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Cynthia trank einen Schluck Diet Coke, bevor sie halblaut fragte: »Vergißt du dabei nicht etwas?«

»Du meinst vermutlich das Geld.« Als sie nickte, fuhr er sich mit seiner Zungenspitze über die Lippen.

»Ich hab's mitgebracht, um es dir zu geben.« Cynthia berührte den neben ihr liegenden Aktenkoffer. »Macht nichts, ich nehm's wieder mit.« Sie griff nach dem Aktenkoffer, stand auf um zu gehen, blieb dann aber stehen und sah auf Patrick hinunter.

»Ich bezahle an der Kasse für dich mit. Schließlich wirst du jeden Cent, den du noch besitzt, für einen Strafverteidiger brauchen, und ich schlage vor, daß du dir gleich morgen einen suchst. Solltest du dir keinen leisten können, bekommst du auf Staatskosten einen Pflichtverteidiger. Die sind allerdings nicht sehr gut, fürchte ich.«

»Bleib hier!« Jensen hielt sie am Arm fest und sagte müde: »Um Himmels willen, setz dich doch wieder.«

Cynthia nahm erneut Platz, schwieg aber hartnäckig.

Seine Stimme klang resigniert. »Okay, wenn du darauf wartest, daß ich's ausspreche: Ich ergebe mich... zum zweitenmal. Ich weiß, daß du alle Trümpfe in der Hand hältst, und ich weiß, daß du sie bedenkenlos ausspielen würdest. Machen wir also dort weiter, wo wir aufgehört haben.«

»Willst du das wirklich?« fragte Cynthia.

Er nickte schicksalsergeben. »Klar.«

»Dann merk dir, daß die Sache möglichst genau Mitte August steigen muß.« Sie sprach wieder so geschäftsmäßig, als hätten die letzten paar Minuten sich nie ereignet. »Wir dürfen uns längere Zeit nicht mehr treffen. Du kannst mich notfalls zu Hause anrufen, aber mach's kurz und sei vorsichtig mit dem, was du sagst. Und wenn du mir das Datum durchgibst, zählst du fünf Tage dazu, die ich dann wieder abziehe. Ist das klar?«

»Alles klar.«

»Sonst noch Fragen?«

»Nur eine«, antwortete Jensen. »Von dem ganzen Verschwörergerede hab' ich echt 'nen Steifen gekriegt. Wie wär's damit?«

Sie lächelte. »Ich kann's kaum noch erwarten. Komm, wir verschwinden und suchen uns ein Motel.«

Als sie gemeinsam das Restaurant verließen, sagte Cynthia plötzlich: »Hier, paß gut auf ihn auf.« Sie drückte ihm den Aktenkoffer in die Hand.

Obwohl Jensen sich Cynthia gegenüber zum Mitmachen verpflichtet und ihr Geld angenommen hatte, wurde er weiter von Zweifeln geplagt. Und ihr Vorschlag, er solle sich einen Rechtsanwalt suchen, brachte ihn auf eine Idee.

Im Downtown Athletic Club in Miami spielte Patrick immer dienstags Racquetball mit einem Mitglied namens Stephen Cruz. Die beiden Männer hatten sich dort kennengelernt und gingen nach vielen Monaten auf dem Spielfeld freundschaftlich locker miteinander um. Von anderen Clubmitgliedern und aus Medienberichten wußte Jensen, daß Cruz ein erfolgreicher Strafverteidiger war. Als sie eines Nachmittags nach einem harten, befriedigenden Spiel duschten, fragte Jensen impulsiv: »Stephen, könnte ich mich an dich wenden, falls ich mal mit dem Gesetz in Konflikt käme und Hilfe brauchte?«

Cruz starrte ihn verblüfft an. »Hey, du hast doch hoffentlich nichts... «

Patrick schüttelte den Kopf. »Nein, nein, das ist nur so eine Idee gewesen.«

»Brauchst du mich, bin ich natürlich für dich da.« Damit ließen sie es bewenden.

5

Exakt zweihunderttausend Dollar in bar. Patrick Jensen hatte das Geld in seinem Schlafzimmer gezählt - nicht Banknote für Banknote, was zu lange gedauert hätte, sondern indem er die Scheinbündel nur durchgeblättert und die auf den Banderolen angegebenen Summen zusammengezählt hatte. Zu seiner Erleichterung waren die Zwanziger und Fünfziger, aus denen etwa die Hälfte der Summe bestand, gebraucht und abgegriffen, während es sich bei den restlichen Hundertern um die 1996 eingeführten fälschungssicheren Scheine handelte.

