Выбрать главу

Pater Allán machte eine verlegene Geste.

»Aber er …, er hat sich aus dem Staub gemacht. Hat Ninnedo das nicht erwähnt?«

Fidelma schaute ihn einen Augenblick lang unverwandt an.

»Nath ist verschwunden?«

»Ja. Die ganze letzte Woche hat ihn niemand gesehen.«

Fidelma atmete tief durch, um nicht wütend loszubrüllen.

»Du sagst also, dass Bruder Nath vor einer Woche verschwunden ist? Vor einer Woche wurde Bruder Moenach ermordet. Warum habe ich nicht früher davon erfahren?«

Pater Allán wurde bleich.

»Aber Muirenn hat doch Moenach erschlagen. Warum solltest du dich da für einen widerborstigen jungen Mann interessieren, der sich aus der Gemeinschaft fortgeschlichen hat?«

»Wieso habe ich nichts davon erfahren?«, beharrte Fidelma. »Hat man Nachforschungen angestellt, was mit Nath geschehen ist?«

Pater Allán zuckte hilflos die Achseln.

»Er hat sein Gelübde gebrochen und ist weggelaufen. Mehr nicht.«

»Lass bitte Bruder Ninnedo unverzüglich herkommen.«

Pater Allán blinzelte, zögerte und machte sich dann auf den Weg.

Mit mürrischer Miene näherte sich Ninnedo Schwester Fidelma. Ihm folgte Pater Allán, der ihn ängstlich beobachtete.

»Ich will die ganze Wahrheit hören, Ninnedo«, sagte Fidelma. »Und zwar sofort.«

»Ich habe die Wahrheit gesprochen.«

»Und doch hast du mir nicht erzählt, dass dein Freund Nath seit dem Tag verschwunden ist, an dem Moenach ermordet wurde.«

Ninnedo erbleichte, machte aber weiterhin ein mürrisches Gesicht.

»Beschuldigst du jetzt ihn, Moenach umgebracht zu haben und dann fortgelaufen zu sein?«, murmelte er. »Alle sagen doch, dass Muirenn Moenach ermordet hat.«

»Meine Aufgabe ist es, die Wahrheit herauszufinden. Weißt du, wo Nath ist?«

Ninnedo starrte sie an. Er schlug als Erster die Augen nieder und schüttelte den Kopf.

»Sprich mit Ainder, der Tochter von Illad«, flüsterte er.

»Wer ist Ainder?«, wollte Fidelma wissen.

Pater Allán trat verlegen von einem Bein aufs andere.

»Ainder ist ein junges Mädchen aus dem Dorf, das für unsere Gemeinschaft die Wäsche macht. Sie lebt bei ihrem Vater Illand, unserem Obergärtner.«

Fidelma wandte ihren Blick wieder zu Bruder Ninnedo.

»Warum sollte ich mit Ainder sprechen?«

»Es steht mir nicht zu, vorwegzunehmen, was sie vielleicht zu dir sagt«, erwiderte der junge Mann beherzt, in einem schwachen Versuch, Fidelmas Stil nachzuahmen.

Fidelma blickte in Ninnedos mürrisches Gesicht und seufzte.

»Und wo finde ich Ainder?«

»Die Hütte von Illand steht am Fuße des Berges«, mischte sich der Vater Superior ein. »Dort findest du sie, Schwester Fidelma.«

Sie beschloss, Bruder Aedo zu bitten, sie zu begleiten und ihr unterwegs die Stelle zu zeigen, wo Moenach ermordet wurde. Sie wollte sich von ihm auch seine Geschichte vom Fund der Leiche bestätigen lassen.

Aedo war ein schlichter, argloser junger Mann, der seinem Bericht nichts hinzuzufügen hatte. Er erzählte ihr, er sei bei seiner Rückkehr ins Kloster so verstört gewesen, dass er nur noch dem Vater Superior Bericht erstatten konnte, dann sei er von seinen Gefühlen überwältigt worden und erkrankt. Pater Allán und drei andere Brüder waren sofort aufgebrochen, um Moenach zu suchen und die Verfolgung von Muirenn aufzunehmen.

Fidelma sah sich auf der kleinen Lichtung um. Sie erwartete nicht, hier etwas zu entdecken, das ihr irgendwie helfen könnte. Trotzdem war es nützlich, sich den Tatort einzuprägen. Ohne Bruder Aedo hätte sie die Stelle kaum finden können, denn in dem großen Waldstück gab es viele ähnliche kleine Lichtungen. Sie bat Aedo, zum Kloster zurückzukehren, und setzte ihren Weg bergab fort.

