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»Hast du da bereits Illan gesehen?«

»Selbstverständlich. Es waren schon viele da. Der Bischof, auch Angaire, Murchad, Illan, selbst Fáelán und die Königin und der tánaiste …«

Er sprach mit ihr, aber sie sah ihn nicht an. Ihr Blick haftete auf dem Köcher, den er an der Seite trug. Ein Pfeil schien kürzer als die anderen. Das mit den Federn besetzte Ende war zwischen den anderen etwas tiefer in den Köcher gesunken.

»Kipp mal deinen Köcher aus!«, forderte sie ihn unvermittelt auf.

»Was soll ich?«

Er schaute sie fassungslos an. Selbst Bressal schien zu glauben, sie sei verrückt geworden.

»Kipp die Pfeile aus deinem Köcher und lege sie hier auf den Tisch vor mir«, wies sie ihn an.

Mit gekrauster Stirn tat er, wie geheißen.

Zielgerichtet griff Fidelma nach einem Pfeil und hatte sein abgesplittertes hinteres Ende von etwa sechs Zoll Länge in der Hand. Sie wusste, dass sie nach der dazugehörigen vorderen Hälfte nicht zu suchen brauchte.

Stillschweigend verfolgten die anderen, wie sie das entsprechende vordere Ende mit der Pfeilspitze aus ihrem marsupium zog. Unter ihren gebannten Blicken fügte sie die beiden Hälften zusammen. Sie passten haargenau zueinander.

»Ich fürchte, du bist in einer dummen Lage, Sílán«, sagte Fidelma bedächtig. »Die Spitze deines Pfeils steckte in der Wunde, an der Illan starb.«

»Ich hab es nicht getan!«, rief der Krieger verzweifelt.

»Ist es einer deiner Pfeile oder nicht?«, fragte sie und hielt die beiden Hälften in die Höhe.

»Worauf willst du hinaus?«, rief Bressal dazwischen.

Neugierig trat Laisran näher. »Das Zeichen am Schaft stimmt mit deinen anderen Pfeilen überein.«

Sílán nickte. »Ja, es muss einer meiner Pfeile sein. Ein jeder wird dir sagen, dass er das Kennzeichen des Bischofs trägt.«

»Laisran, lege bitte den Beutel, den wir in Illans Zelt gefunden haben, auf den Tisch«, forderte Fidelma jetzt den Abt auf. Dann deutete sie auf das Wappen.

»Und wie ist es mit diesem Zeichen hier? Es gleicht dem auf dem Pfeilschaft.«

»Na und?«, meinte Bressal achselzuckend. »Alle Mitglieder meines Hausstands tragen meine Hausmarke. Beutel wie der hier dienen als Satteltaschen, jeder, der in meinen Stallungen arbeitet, hat Zugriff zu ihnen.«

»Würde es dich sehr erstaunen, wenn du erfährst, dass der hier giftige Kräuter enthält, und zwar genau die, mit denen Aonbharr vergiftet wurde?«

Sílán und Bressal schwiegen.

»Es könnte leicht heißen, dass Sílán auf Anweisung von Bischof Bressal, seinem Herrn, Illan getötet und Aonbharr vergiftet hat«, überlegte sie laut.

»Ich habe es nicht getan!«

»Und ich habe ihn niemals angewiesen, so etwas zu tun«, rief Bressal kreidebleich und außer sich.

»Wenn du gestehst, du hättest die Tat auf Anordnung von Bressal begangen, würde man mit dir weniger hart ins Gericht gehen«, redete Fidelma dem Krieger zu.

Doch Sílán blieb bei seiner Aussage.

»Ich habe nie eine solche Anweisung erhalten und habe es nicht getan.«

Nun wandte sich Fidelma Bressal zu.

»Zunächst sind es nur Indizienbeweise, Bischof. Sei es, wie es sei, sie sprechen dennoch gegen dich. Der Pfeil und der Beutel mit der giftigen Kräutermischung sind Beweisstücke, die sich schwer widerlegen lassen.«

Ihre Worte machten ihn betroffen.

»Hast du Illan aus eigenem Antrieb umgebracht?«, fragte er Sílán barsch.

Der schüttelte heftig den Kopf und sah Fidelma flehend an. Sie spürte, dass er unschuldig war. Die Beweise, die gegen ihn und den Bischof vorlagen, ließen ihn hilflos dastehen.

»Ich kann mir das alles nicht erklären«, war das Einzige, was er hervorbrachte.

»Hast du heute Morgen deinen Köcher mit den Pfeilen die ganze Zeit bei dir getragen?«, gab Fidelma ihm zu überlegen.

