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Dann kamen Lazaro und Luisa Urbina, die in Miami ermordet worden waren. Ein Nachbar hatte das laut plärrende Radio abgestellt, um 911 anrufen zu können, aber die Einstellung auf HOT 105 nicht verändert.

Als Gustav und Eleanor Ernst von Theo Palacio, ihrem Butler, tot aufgefunden worden waren, hatte ebenfalls ein Radio laut gespielt. Auch Palacio hatte es abgestellt, aber das Gerät war auf WTMI, 93,1 MHz, eingestellt - »Mrs. Ernsts liebster Sender«, weil er Musicals und klassische Musik brachte. WTMI sendete niemals harte Rockmusik.

War die Art der an den Tatorten gespielten Musik irgendwie bedeutsam? Ainslie neigte zu dieser Auffassung - vor allem in Verbindung mit einem weiteren Unterschied im Mordfall Ernst: dem neben den Ermordeten zurückgelassenen toten Kaninchen, das er von Anfang an nicht für ein Symbol aus der Offenbarung gehalten hatte.

Konnte der Täter, der die Ernsts ermordet hatte, von den vier toten Katzen im Mordfall Frost gewußt und irrtümlicherweise geglaubt haben, jedes tote Tier sei recht? Auch diese Frage ließ sich wahrscheinlich mit ja beantworten.

Bedeutsam war auch, daß Ainslie im Kollegenkreis erst einen Tag nach der Ermordung des Ehepaars Ernst auf die Offenbarung des Johannes hingewiesen hatte; zuvor hatte es nur unbewiesene Vermutungen über die an den Tatorten zurückgelassenen Symbole gegeben.

Ein weiterer Zeitfaktor warf ebenfalls Fragen auf.

Nach jedem der Morde an den Ehepaaren Frost, Larsen, Hennenfeld und Urbina war die Zeitspanne bis zum nächsten Mord nie kürzer als zwei Monate gewesen und hatte durchschnittlich zwei Monate und zehn Tage betragen. Aber zwischen der Ermordung der Urbinas und dem Mord an dem Ehepaar Ernst hatten nur drei Tage gelegen.

Als ob die Ermordung der beiden Ernsts für einen Zeitpunkt geplant gewesen wäre, dachte Ainslie, der dem gewohnten Abstand entsprochen hätte, wenn der Mord an dem Ehepaar Urbina nicht dazwischengekommen wäre. Und war es vielleicht zu spät gewesen, die Vorbereitungen im Fall Ernst abzublasen, obwohl die Ermordung der Urbinas rasch gemeldet worden war?

Ainslie hatte flüchtig einen Verdacht, den er jedoch wieder verwarf.

Obgleich bei Elroy Doils letztem Mord - dem an Kingsley und Nellie Tempone - einige der charakteristischen Hinweise auf Doils Täterschaft fehlten, was daran liegen mochte, daß er überrascht worden war und zu fliehen versucht hatte, entsprach der Zeitpunkt ziemlich genau seinem bisherigen Verhaltensmuster, zu dem Ainslie eine Theorie hatte.

Nach Ainslies Überzeugung war Doil, auch wenn er vor Gericht als zurechnungsfähig gegolten hatte, geistesgestört gewesen. Traf diese Annahme zu, konnte er unter dem Zwang gestanden haben, in regelmäßigen Zeitabständen Menschen umzubringen, und im Fall des Ehepaars Tempone war tragischerweise wieder einmal die Zeit zum Morden gekommen.

Aber diese Theorie würde sich nicht mehr beweisen lassen, das wußte Ainslie.

Unmittelbar nach seinen zweitägigen Nachforschungen stattete Ainslie der Asservatenkammer der Miami Police einen Besuch ab.

Die Asservatenkammer, eine wichtige Dienststelle, in der meistens Hochbetrieb herrschte, war im Keller des Polizeipräsidiums untergebracht. Captain Wade Iacone, ein schwergewichtiger, grauhaariger Veteran mit neunundzwanzig Dienstjahren, der es leitete, empfing Ainslie in seinem Büro.

»Genau der Mann, den ich brauche! Wie geht's, Malcolm?«

»Gut, Sir. Danke.«

Iacone winkte ab. »Keine Formalitäten, Malcolm. Ich wollte Ihnen gerade eine Erinnerung wegen des Materials im Fall Doil schicken. Nachdem der Kerl jetzt tot ist und die Ermittlungen abgeschlossen sind, möchten wir einen Haufen Zeug loswerden. Wir brauchen den Lagerraum dringend.«

Ainslie verzog das Gesicht. »Diese Erinnerung können Sie vergessen, Wade. Einer der Fälle wird neu aufgerollt.«

»Wieso das?« fragte der Captain.

