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Du bist zu deiner Tante geritten und später ungesehen zurückgekommen. In euren Räumlichkeiten hast du Scoriath angetroffen. Der hatte keinen Grund, dir zu misstrauen, und du hast ihn von hinten angefallen. Vielleicht ist dir dann eingekommen, dass du wegen eures Streits am Morgen vergessen hattest, den Hauptbeweis bereitzulegen, der mich auf die falsche Spur bringen sollte. Du hattest nicht daran gedacht, den Abschnitt über Judith und Holofernes zu kennzeichnen. Das hast du in aller Eile nachgeholt. Zwar war danach der Einband mit Blutflecken verdorben, doch das hatte niemand bemerkt.

Dann hast du dich in den Stallungen versteckt und gewartet, bis Conn die Leiche entdeckt. Du bist wieder aufgetaucht und hast vorgegeben, du seist gerade von deiner Tante zurückgekehrt. Du wusstest, dass man dich beschuldigen würde, hattest mich bereits kommen lassen und die irreführende Fährte gelegt. Eins hat mich allerdings mehrfach beschäftigt, du musst mich schon vor dem geplanten Mord benachrichtigt haben, damit ich zur rechten Zeit eintreffen konnte.«

»Das ist nicht wahr«, jammerte Liadin. »Selbst wenn ich Scoriath aus Eifersucht getötet hätte, in deiner Beweiskette da ist ein Fehler, und du weißt genau, welchen ich meine.«

Fidelma hielt dem Blick ihrer Freundin stand. Blitzte in deren Augen ein leichter Triumph auf?

»Nämlich welchen?«

»Du weißt ganz genau, dass ich nicht fähig wäre, meinen eigenen Sohn zu töten. Und weil du deiner inneren Stimme traust, wirst du mit allen dir zur Verfügung stehenden Mitteln für mich eintreten und mich von diesem Verbrechen freisprechen.«

»Da magst du recht haben«, gestand Fidelma ihr zu. »Ich weiß, du könntest dein Kind nicht töten.«

Fidelma vernahm ein Geräusch draußen vor der Zelle, behielt aber Liadin mit ihrem siegessicheren Blick im Auge.

»Komm rein, Conn«, rief sie, ohne den Kopf zu wenden, »und antworte mir: Warum musstest du Liadins kleinen Sohn ermorden?«

Der blonde, junge tánaiste trat mit gezogenem Schwert in die Zelle. »Aus demselben Grund, aus dem ich dich jetzt töten muss«, erwiderte er eiskalt. »Im Wesentlichen war alles so ausgedacht, wie du es geschildert hast, doch mit einem geringfügigen Unterschied. Der führende Kopf war ich. Liadin und ich liebten uns.«

Liadin hatte leise zu schluchzen begonnen, da nun die Wahrheit an den Tag kam.

»Ich wollte von Scoriath frei sein und mit Conn zusammenleben. Ich wusste, in eine Scheidung würde er nie einwilligen, das wäre gegen seine Ehrauffassung gewesen. Ich sah keinen anderen Ausweg. Ich musste dich glauben machen, er hätte ein Verhältnis mit Irnan …«

Spöttisch hob Fidelma eine Braue. »Du kannst mir nicht erzählen, du hättest nicht gewusst, dass Scoriath und Irnan in Wahrheit ein Liebesverhältnis hatten.«

Ihre verschreckte Miene bestätigte Fidelma, dass sie tatsächlich ahnungslos war.

»Du willst auch nicht gewusst haben, dass Scoriath sich hätte scheiden lassen, wenn du ihn einfach vor die Frage gestellt hättest? Oder, dass er nur bei dir geblieben ist, weil er das dir und seinem Sohn gegenüber für seine Pflicht hielt?«

Liadin war vor Entsetzen wie erstarrt. »Aber Conn … Conn hat gesagt … O mein Gott!«, stammelte sie. »Hätte ich das bloß gewusst … Dann hätte all das Furchtbare nicht geschehen müssen. Conn und ich hätten beieinander sein können, ohne Schuld auf uns zu laden.«

»Ganz so wäre das nicht gekommen, nicht wahr, Conn, tánaiste der Uí Dróna?«

Mit mürrischem und trotzigem Gesicht verharrte der junge Mann auf seinem Fleck.

