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»Wo's ruhig ist.«

Nach zehn Minuten ziellosen Herumfahrens lenkte Jensen das Auto auf den Parkplatz eines geschlossenen Eisenwarengeschäfts, stellte den Motor ab, schaltete die Scheinwerfer aus und wartete.

»Du jetzt sprechen«, befahl Virgilio ihm. »Du hast Job für mich?«

»Ja.« Patrick sah keinen Grund, nicht sofort zur Sache zu kommen. »Ich habe Freunde, die zwei Leute beseitigen lassen möchten.«

»Wer deine Freunde?«

»Das erfährst du nicht. Das ist für alle sicherer.«

»Okay.« Virgilio nickte zustimmend: »Die sterben sollen... wichtige Leute?«

»Ja. Einer ist ein City Commissioner.«

»Dann kostet viel Geld.«

»Ich zahle dir achtzigtausend Dollar«, sagte Jensen.

»Reicht nicht.« Der Kolumbianer schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Viel mehr. Hundertfünfzig.«

»Soviel habe ich nicht. Ich könnte vielleicht hunderttausend kriegen, aber nicht mehr.«

»Dann kein Deal.« Virgilio legte seine Hand auf die Tür, schien aussteigen zu wollen, ließ die Hand sinken. »Hundertzwanzig. Hälfte jetzt, Hälfte nach dem Job.«

Schluß mit dieser Feilscherei, dachte Jensen, der nur bedauerte, nicht mit einem niedrigeren Betrag wie fünfzigtausend angefangen zu haben. Trotzdem würden ihm auch so achtzigtausend Dollar bleiben - plus die zweihunderttausend, die Cynthia ihm nach der Tat versprochen hatte. Und Patrick wußte, daß sie Wort halten würde.

»Die sechzigtausend sind in zwei Tagen abholbereit«, sagte er. »Du kannst mich wieder wie heute abend verständigen.«

Der große Mann grunzte etwas Zustimmendes, dann zeigte er aufs Lenkrad. »Wo diese Leute wohnen? Zeig's mir.«

Warum eigentlich nicht? dachte Jensen. Er ließ den Motor wieder an, fuhr zum Biscayne Boulevard, folgte ihm bis nach Bay Point und hielt dort kurz vor dem Tor an der Einfahrt zu der exklusiven Wohnsiedlung.

»Das Haus liegt innerhalb des eingezäunten Geländes«, erklärte er Virgilio. »Der Zaun ist bestimmt elektronisch gesichert und wird vom Sicherheitsdienst überwacht.«

»Ich finde Weg hinein. Hast du Karte mit Haus?«

Patrick öffnete das Handschuhfach seines Wagens und holte eine Fotokopie der Werbebroschüre heraus, die Cynthia ihm vor fünf Tagen gegeben hatte. Das Original bewahrte er an einem sicheren Ort auf. Er zeigte Virgilio den Lageplan, auf dem eines der Häuser durch ein Kreuz markiert war, und wies auf Cynthias handschriftliche Anmerkung hin:

DM - kommtfrüh, geht um 16 h

EP - Donnerstagabend bis Mitternacht

»Das ist wichtig«, sagte Jensen und setzte Virgilio auseinander, wann das Dienstmädchen arbeitete und wann der Butler und seine Frau einmal pro Woche außer Haus waren.

»Gut!« Virgilio steckte die Fotokopie ein. Er hatte aufmerksam zugehört, zweimal nachgefragt, weil ihm Einzelheiten nicht klar waren, und dann genickt, wenn er alles verstanden hatte. Unabhängig davon, was er sonst noch sein mochte, war er jedenfalls intelligent.

Als nächstes sprach Jensen über die erforderliche Übereinstimmung mit zwei in letzter Zeit verübten Doppelmorden und erläuterte den Grund dafür. »Das ist auch für dich vorteilhaft«, unterstrich er, und Virgilio nickte zustimmend. Dann beschrieb er die Punkte, auf die es ankam: Am Tatort mußte ein totes Tier, vielleicht ein Kaninchen, zurückbleiben; ein Radio mußte plärrend laut harte Rockmusik spielen - die hiesige Station HOT 105... »Kenn' ich«, warf Virgilio ein... Keine Fingerabdrücke... Virgilio nickte energisch... Alles Geld aus den Taschen der Opfer und in ihrer näheren Umgebung mußte verschwinden, aber Schmuck durfte nicht angerührt werden... Eine zustimmende Handbewegung... Ein Messer als Tatwerkzeug. »Ein Bowiemesser, verstehst du? Kannst du eines besorgen?«... Virgilio: »Ja.«... Jensen wiederholte Cynthias Beschreibung der beiden anderen Tatorte - die Opfer, die sich gefesselt und geknebelt gegenübersaßen, und die häßliche Brutalität...