»Einer der Serienmorde ist vielleicht nicht restlos aufgeklärt, deshalb muß das sichergestellte Material dableiben. Aber Sie haben von einem >Haufen Zeug< gesprochen. Ist wirklich soviel da?«

»Anfangs ist's nicht viel gewesen - bis zur Ermordung von Commissioner Ernst und seiner Frau«, antwortete Iacone. »Danach ist ein Berg Material gekommen. Lauter versiegelte Kartons. Ihre Leute haben viel sichergestellt, weil der Fall so wichtig gewesen ist.«

»Darf ich die Kartons mal sehen?«

»Klar.«

Der Dienststellenleiter führte ihn durch Büros und Lagerräume, in denen zwanzig Mitarbeiter - fünf Polizeibeamte und fünfzehn Zivilbedienstete - erstaunliche Ordnung in das sie umgebende Chaos brachten. Jeder Gegenstand ließ sich unabhängig von seiner Lagerdauer, die zwanzig und mehr Jahre betragen konnte, in Minutenschnelle lokalisieren, indem man einem Computer die Fallnummer, einen Namen oder das Einlieferungsdatum eingab.

Iacone demonstrierte dieses Verfahren, indem er unbeirrbar auf über ein Dutzend großer Kartons zusteuerte, die mit Klebeband mit dem Aufdruck TATORTMATERIAL verschlossen waren. »Die sind gleich nach der Ermordung der Ernsts reingekommen«, berichtete er. »Ich glaube, Ihre Leute haben eine Menge Zeug - vor allem schriftliche Unterlagen - aus dem Haus mitgenommen, um es hier sichten zu können, aber das ist anscheinend nie gemacht worden.«

Ainslie konnte sich vorstellen, was passiert war. Unmittelbar nach der Ermordung der Ernsts hatte seine Sonderkommission mit der sehr personalintensiven Überwachung Verdächtiger begonnen. In dieser Zeit war das sichergestellte Material vorerst in der Asservatenkammer geblieben. Und als Doil nach dem Mord an dem Ehepaar Tempone verhaftet und verurteilt worden war, hatte auch der Fall Ernst als abgeschlossen gegolten. Deshalb war der Inhalt dieser vielen Kisten offenbar nie unter die Lupe genommen worden.

»Ich kann Ihnen das Zeug leider nicht abnehmen«, erklärte Ainslie dem Captain, »aber wir holen jeweils ein paar dieser Kisten ab, sichten den Inhalt und bringen sie wieder zurück.« Iacone zuckte mit den Schultern. »Das ist Ihr Recht, Malcolm.«

»Danke«, sagte Ainslie. »Vielleicht werden wir fündig.«

13

»Ich möchte«, sagte Ainslie zu Ruby, »daß Sie den Inhalt aller dieser in der Asservatenkammer stehenden Kartons sichten.«

»Suchen wir irgendwas Bestimmtes?«

»Ja - etwas, das uns auf die Spur des Mörders der Ernsts führt.«

»Aber Sie können nichts Genaueres sagen?«

Ainslie schüttelte den Kopf. Eine schlimme Vorahnung, die er sich nicht erklären konnte, warnte ihn vor dem unerforschten Terrain, das vor ihm lag. Wer hatte Gustav und Eleanor Ernst ermordet - und warum? Die Antwort darauf würde nicht ganz unproblematisch sein, dessen war er sich sicher. Dann fiel ihm das Land der Finsternis und des Dunkels aus dem Buch Hiob ein. Ein Instinkt sagte ihm, daß er es betreten hatte, und er wünschte sich plötzlich, diese Ermittlungen abgeben zu können.

Ruby beobachtete ihn. »Irgendwas nicht in Ordnung?«

»Ich weiß nicht.« Er rang sich ein Lächeln ab. »Sehen wir erst mal nach, was diese Kartons enthalten.«

Die beiden standen in einem weit von den Büros der Mordkommission entfernten winzigen Raum. Ainslie hatte ihn sich vorübergehend zuteilen lassen, weil ihre neuen Ermittlungen auf Wunsch Leo Newbolds möglichst geheimgehalten werden sollten. Das Büro enthielt nur einen Tisch, zwei Stühle und ein Telefon, aber es würde ausreichen.

»Wir gehen in die Asservatenkammer hinunter«, erklärte er Ruby, »und ich veranlasse, daß Sie einen Karton nach dem anderen mitnehmen können. Die Arbeit dürfte nicht länger als ein paar Tage dauern.«

Wie sich zeigen sollte, lag er damit völlig falsch.

Nach zwei Wochen suchte Ainslie Ruby ziemlich ungeduldig zum drittenmal in ihrer vorläufigen Unterkunft auf. Wie bei seinen beiden früheren Besuchen traf er sie zwischen Stapeln von Papier sitzend - viele davon auf dem Fußboden verstreut an.