Wie Pater Allán ihr gesagt hatte, stand am Fuß des Bergs eine kleine Hütte. Auf einer Wäscheleine, die zwischen zwei Bäumen befestigt war, hingen frisch gewaschene Mönchsgewänder. Ein älterer, untersetzter Mann pflückte Äpfel. Er schaute Fidelma misstrauisch entgegen.

»Ist hier das Heim von Ainder, der Tochter des Illand?«

»Ich bin Illand«, erwiderte der Mann. »Meine Tochter ist im Haus.«

»Ich bin Fidelma von Kildare und möchte mit ihr sprechen.«

Der Mann zögerte, ehe er mit einer Handbewegung auf die Hütte deutete.

»Sei uns willkommen, Schwester Fidelma. Meiner Tochter geht es nicht gut …«

»Aber doch gut genug, um die Schwester zu empfangen …«, ertönte von drinnen eine leise Sopranstimme.

In der Tür der Hütte erschien ein junges Mädchen, blond und schlank und kaum mehr als vierzehn Jahre alt.

»Bitte, Vater«, beharrte das Mädchen, ehe Illand noch etwas einwenden konnte. »Ich bin erwachsen und kann meine eigenen Entscheidungen treffen.«

Illand zuckte vielsagend die Achseln.

»Ich habe noch zu tun«, murmelte er griesgrämig, nahm den Korb mit den Äpfeln und entfernte sich.

Das Mädchen wandte sich bleich, aber mit entschlossenem Blick Fidelma zu.

»Du musst die dálaigh sein, auf die Pater Allán gewartet hat«, sagte sie. »Warum kommst du zu mir?«

»Ich höre, dass du die Wäscherin des Klosters bist«, erwiderte Fidelma. »Lebst du hier mit Mutter und Vater?«

Ein Schatten legte sich auf die Züge des Mädchens.

»Meine Mutter ist schon viele Jahre im Reich der Wahrheit«, antwortete sie und benutzte die beschönigende irische Wendung, die bedeutete, dass ihre Mutter tot war.

»Das tut mir leid.«

»Kein Grund zur Trauer«, meinte das Mädchen.

Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich um, ging in die Hütte hinein und bedeutete Fidelma, ihr zu folgen. Die Schwester setzte sich auf den Stuhl, den ihr Ainder mit einer Handbewegung zuwies. Das junge Mädchen nahm ihr gegenüber Platz und musterte sie eingehend.

»Ich freue mich, dass du eine Frau bist, und eine junge Frau noch dazu.«

Fidelma zog überrascht die Augenbrauen hoch.

»Warum das?«

»Ich glaube, du bist hergekommen, um mich über Nath zu befragen.«

»Was weißt du über Bruder Nath?«

»Er möchte mich heiraten.«

Fidelma blinzelte und seufzte.

»Ich verstehe.« Nach dem Gesetz des Fénechus konnten Ordensleute heiraten und taten das auch. »Nath ist also in dich verliebt?«

»Ja, das ist er.«

Eine kleine Betonung ließ Fidelma ein verborgenes »aber« vermuten.

»Aber dein Vater ist dagegen?«, riet Fidelma.

»O nein!« Die Worte sprudelten rasch hervor. »Er weiß nichts davon.«

»Weißt du, dass Nath verschwunden ist?«

Ainder nickte mit niedergeschlagenen Augen.

»Du weißt, dass Bruder Moenach ermordet wurde und Bruder Nath am gleichen Tag verschwunden ist? Die Sache sieht schlecht für ihn aus.«

Ainder schien verwirrt.

»Aber hat nicht die alte Frau, Muirenn, Moenach umgebracht?«, fragte sie.

»Das herauszufinden, bin ich gekommen. Was weißt du über Naths Verschwinden?«

Das Mädchen zögerte und stieß dann einen tiefen Seufzer aus.

»Nath hatte Angst, nachdem Moenach ermordet worden war. Weißt du, niemand glaubte uns, wie bösartig Moenach wirklich war. Mit seinen Lügen hat er sogar erreicht, dass Bruder Follamon aus dem Orden ausgestoßen wurde.«

»Wieso weißt du davon?«

»Ich bin hier aufgewachsen, im Schatten von Pater Alláns Kloster. Mein Vater kümmert sich dort um den Garten, und seit dem Tod meiner Mutter bin ich die Wäscherin der Gemeinschaft. Follamon, Ninnedo und Moenach kamen zusammen als Zöglinge ins Kloster. Als sie letztes Jahr das Alter der Wahl erreichten und ihre eigenen Entscheidungen treffen durften, beschlossen sie alle drei, in der Gemeinschaft von Pater Allán zu bleiben. Sie kannten einander gut. Follamon, Nath und Ninnedo wurden Freunde.«

»Aber Moenach nicht?«