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Er schloß die Augen.

»Ihr fühlt das doch, nicht wahr? Der Fledermausmann ist unser Mann. Narahdarn!«

»Ha?« fragte Wadkins.

McCormack amüsierte sich. »Unser norwegischer Freund scheint in die Bresche gesprungen zu sein, die unser lieber Detektiv Kensington aufgerissen hat«, sagte er.

»Narahdarn«, wiederholte Yong. »Das Todessymbol der Aborigines, der Fledermausmann.«

»Es gibt noch eine andere Sache, die mich etwas beunruhigt«, fuhr McCormack fort. »Der Kerl kann unbemerkt während der Vorstellung durch die Hintertür hinausschlüpfen und ist nur zehn Schritte von einer der belebtesten Straßen von Sydney entfernt, wo er garantiert in nur wenigen Sekunden in der Menge verschwunden ist. Trotzdem zieht er sich ein Kostüm an, mit dem er ganz sicher die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, das ihm aber auch garantiert, daß wir keine Beschreibung von ihm haben. Man hat fast das Gefühl, er wußte, daß die Hintertür von einer Streife beobachtet wurde. Und wenn das so ist, wie konnte er das wissen?«

Es wurde still.

»Wie geht es übrigens Kensington im Krankenhaus?« McCormack kramte eine Pastille aus einer Schachtel und begann, darauf herumzukauen.

Jetzt war es vollkommen still. Nur der Ventilator bewegte sich tonlos.

»Er ist nicht mehr dort«, sagte Lebie schließlich.

»Teufel noch mal, das war wirklich eine verdammt kurze Zeit der Genesung!« sagte McCormack. »Ja, ja, okay, wir brauchen so schnell wie möglich alle verfügbaren Mannschaften, denn eins sage ich euch: Zerstückelte Clowns machen größere Schlagzeilen als vergewaltigte Mädchen. Und was ich früher schon gesagt habe, Jungs, wer von euch glaubt, wir brauchten uns um die Zeitungen nicht zu kümmern, irrt sich! Die haben in diesem Land schon mehr als einen Polizeichef angeschwärzt und gefeuert! Also, wenn ihr mich nicht ganz heftig im Nacken haben wollt, wißt ihr, was ihr zu tun habt! Aber geht jetzt erst mal nach Hause und schlaft ein bißchen! Ja, Harry?«

»Nichts, Sir!«

»Okay. Gute Nacht!«

Irgend etwas hatte sich verändert. Die Gardinen vor dem Hotelfenster waren nicht zugezogen, und in dem Schein der Neonlampen von King's Cross zog sich Birgitta vor ihm aus.

Er lag im Bett, während sie mitten im Zimmer stand und Kleidungsstück für Kleidungsstück fallen ließ, wobei sie ihn mit ernstem, fast wehmütigem Blick anschaute. Birgitta war langbeinig, schlank und leuchtete in dem blassen Licht fast weiß wie Schnee. Durch das halbgeöffnete Fenster hörten sie das Rauschen des intensiven Nachtlebens – Autos, Motorräder, Spielautomaten mit Leierkastenmusik und dumpf dröhnende Discomusik. Und als Basis des Ganzen – wie menschliche Grillen – die Geräusche lauter Diskussionen, entrüsteter Ausrufe und geilen Gelächters.

Birgitta knöpfte ihre Bluse auf, nicht bewußt zögerlich oder in der Absicht zu verführen, sondern langsam. Sie zog sich einfach nur aus.

Für mich, dachte Harry.

Er hatte sie früher schon nackt gesehen, aber an diesem Abend war es anders. Sie war so hübsch, daß er spürte, wie es ihm den Hals zuschnürte. Früher hatte er ihre Scheu nicht verstanden, warum sie das T-Shirt und den Slip immer erst auszog, wenn sie unter der Bettdecke lag, und warum sie ein Handtuch um sich wickelte, wenn sie vom Bett ins Bad ging. Doch mit der Zeit hatte er es verstanden: Es hatte nichts damit zu tun, daß sie schüchtern war oder sich wegen ihres Körpers schämte, sondern damit, daß sie sich nicht bloßstellen wollte. Es war ihr wichtig, erst einmal Zeit und Gefühle aufzubauen, ein kleines Nest aus Vertrautheit, das einzig ihm das Recht geben würde. Deshalb war es in dieser Nacht anders. Die Art, wie sie sich auszog, hatte etwas Rituelles an sich, als wolle sie mit ihrer Nacktheit zeigen, wie verletzlich sie war. Daß sie es wagte, weil sie ihm vertraute.

Harry spürte, wie sein Herz schlug, teils weil er stolz und glücklich war, daß diese starke, schöne Frau ihm so viel Vertrauen entgegenbrachte, teils weil er Angst hatte, sich dieses Vertrauens als nicht würdig zu erweisen. Aber am meisten, weil er spürte, daß ihm alles, was er fühlte und dachte, ganz deutlich in dem roten, dann blauen, dann grünen Licht des Reklameschildes anzusehen war. Daß sie, indem sie sich auszog, auch ihn entkleidete.

