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Liadin schoss die Röte in die Wangen und trotzig hob sie das Kinn. »Auf Scoriath? Niemals!«

»Hatte er Feinde? Als Hauptmann der Leibwache und als Fremder in diesem Land war ihm manch einer gewiss nicht wohlgesinnt. Weißt du, ob ihm jemand besonders grollte?«

Liadin zog die Brauen zusammen und dachte nach. »Ich wüsste niemand, den ich beim Namen nennen könnte. Mir ist nur aufgefallen, dass Scoriath seit ein paar Wochen verstimmt war. Er wollte mir aber nicht sagen, was ihn quälte. Eine Sache, die er vorbrachte, klang allerdings seltsam. Wir redeten darüber, dass er mit dem Gedanken spielte, sein Kommando über Irnans Leibwache aufzugeben. Wie ich ja schon erwähnte, wollte er nicht länger Krieger sein und fortan nur noch seine Felder bestellen. Aber irgendetwas beschäftigte ihn, er wirkte geradezu niedergeschlagen. Und mitten in einer Unterhaltung sagte er plötzlich: ›Ich will Landmann werden, es sei denn, die Jüdin will uns unseren Frieden nehmen.‹«

Fidelma stutzte. »Die Jüdin? Wen meinte er damit?«

Liadin zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Soviel ich weiß, gibt es im ganzen Königreich keine Jüdin.«

»Du hast ihn bestimmt gebeten, dir zu erklären, was er damit meinte.«

»Er hat das mit einem Lachen abgetan, es wäre nur ein dummer Scherz gewesen.«

»Kannst du wiederholen, was genau und wie er es gesagt hat?«

Das tat Liadin, doch davon wurde Fidelma nicht klüger. Grübelnd stand sie auf, lächelte aber ihre mutlose Freundin zuversichtlich an und sagte: »Irgendetwas an der ganzen Geschichte erscheint mir rätselhaft, Liadin. Es ist wie ein Wanzenstich, ich weiß nur noch nicht, wo ich kratzen soll. Macht nichts, ich werde weitere Nachforschungen anstellen. Sorg dich nicht. Alles wird gut.«

Leicht befangen stand Conn, der tánaiste der Uí Dróna, vor Schwester Fidelma. Der blonde und gutaussehende Mann verlagerte hin und wieder sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und versuchte möglichst gleichgültig dreinzuschauen.

An einem Nebentisch saß Brehon Rathend, der, wie das Gesetz es vorschrieb, bei der Befragung von Zeugen zugegen sein musste. Für die Unterredung des Anwalts mit dem Angeklagten galt das nicht. Er war lediglich Beobachter, durfte keine Fragen stellen oder sonstwie eingreifen, es sei denn, die dálaigh hielt sich nicht an die Regeln, die für Vernehmungen vor dem eigentlichen Gerichtstag festgelegt waren.

»Schildere mir die Ereignisse, die dazu führten, dass du Liadin verhaftet hast.«

Der junge Krieger räusperte sich und sprach tonlos, als sagte er etwas auswendig Gelerntes her: »Ich fand die Waffe, mit der Scoriath getötet wurde, in der Schlafkammer von …«

»Lass nicht den Anfang aus«, unterbrach ihn Fidelma unwirsch. »Wann hast du Scoriath zum letzten Mal gesehen? Lebendig gesehen, meine ich.«

Conn dachte einen Augenblick nach. »Am Abend des Tages, an dem er umkam. Anlässlich des Festes des heiligen Mochta, der ein Jünger Patricks war, hatten wir nachmittags eine Clan-Versammlung. Scoriath, ich und einige andere Krieger gehörten zum Gefolge unserer Stammesfürstin Irnan in der Beratungshalle. Eine Stunde vor Sonnenuntergang gingen alle Mitglieder des Rats auseinander, sodass jeder noch sein Heim erreichen konnte, ehe es dunkel wurde.«

»Und das war das letzte Mal, dass du Scoriath lebend gesehen hast?«

»Ja, Schwester. Ein jeder begab sich nach Hause. Später kam ein Bote von Irnan zu mir und sagte, er sei auf der Suche nach Scoriath. Die Stammesfürstin wollte ihn sprechen. Der Bote berichtete weiterhin, beim Hauptmann hätte niemand geöffnet.« Conn machte eine Pause, zog die Brauen zusammen und rieb sich die Stirn, als würde das seinem Gedächtnis nachhelfen. »Das kam mir merkwürdig vor, ich wusste ja, dass Scoriath ein Kind hatte, und wenn er nicht zu Hause war, so hätten doch seine Frau und sein Kind oder die Magd da sein müssen.«

Wieder schwieg er und schien von Fidelma eine Bestätigung seiner Überlegung zu erwarten. Doch die bedeutete ihm nur, weiterzureden.

