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«Du hast dich nicht verändert, Ewald«, sagte er.»Immer noch die riesengroße Schnauze…«

«Deshalb hat man mich ja nach Bogota geschickt! Mit Murmelspiel kommst du hier nicht weiter! Moment!«Fachtmann drehte das Radio aus und kam zum Telefon zurück.»Bevor du alle Bedenken aufzählst, Pit, und die kenne ich im voraus: Kolumbien ist ein Land, wo die Millionen aus dem Boden wachsen. Du mußt nur die richtige Stelle finden. Und du mußt darauf verzichten, das Leben, das du hier führst, Leben zu nennen! Natürlich kannst du brav, wie ich, bürgerlich arbeiten. Darin unterscheidet sich Kolumbien in nichts von anderen Ländern. Der sittsame Mann hat sein Auskommen und lebt einer zwei Meter mal ein Meter großen Grube entgegen. Die Särge sind übrigens schöner als in Deutschland. Über und über mit Schnitzereien verziert. Und für ein paar Pesos kannst du Klageweiber engagieren, die heulen für dich drei Tage lang! Ist das dein Ziel?«

«Ich bin in Kürze II. Oberarzt der Chirurgie im Klinikum.«

«Ahnte ich es doch! Pit. wir brauchen dich hier.«

«Ich bin Chirurg, Ewald! Kein Urwalddoktor-Genie wie Albert Schweitzer.«

«Gerade Chirurgen brauchen wir hier! Pillen verteilt hier jeder Sanitäter. Aber schneiden muß man können! Kugeln aus allen möglichen Körperteilen herausholen.«-»Kugeln?«

«Im Minengebiet gibt es mehr Bleikugeln als weiße Bohnen in der Suppe! Aber es gibt auch Smaragde, derentwegen sich Familien gegenseitig ausrotten! Pit, man kann das alles am Telefon nicht erzählen, und aufschreiben schon mal gar nicht — das wären ein paar hundert Seiten. Sieh dir alles selber an! Das mußt du sehen. So etwas gibt es gar nicht, sagt jeder, dem man erklären will, was in den Kordilleren bei Muzo los ist! Und trotzdem ist es Wahrheit! Gegenwart! Daß es so was im 20. Jahrhundert noch gibt, ist phänomenal! Junge, kannst du nicht Urlaub nehmen? Unbezahlten Urlaub auf — na sagen wir — zwei Jahre?«

«Unmöglich! Dann ist die Oberarztstelle futsch. Außerdem gibt es eine Gabrielle.«

«Hier rennen tausend Gabrielles herum, schöner als deine.«

«Das gibt es nicht. Gabrielle ist das vollendete Weibwunder.«

«Hier gibt es Madonnen von einer Unheiligkeit, daß dir die Knochen erweichen. Pit, überleg es dir. Nicht wegen der Mädchen, aber wegen der Menschen hier, die Vogelfreien, die einen Arzt brauchen wie Nahrung und Wasser. Sie haben nur zwei Hoffnungen, auf denen sie ihr Leben aufbauen: einen großen Smaragdfund — und das Überleben. Ruf mich wieder an, wenn du's dir genau überlegt hast. Tschüß, Othello!«

Sieben Tage trug Dr. Mohr die Versuchung aus Bogota mit sich herum. Er wollte sie verdrängen, indem er jede freie Minute mit Gabrielle verbrachte. Samstag und Sonntag hatte er dienstfrei. Da lag er mit ihr fast 48 Stunden im Bett, und Gabrielle sagte hohläugig:»Mon cher, du bischt ein Wunder. Medizinisch gesehen. Wohär bei dir kommt so grossse Produktion von Hormonen! Hast du Fabrik in Körrperr?«

Aber selbst die süßeste Ablenkung half nichts. Ewald Fachtmanns verdammte Mephistostimme blieb Peter Mohr in den Hirnwindungen. Ein Heer von Gesetzlosen, die keinen Arzt haben. Menschen, am Rande der Gesellschaft und total vergessen. Aber dennoch Menschen, durch deren Hände Millionen gleiten. Smaragde, die kostbaren Edelsteine mit dem betörenden grünen Feuer.

Grüne Sonnen, in Gold oder Platin gefaßt.

Am Montag ließ sich Dr. Mohr bei einem der großen Juweliere auf dem Jungfemstieg Smaragde zeigen. Die beste Qualität. Einkaräter. Ungefaßt. Der Preis warf ihn fast um.

«Die reinste Farbe, die es gibt. Ein Grün wie ein tiefer Bergsee. Ein Spitzenobjekt. Im Karat DM 22.000,-.«

Am Dienstag hatte Dr. Mohr eine lange Aussprache mit seinem Chef Professor Harrenbroich. Es fand nach einem siebenstündigen Operationstag statt. Sie rauchten eine Zigarette zusammen und tranken tiefschwarzen, starken Kaffee, so wie ihn Harrenbroich nach einem solchen Tag liebte. Als Arzt allerdings warnte er seine Patienten eindringlich vor solch massivem Herzaufputschmittel.

