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Fidelma schüttelte energisch den Kopf.

»Erca hasst alle Christen, aber er ist nicht der Täter. Er hat einfach nur meinen Verdacht bestätigt, dass man die Kräuter mit starker betäubender Wirkung, die ich in der Schale festgestellt hatte, in der näheren Umgebung sammeln kann. Dieser Mord wurde aus einem viel persönlicheren Motiv begangen, als es der Hass auf alle Christen ist.«

Sie drehte sich herum und sah in Rimids bleiches Gesicht. Seine Lippen bebten.

»Sie versucht, die Schuld mir zuzuschieben!«, rief er.

Auch der Brehon schaute voller Misstrauen auf Rimid. Er fragte: »Hast du Fergal nicht gehasst? Das hast du uns doch gestern eingestanden.«

»Ich war es nicht. Ich liebte Barrdub … ich …« Rimid sprang auf und begann sich einen Weg aus dem Gerichtssaal zu bahnen.

»Haltet ihn!«, rief der Brehon. Sofort stürzten sich zwei Männer aus dem Clan auf den Fliehenden.

Aber Fidelma wandte sich kopfschüttelnd dem Brehon zu.

»Nein, lasst ihn gehen. Er war es nicht.«

Der Brehon sah sie fragend an. Rimid, der zwischen den beiden Männern stand, hörte auf, sich zu wehren.

»Wer denn dann?«, erkundigte sich der Brehon unwillig.

»Barrdub wurde von Congal ermordet.«

Ein Aufschrei ging durch die Menge.

»Eine Lüge! Die Schlampe lügt!« Congal war aufgesprungen. Er war leichenblass, die Hände hatte er zu Fäusten geballt.

»Congal hat seine eigene Schwester ermordet?« Der Brehon wollte es nicht glauben. »Aber warum?«

»Aus einem der ältesten Gründe. Aus Habgier.«

»Aber Barrdub hat doch keinen Besitz. Was konnte er da mit seiner Tat gewinnen?«

Schwester Fidelma seufzte traurig.

»Congal hatte wenig Geld. Sein Vater war im Clan ein geachteter Mann. Wenn alles gutgegangen wäre, hätte Congal das auch sein können. Aber bei Congal geht nie alles gut. Er ist launisch und unzuverlässig. Er träumt gern vor sich hin und macht hochfahrende Pläne, die stets scheitern. Schließlich sah er sich gezwungen, mit seiner Schwester in einer armseligen Hütte aus Holz und Lehm zu wohnen und sich bei seinen Nachbarn, denen es besser ging als ihm, als Taglöhner zu verdingen. All das ist im Dorf bekannt. Du, Brehon, hast es mir auch erzählt.

Rimid und Barrdub liebten einander. Rimid verfügt über keine großen Reichtümer. Wie die meisten von uns ist er es zufrieden, wenn das, was er verdient, für den Lebensunterhalt reicht. Als er Congal um die Erlaubnis bat, Barrdub, die noch nicht das Alter der Wahl erreicht hatte, heiraten zu dürfen, verweigerte ihm dieser seine Zustimmung. Warum? Weil Congal sich nicht um das Glück seiner Schwester scherte. Ihm lag nur am Reichtum. Er verlangte den vollen Brautpreis, der der Tochter eines freien Gastwirts im Clan zusteht, obwohl er und seine Schwester schon längst nicht mehr diese gehobene Stellung innerhalb der Gemeinschaft innehatten.«

»Und doch stand ihm das von Rechts wegen zu«, wandte der Brehon ein.

»Es war sein Recht, das stimmt. Aber manchmal können Rechte auch eine Form von Ungerechtigkeit sein«, meinte Fidelma.

»Fahre fort.«

»Rimid war nicht in der Lage, den vollen Brautpreis zu zahlen. Barrdub war wütend auf ihren Bruder und machte ihm klar, sobald sie alt genug wäre und alles frei und selbständig entscheiden durfte, würde sie ohnehin zu Rimid gehen. Und dann würde ihr Bruder überhaupt nichts vom Brautpreis bekommen.«

Schwester Fidelma hielt einen Augenblick inne.

»Congal hatte sich ausgemalt, die einzige Möglichkeit, seine Armut zu lindern und im Clan zu Würden zu gelangen, wäre, in den Besitz der zwanzig Milchkühe zu kommen, die der zukünftige Ehemann von Barrdub als vollen Brautpreis zahlen müsste. Dann kam ihm eine neue Idee. Eine hervorragende Idee. Warum sollte er sich mit zwanzig Milchkühen zufriedengeben? Falls seine Schwester ermordet würde, dann müsste der Mörder oder die Familie des Mörders ihm eine Entschädigung zahlen, und diese Entschädigung würde laut Gesetz mindestens fünfundvierzig Milchkühe betragen. Das wäre eine Grundlage für eine anständige Herde, und damit würde er sich im Clan wirklich Respekt verschaffen. Aber er musste natürlich dafür sorgen, dass die Person, der das Verbrechen zur Last gelegt wurde, in der Lage war, eine solche Summe zu zahlen.