Er vermutete, daß Cynthia genau angegeben hatte, was für Scheine sie wollte - das war für ihre Gründlichkeit typisch -, und das Geld vermutlich auf mehreren Flügen von den Cayman Islands mitgebracht hatte. Jede Einfuhr von über zehntausend Dollar war ohne entsprechende Zollerklärung illegal, aber Cynthia hatte ihm einmal erzählt, als hiesige und besonders als hohe Polizeibeamtin werde man in Miami vom Zoll selten belästigt, wenn man diskret seine Dienstplakette vorweise.

Cynthia ahnte natürlich nicht, daß Patrick von ihrem Millionenvermögen auf den Caymans wußte. Vor vier Jahren hatte er im Hyatt Regency auf Grand Cayman die Gelegenheit genutzt, Cynthias Aktenkoffer zu durchsuchen, als sie sich im Bad die Haare wusch. Unter anderen Papieren war er auf einen Kontoauszug einer hiesigen Bank gestoßen, bei der Cynthia ein Guthaben von über fünf Millionen Dollar hatte.

Ohne zu wissen, ob diese Informationen verwertbar waren, ob er sie jemals würde verwerten können, hatte er sich rasch einige Angaben notiert; am liebsten hätte er Fotokopien angefertigt, aber dafür reichte die Zeit nicht aus. Wenige Minuten später standen die wichtigsten Einzelheiten in seinem Notizbuch: der Name ihrer hiesigen Bank, Cynthias Kontonummer und der letzte Saldo; der Name ihres Steuerberaters und seine Anschrift in Fort Lauderdale; Datum und Geschäftszeichen eines Schreibens der Steuerbehörde wegen steuerfreier Geldgeschenke ihres Onkels Zachary Ernst. Später trennte Jensen die Seite aus seinem Notizbuch, schrieb das Datum darauf, zeichnete die Eintragungen ab und verwahrte das Blatt sorgfältig.

Jensen hatte einen weiteren instinktiven Verdacht in bezug auf Cynthias Millionenvermögen auf diesem Bankkonto: Sie hielt es nicht für richtiges Geld und hätte es vermutlich nie für sich verwendet; deshalb würde ihr ziemlich egal sein, wieviel sie abhob und wer das Geld bekam. Er war sich beispielsweise sicher, daß Cynthia den Verdacht hegte, er habe die für Virgilio benötigte Summe absichtlich viel zu hoch angesetzt, um einen Teil dieses Geldes für sich abzweigen zu können - zusätzlich zu dem hohen Betrag, den er nach der Tat erhalten sollte.

Jensen wollte sie natürlich betrügen und hatte nicht die Absicht, Virgilio für den Mord an dem Ehepaar Ernst mehr als achtzigtausend, notfalls hunderttausend Dollar zu bieten. Patrick lächelte, während er darüber nachdachte, als er das Geld wieder in den Aktenkoffer packte. Und diese gehobene Stimmung hielt an und erwies sich als wirkungsvolles Mittel gegen die Ängste und Zweifel, die ihn in dem Restaurant in Homestead geplagt hatten.

Fünf Tage später wurde kurz nach neunzehn Uhr in Jensens Apartment im zweiten Stock eines Hauses in der Brickell Avenue geklingelt. Der Klingelknopf befand sich unten auf der Namenstafel neben dem Eingang. Jensen betätigte die Ruftaste der Sprechanlage und sagte: »Ja, bitte?« Als sich niemand meldete, wiederholte er seine Frage. Als erneut keine Antwort kam, wandte er sich schulterzuckend ab.

Ein paar Minuten später wiederholte sich dieser Vorgang. Jensen war irritiert, ohne sich viel Gedanken darüber zu machen; manchmal spielten die Nachbarskinder mit den Klingelknöpfen. Beim drittenmal fiel ihm jedoch ein, daß das eine Nachricht sein könnte, so daß er mit leichtem Unbehagen seine Wohnung verließ und ins Erdgeschoß hinunterging. Aber außer einem Hausnachbarn, der von der Straße hereinkam, war die Eingangshalle menschenleer.

Jensen hatte seinen Volvo draußen auf der Straße geparkt. Einem Impuls folgend verließ er das Gebäude, ging darauf zu und sah zu seiner Verblüffung eine Gestalt, die den Beifahrersitz ausfüllte; Sekunden später erkannte er sie als Virgilio. Er wußte genau, daß er den Wagen abgeschlossen hatte; als er jetzt mit seinem Schlüssel die Fahrertür aufsperrte, wollte er fragen: »Wie zum Teufel bist du hier reingekommen?« Aber diese Frage konnte e~ sich sparen. Virgilio hatte seine vielfältigen Talente schon unter Beweis gestellt.

Die gewaltige Pranke des Kolumbianers deutete nach vorn. »Fahr«, sagte er.

Jensen, der am Steuer saß, ließ den Motor an und fragte: »Wohin?«