»Du mußt dir verdammt viel merken. Hast du alles?«

Der Kolumbianer tippte sich mit dem Zeigefinger an seine Stirn. »Okay, alles da drin.«

Als nächstes sprachen sie über ein mögliches Datum, wobei Jensen sich daran erinnerte, daß Cynthia möglichst einen Termin Mitte August wollte.

»Ich gehe weg, dann komme wieder«, sagte der Kolumbianer, und Patrick erriet, daß er die sechzigtausend Dollar Anzahlung in seine Heimat bringen wollte.

Schließlich einigten sie sich auf den 17. August.

Kurz bevor sie Jensens Apartmentgebäude erreichten, wiederholte Virgilio sinngemäß seine Warnung aus der Nacht des Rollstuhlmords: »Hey, du legst mich rein, ich bring' dich um, verstanden?«

»Virgilio, ich würde dich niemals reinlegen«, versicherte Jensen ihm aufrichtig. Gleichzeitig beschloß er, nach der Ermordung des Ehepaars Ernst einen weiten Bogen um Virgilio zu machen. Er war imstande, jeden zu ermorden - auch Patrick Jensen -, um seine Fährte zu verwischen.

An diesem Abend rief er Cynthia an, nannte aber keinen Namen und sagte nur: »Das Datum ist der 22. August.«

Sie zog in Gedanken fünf Tage ab und antwortete: »Ja, ich verstehe.« Dann legte sie auf.

6

Cynthia Ernst hielt sich seit acht Tagen in Los Angeles auf, als sie die Schreckensnachricht von der Ermordung ihrer Eltern erhielt. In dieser Zeit hatte sie das Gefühl, zwei Leben zu führen: eines bei angehaltener Uhr in gespannter Erwartung der erlösenden Nachrichten, das andere normal, routinemäßig, sogar prosaisch.

Offiziell war sie nach L.A. gekommen, um vor ausgewählten Beamten des L.A. Police Departments eine Reihe von Vorträgen über die in Miami gemachten Erfahrungen mit Kommunalarbeit zu halten - eine Vortragsreihe, von der schon viele Police Departments profitiert hatten. Außerdem wollte sie ein paar Urlaubstage bei ihrer alten Freundin Paige Burdelon aus der Pine Crest School verbringen, die jetzt als Vizepräsidentin bei Universal Pictures in Brentwood lebte.

Nachdem Cynthia am 27. Juni von Patrick Jensen gehört hatte, daß der langersehnte Tag der 17. August sein würde, traf sie ihre Vorbereitungen, um am 10. August nach Kalifornien zu fliegen. Der Miami Herald meldete ihre Vortragsreise in Joan Fleischmans vielgelesener Kolumne »Talk Of Our Town« - auf ein freundliches Telefongespräch hin, das Cynthia am Tag vor ihrer Abreise geführt hatte. Auf Veranlassung von Commander Winslow McGowan, der Cynthias Kollege und Ansprechpartner im LAPD war, brachte die Los Angeles Times eine ähnliche Notiz. So waren ihr Abflug von der Ostküste und ihre Ankunft an der Westküste bestens dokumentiert.

Paige Burdelon war begeistert, als sie von Cynthias Reiseplänen hörte. »Du mußt unbedingt bei mir wohnen!«, jubelte sie am Telefon. »Seit Biffy und ich uns getrennt haben, irre ich in dieser Riesenwohnung wie eine Fremde im eigenen Heim umher. Komm schon, Cynthia, wir werden uns herrlich amüsieren, ich versprech's dir!«

Cynthia nahm die Einladung dankend an und fuhr vom Flughafen aus direkt zu Paige.

Cynthias Vortragsreihe beim LAPD, sechs einstündige Vorträge im Zeitraum von zwei Wochen, begann einen Tag nach ihrer Ankunft. Ihr in einem Konferenzsaal des Polizeipräsidiums versammeltes Publikum bestand aus achtzig ausgesuchten Beamtinnen und Beamten aller achtzehn LAPD-Abteilungen - ein Querschnitt durch alle Dienstgrade und Hautfarben, ungefähr zwei Drittel in Uniform, der Rest in Zivil. Das LAPD versuchte gerade, eine flächendeckend arbeitende Polizei, über die viele Jahre ein Despot geherrscht hatte, in bürgernahe kleinere Police Departments umzuwandeln. Miami, das diesen Prozeß schon früher erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde landesweit als nachahmenswerter Prototyp angesehen.

Trotz anfänglicher Skepsis erhielt Cynthia zuletzt lauten Beifall und mußte anschließend so viele Fragen beantworten, daß ihr erster Vortrag über eine halbe Stunde länger als geplant dauerte.