»Ich bin also mit dem Boten zum Haus gegangen. Auf unser Klopfen hat niemand geantwortet, da habe ich aufgemacht und bin hineingegangen. Ich weiß nicht, was das war, irgendwie kam es mir unheimlich vor. In der Schlafkammer brannte eine kleine Öllampe; durch einen Spalt in der Tür konnte ich das Licht sehen. Ich ging hin und stieß die Tür auf.« Er beugte flüchtig das Knie. »Da sah ich Scoriath auf dem Boden liegen, mit dem Gesicht nach unten. Aus einer schrecklichen Wunde an seinem Hals floss Blut.«

»Floss Blut?«, unterbrach ihn Fidelma.

Conn nickte. »Offenbar war er noch nicht lange tot. Ich habe ihn leicht zur Seite gedreht, und da sah ich, dass man ihm die Kehle durchgeschnitten hatte. An der Tür zur kleinen Nebenkammer lag der Leichnam von Scoriaths Jungen, Cunobel. Auch er war tot, hatte mehrere Stichwunden in der Brust. Blutspritzer waren überall.«

Der tánaiste schluckte erregt, ehe er fortfuhr: »Die Tür zur Nebenkammer, in der sonst der Knabe schlief, war angelehnt. Scoriaths Frau nutzte den Raum auch als ihr Ankleidezimmer. Eine Blutspur führte dorthin. Ich folgte ihr, und sie lenkte mich zu einer Truhe. In der Truhe lag ein Messer, an dem Blut klebte, und ein blutbeflecktes Kleid, das Liadin gehörte.«

Er schwieg so lange, dass Fidelma ihn mahnte: »Und wie weiter?«

»Ich habe den Boten zu Irnan zurückgeschickt, er sollte ihr berichten, was wir entdeckt hatten. Für mich gab es nicht den geringsten Zweifel, dass Liadin dieses Blutbad angerichtet hatte.«

»Warum?«

Der junge Mann blinzelte. »Warum?«, wiederholte er, von ihrer Frage überrascht. »Weil ich das Messer und das Gewand gefunden hatte. Sie waren in einer Truhe in Liadins Kammer versteckt. Das Kleid gehörte Liadin, sie hat es oft getragen.«

»›Versteckt‹ ist in diesem Fall wohl kaum das richtige Wort, Conn«, bemerkte Fidelma. »Eine Blutspur hat dich zur Truhe geführt.«

Er tat ihren Hinweis mit einem Achselzucken ab.

»In ihrer panischen Angst, die Beweise für ihre Schuld zu verbergen, hat sie die Bluttropfen wahrscheinlich nicht bemerkt.«

»Könnte sein. Doch das ist bloße Vermutung. Angenommen, du hättest diese Tat begangen, wärst du dann in deine Kammer geeilt, um Waffe und blutbesudeltes Gewand zu verstecken? Auch ohne Blutspur würde man doch später die besagte Kammer absuchen.«

Das verwirrte Conn. »Da hast du schon recht, Schwester. Aber die Einzige, die den Mord begangen haben kann, ist Liadin, und dafür gibt es einen guten Grund.«

Fragend zog Fidelma die Augenbrauen hoch. »Nämlich?«

»Scoriath war ein Krieger. Er war kräftig und in allen Kampfkünsten geübt. Und doch hat er dem Mörder den Rücken zugewandt und es geschehen lassen, dass er ihm von hinten um den Hals greift und ihm die Kehle aufschlitzt. Der Einschnitt begann links am Hals, und dann hat man die Klinge über die Kehle nach rechts gezogen. Nur jemand, dem Scoriath voll vertraute, konnte so dicht hinter ihm stehen und die Tat vollbringen. Wer aber sonst genoss sein ganzes Vertrauen, wenn nicht die Frau, mit der er zusammenlebte?«

Einige Minuten saß Fidelma still und überlegte. »Hätte ihm die Verwundung nicht auch ein Linkshänder beibringen können, der Scoriath gegenüberstand?«

Wieder blinzelte Conn. Offensichtlich war das eine Angewohnheit, die andeutete, dass er nachdachte. »Aber Liadin ist Rechtshänderin.«

»Gut, lassen wir das«, sagte Fidelma mehr zu sich.

Conn ging achtlos über ihren Einwurf hinweg. »Wenn der Mörder vor Scoriath gestanden hätte, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, den Angriff abzuwehren.«

Das musste ihm Fidelma stillschweigend zubilligen. »Fahre mit deinem Bericht fort, Conn. Du sagst, du hast den Boten zu Irnan geschickt. Was geschah dann?«

»Ich stand noch da und prägte mir die Szene ein, da hörte ich draußen vorm Haus ein Geräusch. Ich ging zur Tür, riss sie auf und ertappte Liadin, wie sie sich ins Gebäude stehlen wollte, wahrscheinlich um sich Messer und Kleid aus ihrer Kammer zu holen.«