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»Hast du Moenach getötet?«

»Nein!«, stieß er krächzend hervor.

»Warum bist du dann weggelaufen? Man hatte doch Muirenn eingesperrt, und alle anderen in der Gemeinschaft hielten sie für die Schuldige. Warum hast du durch die Flucht den Verdacht auf dich gelenkt?«

Nath schaute sie verdutzt an.

»Viele haben nicht an Muirenns Schuld geglaubt und dachten, Pater Allán wollte sie nur als Sündenbock benutzen, um Moenachs guten Ruf zu wahren.«

»Aber wenn sie wussten, dass Muirenn unschuldig war, dann müssen sie doch auch gewusst haben, dass jemand anderer der Täter war. Indem du wegliefst, hast du ihnen einen Verdächtigen geliefert.«

Nath schüttelte den Kopf. »Wenn man sicher ist, dass eine Person unmöglich einen Mord begangen haben kann, so heißt das doch noch lange nicht, dass man den Täter kennt.«

»Das stimmt«, gab Fidelma zu. »Du zum Beispiel wusstest, dass Muirenn keine Schuld traf. Du behauptest, dass auch du unschuldig bist. Warum sollte ich dir mehr glauben als Muirenn?«

»Pater Allán hat gesagt … Ich dachte, es wäre das Beste, bis ich vor einen Brehon geladen würde.«

»Was hat Pater Allán gesagt?«, fragte Fidelma mit scharfer Stimme.

Nath zögerte.

»Als mir Ainder erzählt hatte, was Moenach ihr angetan hatte, bin ich sofort zu Pater Allán gegangen. Wie immer hat er mir nicht geglaubt. Er wurde schrecklich wütend, und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich beruhigt hatte. Er wollte einfach nicht zulassen, dass man etwas gegen seinen Liebling sagte. Er schickte mich fort und befahl mir, nie wieder ein Wort über diese Sache zu verlieren. Als ich später erfuhr, dass Moenach tot war, fürchtete ich, Pater Allán würde mich bezichtigen.«

»Also weiß Pater Allán, dass Ainder Moenach beschuldigte, sie vergewaltigt zu haben?«, überlegte Fidelma laut. »Und du, Nath, du bist Hals über Kopf weggerannt und hast dich versteckt, obwohl du dir darüber im Klaren gewesen sein musst, dass deine Flucht den Verdacht auf dich lenken würde?«

»Aber da war doch kein Verdacht«, fuhr Ainder dazwischen. »Alle glaubten, dass Muirenn die Tat begangen hatte.«

Fidelma nickte nachdenklich.

»Das verblüfft mich ja so. Auf Bruder Aedos Wort hin hat Pater Allán Muirenn bis zu meiner Ankunft eingesperrt. Du sagst, dass viele sie nicht für schuldig hielten, aber trotzdem war die gesamte Gemeinschaft anscheinend mit dieser Lösung zufrieden. Ich kann immer noch nicht recht begreifen, warum du, Nath, da du das doch alles wusstest, nicht ins Kloster zurückgekehrt bist und dort wie die anderen auf mich gewartet hast? Warum hast du die Aufmerksamkeit auf dich gelenkt? … Es sei denn, du hättest etwas zu verbergen?«

Nath schaute sie verständnislos an, Ainder aufgeregt und trotzig.

»Die Wahrheit, Nath!«, bellte Fidelma, als beide schwiegen. »Ich bin nicht länger bereit, eure Spielchen mitzumachen.«

Der junge Mann zog hilflos die Schultern hoch.

»Wir hielten es für das Beste …«

Fidelma schaute zu Ainder. Die hatte die Lippen fest geschlossen und starrte zu Boden. Plötzlich kam Fidelma ein Gedanke.

»Ainder hat dir geraten, dich zu verstecken?« Sie stellte diese Frage mit scharfer Stimme und ohne Vorwarnung.

Nath zuckte zusammen, hob den Kopf und sah Ainder an.

»Guck mich an, Nath!«, rief Fidelma. »Sag mir die Wahrheit, und du hast nichts zu befürchten.«

Der junge Mönch ließ den Kopf hängen.

»Ja, Ainder hat mir geraten, es sei das Beste.«

»Warum?«

»Ainder kam angelaufen und sagte mir, dass Moenach ermordet worden war. Als ich ihr erzählte, dass ich Pater Allán bereits von der Vergewaltigung berichtet hatte, fürchtete sie, man würde das genauso wenig glauben wie die Sache mit dem gestohlenen Becher. Sie hatte Angst, man würde mich nun des Mordes an Moenach verdächtigen. Deshalb sagte sie, ich solle mich lieber verstecken, bis die ganze Aufregung sich gelegt hatte oder ein Brehon einträfe, der meinen Fall mit Nachsicht betrachtete.«

»Das war sehr dumm von dir. Falls man Muirenn für schuldig befunden hätte, hätte das schwer auf deinem Gewissen gelastet.«

»Das hätte ich nicht zugelassen. Ich wäre zurückgekommen«, protestierte Nath.