«Wie lange kennen wir uns, Peter?«fragte Harrenbroich.»Vier Jahre, nicht wahr? Das gibt mir das Recht, zu Ihnen zu sagen: Sie sind total verrückt! Kolumbien. Zu den Pippa-Indianern…«

«Chibcha-Indianer, Herr Professor.«

«Von mir aus. Und zu den Schürfern! Was Sie mir da erzählt haben, hört sich mehr nach Hollywood an! Das gibt es doch heute gar nicht mehr!«

«In Muzo doch! Das ist es ja: Nur weiß man nichts davon! Über den Kamm der Kordilleren dringt nichts an die Weltöffentlichkeit. Was da in den Bergkesseln, in den verlassenen Minen, in den Urwäldern und auf den Dschungelstraßen geschieht, ist anonym. Und dabei handelt es sich um Tausende von Menschen, die weniger wert sind als ein Fingerhut voll Smaragdstaub. Was im 19. Jahrhundert in Kalifornien und in Alaska geschah — der große Goldrausch —, das wird dort in Kolumbien noch überboten. Und keiner ahnt es! Im Zeitalter der Computer und der Weltraumfahrt, der Mondlandungen und der Funksatelliten kratzen Menschen mit den bloßen Händen die Erde auf. Kleiner, grüner Steine wegen. Eine Frage, Herr Professor: Besitzt Ihre Gattin Smaragdschmuck?«

«Ja. «Harrenbroich zog an seiner Zigarette.»Ohrringe, einen Ring, ein Halsband und ein Halskollier.«

«Wahrscheinlich alles in Kolumbien gestohlen.«

«Machen Sie keine Witze, Peter!«

«Natürlich ehrlich beim Juwelier gekauft, der keine Ahnung davon hat, woher die Steine über den Großhandel kommen. Denn auch der Großhandel bezieht sie über Exporteure — und die kennt kaum einer mit Namen! Nur die Strohmänner!«Peter Mohr zerdrückte seine Zigarette im Aschenbecher und trank den Rest des höllisch starken Kaffees.»Ich habe mich informiert. Dreimal habe ich mit meinem Freund Ewald telefoniert. Nach dem dritten Anruf stand für mich fest: Ich muß nach Bogota.«

«Ihr verfluchtes Abenteurerblut!«

«Vielleicht, Herr Professor.«

«Ich hatte immer gehofft, Sie heiraten Gabrielle und werden ein großer Chirurg. Sie haben alles vor sich: Chefposten, Ordinarius. Peter! Ist dieses Abenteuer diesen Einsatz wert?«

«Ich weiß es nicht. In zwei Jahren bin ich wieder da.«

«Als in der Sonne mumifizierter Kadaver.«

«Ich kann auch nachher beim Überqueren der Straße totgefahren werden. Diese Möglichkeit ist hier größer als in Kolumbien. Herr Professor, ich komme als Arzt zu diesen Gesetzlosen! Das ist eine Sonderstellung. Außerdem — mich reizt das alles!«

«Genau das ist es, Peter. Ihr unruhiges Blut! Wenn kein Zureden hilft, dann fliegen Sie meinetwegen in die Hölle! Ihren II. Ober aber kann ich Ihnen nicht zwei Jahre lang reservieren.«

«Das weiß ich, Herr Professor. «Mohr lächelte charmant. Dieses Lächeln warf Krankenschwestern und Ärztinnen reihenweise um.»Vielleicht ist dann der I. Ober frei?«

Und Harrenbroich lachte schallend. Ein Ordinarius mit Humor ist selten.

Bogota war auf den ersten Blick eine Enttäuschung.

Schon als das Flugzeug in einem großen Bogen über der Stadt kreiste, ehe es auf dem Flugplatz >El Dorado< aufsetzte, fühlte Peter Mohr sich in dem bestätigt, was er sich an Hand einiger Reiseführer über Kolumbien angelesen hatte: Das moderne Bogota war kein südamerikanischer Tropentraum mehr, sondern eine Betonstadt mit Zehntausenden von Fenstern. Wolkenkratzer nach amerikanischer Bauart, eine City mit einer Vergnügungs- und Einkaufsstraße wie dem Broadway in Kleinausführung, einem Geschäftsviertel der großen Firmen, Büros und Banken. 2,7 Millionen Menschen leben hier, dachte Dr. Mohr. Über zweimal soviel wie in Hamburg, und trotzdem ist diese Stadt mit Ausnahme der Wolkenkratzer eine elende Ansammlung von miesen Häusern. Es gab nur wenige Lichtblicke: Da die berühmte, im alten spanischen Stil erbaute Kathe-drale. Die Sternwarte mit ihren silbern leuchtenden Kuppeln, der Komplex der neuen Universität mit den Parkanlagen und Springbrunnen, das prunkvolle Parlamentsgebäude im Kolonialstil, die Anlagen der Militärakademie, in der Bauart wie alle Kasernen aussehend.