»Du musst einsehen, dass Conn dich nur für seine Pläne benutzt hat, Liadin«, eröffnete Fidelma ihrer Freundin. »Er hat dich überredet, den Mordanschlag so zu planen, dass Irnan mit in Verdacht geriet. Ich sollte deiner falschen Fährte folgen und aufzeigen, dass auch Irnan tatverdächtig war, irgendwie also Mitschuld trägt an Scoriaths Tod. Dann wäre sie gezwungen gewesen, als Stammesführerin zurückzutreten. Ein Stammesfürst muss ohne Fehl und Tadel sein, er darf nicht unter dem Verdacht stehen, Unrechtmäßiges getan zu haben. Wer hätte davon einen Nutzen gehabt? Niemand anderes als der tánaiste – der gewählte Nachfolger!«

Ungläubig schaute Liadin auf Conn. »Weise das zurück!«, schrie sie. »Sag, dass das nicht wahr ist!«

Conn zuckte hochmütig die Achseln. »Warum nur um Liebe buhlen, wenn man sogar die Macht ergreifen kann? Wir hatten unser Vorgehen so geplant, wie du geschlussfolgert hast, Fidelma von Kildare. Bis auf eines. Ich habe auch Scoriath erschlagen. Und als der Junge in die Kammer stolperte und mich sah, musste ich ihn töten, wie ich jetzt dich töten muss …«

Conn holte mit dem Schwert aus. Fidelma zuckte zusammen und schloss die Augen. Sie hörte Liadin aufkreischen. Der Hieb blieb aus. Sie öffnete die Augen und sah, wie Liadin sich an Conns Schwertarm klammerte. Rathend und zwei Krieger drängten in die Zelle, entwaffneten Conn und schleppten den sich Wehrenden fort.

Haltlos schluchzend brach Liadin auf dem Bett zusammen.

Mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung schaute Rathend Fidelma an. »Also hast du doch recht gehabt, Fidelma von Kildare. Was hat dich nur so sicher gemacht?«

»So sicher bin ich keineswegs gewesen, doch mein Gefühl hat mich nicht getrogen. Ich war überzeugt, Liadin konnte nicht ihren eigenen Sohn umgebracht haben. Wiederum stand das gegen die Erkenntnis, dass sie mir eine Reihe ausgefallener falscher Fährten gelegt hatte. Sie konnte damit rechnen, dass diese versteckten Hinweise meinem Ehrgeiz schmeicheln würden, Geheimnisse lüften zu können. Es schälte sich heraus, dass Liadin einen Mitverschwörer hatte, und bei dem war ein Tatmotiv zu erkennen. Ich begann, Conn zu verdächtigen, als er mir so bereitwillig den Hinweis auf Irnan und die Jüdin bot.

Liadin ist wirklich zu bedauern. Auch als sie wusste, dass Conn ihr Kind erschlagen hatte, hielt sie aus Liebe zu ihm an dem Plan fest. Schlimm, wie sich auch hier die Redensart bewahrheitet: Liebe macht blind.«

Mitfühlend schaute sie auf ihre Freundin.

»Erst als ich begriff, dass die Breite des Handabdrucks auf dem Bucheinband auf die Hand eines Mannes verwies, wurden mir Zusammenhänge klar. Conn ist für den Mord verantwortlich zu machen. Er musste sich vergewissern, dass Liadin den Hinweis an der richtigen Stelle angebracht hatte. Er tat es und hinterließ den Handabdruck. Mich hatten sie in ihren Plan mit einbezogen, ich sollte der falschen Fährte folgen. Ich traf erst ziemlich spät ein, und Conn erwartete mich bereits am Tor. Mich wunderte, weshalb er erleichtert schien, als ich kam.«

Rathend fiel es schwer, die gesamte Niedertracht des Verbrechens zu erfassen. »Conn hat also seine Partnerin zur Mittäterschaft überredet, indem er sie glauben ließ, alles geschehe aus Liebe zu ihr? Und in Wirklichkeit hatte er die ganze Zeit nichts anderes im Sinn, als nach der Macht zu greifen.«

»Liadin ist schuldig, aber die größere Schuld trägt Conn. Er hat mit ihren Gefühlen gespielt wie ein Fiedler auf seinem Instrument. Ach, Liadin, Liadin!« Betrübt schüttelte Fidelma den Kopf. »Da glaubt man, dass man jemand wirklich gut kennt, doch in den tiefsten Winkel des Herzens kann man selbst beim besten Freund nicht schauen.«

»Immerhin hat sie dein Leben gerettet. Und das dürfte als mildernder Umstand gelten, wenn sie vor Gericht steht.«

»Wäre Scoriath nur ehrlich mit ihr umgegangen«, sagte Fidelma. »Hätte er ihr gestanden, dass er ein Verhältnis mit Irnan hat, und ihr gesagt, dass er eine Scheidung wünschte, dann wäre sie nicht in dieses schreckliche Komplott verstrickt worden.«

»Man könnte fast meinen, Scoriath hat sich sein Schicksal selbst zu verdanken«, äußerte Rathend.

»Wahrscheinlich war er zu feige, sich seine Gefühle einzugestehen und sich selbst treu zu bleiben«, stimmte ihm Fidelma betroffen zu. Sie ließen die schluchzende Liadin allein zurück. »Männer sind oft so. Deus vult!«