Als sie nackt war, blieb sie stehen, und all die weiße Haut schien das Zimmer zu erhellen.

»Komm«, sagte er mit einer Stimme, die rauher war als beabsichtigt, und schlug die Decke zur Seite, doch sie blieb stehen.

»Sieh her«, wisperte sie, »sieh mich an.«

12

Eine feiste Matrone und ein Gerichtsmediziner

Es war acht Uhr morgens, und Dschingis Khan schlief, als die Krankenschwester nach langwierigen Verhandlungen einwilligte, Harry ins Krankenzimmer zu lassen. Er schlug die Augen auf, als Harry einen Stuhl an den Bettrand schob.

»Guten Morgen«, sagte Harry. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen. Wissen Sie noch, wer ich bin? Der auf dem Tisch mit der Atemnot.«

Dschingis Khan stöhnte. Er hatte eine große weiße Bandage am Kopf und sah deutlich weniger gefährlich aus als zu dem Zeitpunkt, als er sich im Cricket über Harry gebeugt hatte.

Harry zog einen Cricketball aus seiner Tasche.

»Ich habe gerade mit Ihrem Anwalt gesprochen. Er sagte, daß Sie meinen Kollegen nicht verklagen werden.«

Harry warf den Ball von der rechten in die linke Hand.

»In Anbetracht der Tatsache, daß Sie gerade dabei waren, mir das Leben zu nehmen, wäre ich natürlich sehr unangenehm geworden, wenn Sie den, der mich gerettet hat, verklagt hätten. Aber dieser Advokat von Ihnen scheint wirklich zu glauben, Sie hätten etwas in der Hand. Zum einen behauptet er, daß Sie mich nicht angegriffen, sondern lediglich von einem Freund getrennt hätten, dem ich im Begriff gewesen sei, ernsthafte Schäden zuzufügen, zum anderen, daß Sie es nur einem Zufall zu verdanken hätten, daß Sie mit gebrochenem Schädel davongekommen seien, statt von diesem Cricketball getötet worden zu sein.«

Er warf den Ball in die Luft und fing ihn unmittelbar vor dem Gesicht des blassen Kriegsfürsten wieder auf.

»Und wissen Sie, was? Ich bin einverstanden. Ein fast ball aus vier Metern Entfernung direkt auf die Stirn – es war wirklich blankes Glück, daß Sie überlebt haben. Ihr Anwalt rief mich heute im Büro an und wollte den genauen Handlungsverlauf wissen. Er glaubt, daß es eine Möglichkeit für einen Antrag auf Schmerzensgeld gibt, auf jeden Fall, wenn Sie bleibende Schäden zurückbehalten. Diese Art Anwälte gehören ja bekanntermaßen zur Familie der Geier, sie berechnen für sich selbst ein Drittel der Erstattungssumme, aber das hat er Ihnen ja wohl vorher erzählt? Ich fragte ihn, warum es ihm nicht gelungen sei, Sie zu einer Klage zu bewegen, und er meinte, das sei nur eine Frage der Zeit. Tja, und nun frage ich mich – ist das nur eine Frage der Zeit, Dschingis?«

Dschingis schüttelte vorsichtig den Kopf.

»No. Please go now«, gurgelte er leise.

»Aber warum denn nicht? Was haben Sie zu verlieren? Für den Fall, daß Sie zum Krüppel werden, können Sie doch viel Geld machen. Denken Sie daran, daß es keine einfache Privatperson ist, die Sie verklagen, sondern der Staat selbst. Ich habe festgestellt, daß es Ihnen sogar gelungen ist, Ihre Akte einigermaßen sauber zu halten. Wer weiß, vielleicht hätte eine Jury Mitleid mit Ihnen und würde Sie zum Millionär machen. Und Sie wollen es wirklich nicht einmal versuchen?«

Dschingis antwortete nicht, er schaute Harry nur mit schiefen, traurigen Augen an.

»Es fängt mir langsam an, auf den Geist zu gehen, die ganze Zeit im Krankenhaus zu sitzen, Dschingis, ich will mich also kurz fassen. Ihr Angriff auf mich resultierte in zwei gebrochenen Rippen und einer punktierten Lunge. Da ich weder eine Uniform trug noch meine Marke zeigte oder einen Befehl ausführte und Australien zudem ein gutes Stück von meinem Hoheitsgebiet entfernt liegt, sind die Rechtsbehörden zu dem Schluß gekommen, daß ich rein juristisch als Privatperson aufgetreten bin und nicht dienstlich. Das heißt, daß ich selbst entscheiden kann, ob ich Sie wegen Ihrer Gewalttätigkeit verklagen will oder nicht. Was uns zu Ihrer fast sauberen Akte zurückbringt. Sie sind nämlich wegen Körperverletzung zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, nicht wahr? Wenn wir noch einmal sechs Monate hinzufügen, macht das ein Jahr. Ein Jahr … oder Sie erzählen mir …« – er lehnte sich zu dem Ohr hinunter, das wie ein roter Pilz aus Dschingis Khans Kopfbandage herausragte, und schrie — »…WAS ZUM TEUFEL HIER VORGEHT!«