Dann tauchte Bruder Fergal auf. Ein Mönch ist zwar nicht reich, aber das Gesetz verweist stets auf die Familie einer Person, wenn diese nicht in der Lage ist, der Familie des Opfers die entsprechende Buße zu zahlen. Es ist allgemein bekannt, dass bei Ordensleuten das Kloster an die Stelle der Familie tritt. Falls ein Mitglied eines Ordens eines Verbrechens für schuldig befunden wird, erwartet man vom Kloster, dass es das Sühnegeld aufbringt. Congal überlegte sich, dass sich der Orden sehr wohl die fünfundvierzig Milchkühe leisten konnte, die seine Entschädigung sein würden. Damit war das Schicksal der unglückseligen Barrdub besiegelt.

Congal wusste von Fergals Krankheit und kannte auch die Arznei dagegen. Er bereitete seine Kräutermischung vor, kippte Fergals üblichen Tee fort und ersetzte ihn durch den Schlaftrunk. Er überlegte sich, dass Fergal wohl den Inhalt seines Kessels nicht untersuchen würde, ehe er sich den Tee aufwärmte. Dann ging Congal zu Rimid und erzählte ihm, Barrdub sei in Fergal vernarrt, sie seien ineinander verliebt. Schließlich machte er sich auf die Suche nach Barrdub, und den Rest wissen wir.

Er tötete sie, trug sie in Fergals Hütte, sobald der Mönch tief und fest schlief, ließ sie dort zurück, nachdem er Fergals Hände und Kleidung mit ihrem Blut beschmiert hatte. Seine beiden größten Fehler bestanden darin, dass er keine Mordwaffe am Tatort hinterließ und dass er die Spuren seines Kräutertrunks in Fergals Trinkschale nicht beseitigte.«

Sie wandte sich Congal zu, der mit kreidebleichem Gesicht und zuckendem Mund vor ihr stand.

»Da steht der Mörder! Er hat seine leibliche Schwester für eine Herde Kühe umgebracht!«

Mit einem schrillen Schrei zog Congal ein Messer und wollte sich auf Schwester Fidelma stürzen. Entsetzt wichen links und rechts die Menschen vor ihm zurück.

Kurz bevor er Fidelma erreichte, fing ihn eine dunkle Männergestalt ab und schlug ihm mitten ins Gesicht. Es war Rimid. Congal sackte bewusstlos zu Boden. Als Rimid sich auf ihn stürzen wollte, legte ihm Schwester Fidelma ihre schmale Hand auf die Schulter.

»Rache ist keine Gerechtigkeit, Rimid. Wenn wir für jedes an uns begangene Übel Rache fordern wollten, würden wir uns nur größerer Vergehen schuldig machen. Lass das Gericht Recht über ihn sprechen.«

Rimid zögerte.

»Er hat keine Mittel, um an die, denen er Schlimmes angetan hat, den Sühnepreis zu zahlen«, protestierte er.

Fidelma lächelte leise.

»Er hat eine Seele, Rimid. Er hat versucht, einem Mitglied des Klosters Unrecht anzutun. Das Kloster wird eine Entschädigung fordern. Das wird seine unsterbliche Seele sein, die er Gott überantworten muss.«

»Du wirst ihn töten lassen? Zu Gott ins Jenseits schicken?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Gott wird ihn zu sich holen, wenn seine Zeit gekommen ist. Nein, er wird im Kloster dienen müssen und so für seine Tat Buße tun.«

Nachdem man Bruder Fergal freigesprochen hatte und Congal bis zum Gerichtstag in Gewahrsam genommen worden war, ging Fidelma mit dem Brehon zum Ausgang der großen Halle.

»Wie ist dein Verdacht auf Congal gefallen?«, fragte der Brehon.

»Wer einmal lügt, der lügt wieder.«

»Bei welcher Lüge hast du ihn ertappt?«

»Er behauptete, nichts von Kräutern zu verstehen, aber er wusste sofort, wofür stramóiniam benutzt wird, und ihm war bekannt, dass Bruder Fergal es regelmäßig einnahm. Der Rest war eine Mischung aus einfachen logischen Schlüssen und Bluff. Aber es wäre wahrscheinlich schwierig gewesen, ihn zu überführen, wenn er mich nicht angegriffen hätte.«