Er dachte eine Weile nach. »Nicht den ganzen Morgen. Die meiste Zeit über hatte ich Köcher und Bogen im Zelt des Bischofs gelassen, weil ich alle möglichen Gänge zu erledigen hatte.«

»Was für Gänge, zum Beispiel?«

»Ich sollte zum Beispiel sehen, wo Murchad ist. Ich fand ihn in der Nähe von Illans Zelt, wo er gerade mit Angaire sprach; das war, als Lady Dagháin aus Illans Zelt gestürzt kam, sie war ganz blass und rannte zu ihrem Zelt. Ich weiß noch, dass Angaire eine unfeine und anzügliche Bemerkung machte. Ich ließ ihn stehen und kam mit Murchad hierher.«

»Der Köcher mit den Pfeilen war also hier im Zelt, während du auf des Bischofs Geheiß unterwegs warst, um ihm seinen Rennreiter zu holen?«, fasste Fidelma seine Schilderung zusammen. »Und der Bischof war allein hier im Zelt?«

Ihre Bemerkung brachte Bressal auf, und er wurde zornesrot.

»Wenn du jetzt behauptest, ich hätte einen Pfeil genommen und wäre losgegangen, um Illan zu töten …«, fing er erregt an.

»Immerhin warst du zu der Zeit allein hier im Zelt, oder?«

»Nicht die ganze Zeit. Síláns Waffen lagen die überwiegende Zeit hier, und wir waren beide mal drin, mal draußen. Auch Besucher kamen und gingen. Selbst Fáelán und Muadnat, seine Frau, haben vorbeigeschaut.«

Das überraschte Fidelma. »Was hat ihn hierhergeführt, wenn ihr doch bittere Rivalen wart?«

»Fáelán wollte mit Aonbharr angeben, das war alles.«

»Kam er vor oder nach deinem Streit mit Illan?«

»Davor.«

»Und er war in Begleitung von Muadnat?«

»Ja. Und dann kam Énna.«

»Und was wollte der?«

»Mich bitten, Ochain aus dem Rennen zu nehmen; die Feindseligkeiten zwischen mir und dem König wären dem Ruf des Königreichs nicht dienlich. Aber das stand außer Frage. Auch waren Angaire und Murchad hier.«

»Lady Dagháin, Énnas Frau, gehörte die ebenfalls zu deinen Besuchern?«

Der Bischof schüttelte den Kopf. »Wie auch immer, wenn es dir darum geht, ob es möglich gewesen wäre, dass jemand einen Pfeil genommen und Illan getötet hat, dann kann ich nur sagen, Gelegenheit dazu hatten mehr als einer.«

»Und wie erklärst du den Beutel mit den Giftkräutern?«

»Dazu kann ich nur sagen, dass mein Wappen darauf ist, alles andere entzieht sich meiner Kenntnis.«

Fidelma lächelte schwach und bat Laisran: »Lass uns gehen.«

Dass sie Anstalten machte, das Zelt zu verlassen, erboste Bressal, und er rief ihr hinterher: »Was gedenkst du jetzt zu tun?«

Sie war schon am Zeltausgang, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. »Ich gedenke meine Nachforschungen abzuschließen, Bressal«, sprach’s und verschwand, gefolgt von dem leicht verwirrten Laisran.

Draußen hatte Fáelán mehrere Krieger aus seiner Leibgarde zur Bewachung des Gefangenen aufgestellt.

»Viel übrig hast du für den guten Bischof nicht«, meinte Laisran.

Sie lachte schelmisch. »Er ist ja auch nicht gerade ein liebenswerter Mensch.«

»Und das Beweismaterial spricht gegen ihn. Der Fall ist damit wohl schlüssig.« Er hatte seinen Schritt beschleunigt und ging jetzt neben ihr.

Fidelma schüttelte den Kopf.

»Wenn Bressal oder Sílán als Mordwerkzeug den Pfeil benutzt hätten, dann hätten sie die verräterische Hälfte davon nicht für jedermann so offensichtlich bei sich behalten.«

»Irgendwo ergibt es aber doch einen Sinn. Der eine wie der andere könnte Illan mit dem Pfeil umgebracht haben. Dann ging dem Täter auf, dass die Hausmarke auf dem Schaft ihn hätte verraten können, er brach das hintere Ende ab, nahm es an sich und entfernte es damit vom Tatort.«

»Und ließ den Beutel mit dem Wappen und den giftigen Kräutern gut sichtbar in Illans Zelt? Nein, mein guter Mentor«, widersprach sie mit nachsichtigem Lächeln, »wenn der Mörder so klug gedacht hätte, wie du glaubst, dann hätte er den Pfeil leicht vernichten können. Es gibt genug Feuerstellen, wo man ihn mühelos hätte verbrennen können. Warum das Pfeilende so augenfällig in den Köcher zurückstecken? Auch hätte er den Beutel verschwinden lassen. Vor allen Dingen aber hast du eine Tatsache außer Acht gelassen, die ganz offensichtlich auch Bressal und Sílán übersehen haben, und das wiederum belegt ihre Unschuld.«