»Zurückgekommen? Und womit hättest du deine Abwesenheit entschuldigt? Wärst du freiwillig zurückgekommen, um mit Muirenn zu tauschen? Das kann ich kaum glauben.«

»Ob du es glaubst oder nicht, ich hätte es getan.« Der junge Klosterbruder blickte sie trotzig an.

»Das war ein überaus dummer Ratschlag, den du Nath gegeben hast«, sagte Fidelma nun vorwurfsvoll zu Ainder.

Das Mädchen schaute ihr halsstarrig ins Gesicht.

»Ich hielt es damals für das Beste«, erwiderte sie.

»Das glaube ich dir gern«, erwiderte Fidelma nachdenklich.

Sie stand auf und trat zur Tür.

»Ich gehe jetzt ins Kloster und spreche mit Pater Allán. Du solltest zur Gemeinschaft zurückkehren, Nath. Du hast mir die Wahrheit gesagt.«

Pater Allán erhob sich unbeholfen, als Schwester Fidelma eintrat.

»Sagst du mir, warum du Moenach umgebracht hast, oder soll ich es dir erklären?«, fragte sie mit einer Schroffheit, die ihn erstarren ließ. Ihre Stimme war kalt und teilnahmslos.

Pater Allán blinzelte und schaute sie mit offenem Mund an. Ehe er noch etwas erwidern konnte, fügte Fidelma streng hinzu: »Ich weiß, dass du es warst. Es würde uns allen viel Zeit sparen, wenn wir auf falsche Unschuldsbeteuerungen verzichten könnten. Ich habe Verdacht geschöpft, als ich erfuhr, dass Bruder Aedo, nachdem er hier mit der Todesnachricht eingetroffen war, so verstört war, dass er dich nicht zu der Lichtung führen konnte. Trotzdem hast du ohne Hilfe sofort den Weg zu dem Ort gefunden, wo Moenachs Leiche lag, obwohl es im Wald viele ähnliche Lichtungen gibt. Selbst wenn Aedo dir die beste Wegbeschreibung der Welt gegeben hätte, hättest du zumindest ein bisschen danach suchen müssen.«

Die unterschiedlichsten Empfindungen huschten über das Gesicht des Vater Superior. Als er merkte, dass Schwester Fidelma sich nicht erweichen lassen würde, setzte er sich hin und breitete hilflos die Hände aus.

»Ich habe Moenach geliebt!«

»Hass ist oft die Kehrseite der Liebe«, bemerkte Fidelma.

Der Vater Superior ließ den Kopf hängen.

»Ich habe Moenach von Kindesbeinen an erzogen. Ich war vor dem Gesetz sein Ziehvater. Er hatte alles, was sich ein junger Mann nur wünschen konnte: gutes Aussehen, eine wunderbare Begabung und eine Art, mit der er jeden seinem Willen gefügig machen konnte, mit der er alle so täuschen konnte, dass sie an seine Güte und Frömmigkeit glaubten …«

»Nicht alle«, warf Fidelma ein.

»Ich weiß, ich weiß.« Pater Allán seufzte. »Ich hätte schon vor langer Zeit auf die anderen Mönche hören sollen. Ich hätte auf sie hören sollen. Aber ich hatte meine Vorurteile und verschloss meine Ohren vor der Wahrheit.«

»Was hat deine Meinung geändert?«

»Lange versuchte ich, mir selbst über Moenach etwas vorzumachen. Dann kam Nath mit der schrecklichen Neuigkeit darüber, was Moenach Ainder angetan hatte. Ich konnte das Böse, das zu einer solchen Tat geführt hatte, nicht fortbestehen lassen. Wenn er in diesem Alter zu so etwas fähig war, was würde er in Zukunft noch alles an Schlechtem tun?«

»Was geschah dann?«

»Ich schickte Nath fort, gab vor, ihm nicht zu glauben. Ich wusste, dass Moenach ins Dorf gegangen war. Also hastete ich sofort hinter ihm her den Pfad durch den Wald entlang und wartete auf der Lichtung auf ihn. Der Rest war leicht. Er hegte keinerlei Verdacht. Ich lenkte seine Aufmerksamkeit auf etwas, das auf der Erde lag, und während er sich hinunterbeugte, um es näher zu betrachten, hob ich einen Stein auf und schlug ihn – immer und immer wieder, bis er …«

»Dann kam Muirenn zufällig hinzu …?«

»Ich hörte, wie sich auf dem Pfad jemand näherte. Ich lief fort, so schnell ich konnte.«