegt ein Friedhof. Ich hab' das Messer loswerden wollen, hab's in einem Grab verbuddelt. Wissen Sie, was auf dem Grabstein gestanden hat? Derselbe Familienname wie meiner! Ich hab' ihn gesehen und gewußt, daß ich mich daran erinnern würde, wenn ich das Scheißmesser mal zurückhaben wollte. Aber ich hab's mir nie mehr geholt.<

Frage: >Sie haben das Messer in einem Grab versteckt? Tief vergraben?<

Antwort: >Nein, nicht tief.<«

Clemson schlug die alte Ermittlungsakte auf. »Hier steht die Adresse des Ehepaars Ikei: 2710 North Mantanzas Street. Liegt dort in der Nähe ein Friedhof?«

»Klar«, sagte Yanis. »Die Mantanzas Street stößt auf die St. John Street, und gleich dahinter liegt ein kleiner, alter Friedhof, der Marti Cemetery heißt. Er gehört der Stadt.«

»Falls Sie's noch nicht gemerkt haben sollten - Sandy ist unser wandelndes Lexikon«, sagte Clemson zu Ruby Bowe. »Er ist schon immer hier, vergißt nichts und kennt die hintersten Winkel der Stadt. Deshalb macht er so ziemlich, was er will, und wir finden uns mit seinen Eigenarten ab.«