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Gott, ich danke dir! Meine Frau Nuria und meine zehn Kinder danken dir. Wir haben deine Liebe erfahren.

An diesem sechsten Tag der teuflischen Wanderung beobachteten einige Männer, wie ein Junge an einem Bach saß und mit einem Stecken, einer Schnur, einem Haken aus Draht und Würmern Fische fing. Ein zweiter Junge, in zerfetzter Kleidung wie der andere, kam mit einem Hasen aus dem Wald und zeigte ihn triumphierend dem fischenden Kumpanen.

«Die sehen aus, als lebten sie auf den Bäumen!«sagte einer der Männer.»Merkwürdig. Komm, die sehen wir uns mal näher an.«

Eine Stunde später nahm Juan Zapiga von seinem Sohn Pablo Abschied.

«Versuch es allein!«sagte Pablo.»Ich halte sie so lange auf, wie ich kann. Kümmert euch nicht um mich. Ihr müßt weiter.«

«Pablo!«Zapiga umarmte seinen Sohn und weinte.»Das ist unmöglich! Ich kann dich doch nicht. Nie! Nie!«Er griff nach der Maschinenpistole, die Pablo vor der Brust hängen hatte.

«Wir bleiben zusammen!«

«Wir schaffen es nie, Papa! Denk an Mama und die anderen neun Kinder!«

«Deswegen kannst du doch nicht.«

«Geh, Papa. bitte, geh.«

«Pablo.«, weinte Zapiga.

«Geh endlich!«schrie Pablo.»Du mußt mit dem Stein durchkommen. Für Mama und die anderen. Verdammt, habe ich einen feigen Vater.«

Zapiga heulte auf, wandte sich ab und hetzte mit seinen beiden jüngeren Söhnen weiter durch die Wildnis. Pablo Zapiga legte sich hinter einen Stein, drückte die MP gegen seine gesunde Schulter und wartete. Ich bin glücklich, Mama, wenn ihr später ein schönes Leben haben werdet, dachte er. Denkt an mich, aber seid nicht traurig. Ich hätte sowieso nicht mehr lange gelebt, der Medico hätte mich nicht retten können, ich fühle das. So ist es besser, Mama, so kann ich noch etwas für euch tun. Werdet alle, alle glücklich.

Sechs Stunden hielt Pablo Zapiga mit seiner Maschinenpistole den Rücken seines Vaters und seiner zwei kleinen Brüder frei, dann machte der Schmerz in seiner Schulter, die bei dem Schuß zu explodieren schien, ihn ohnmächtig. So spürte er nicht mehr, daß er von 14 Kugeln getroffen wurde. Einer seiner Verfolger schoß sein ganzes Magazin auf ihn leer und brüllte dabei:»Du Aas! Du verfluchter Hund! Du stehst nicht mehr auf..«

Doch die sechs Stunden Vorsprung genügten. Juan Zapiga und seine beiden Söhne erreichten den sicheren Teil der Straße nach Bogota. Ein Militärlastwagen las sie auf und brachte sie zur Omnibusstation.

Ganz langsam, bestaunt von den anderen Wartenden, sank Zapiga dort aufdie Knie, und auch seine beiden kleinen Söhne knieten nieder.

«Freunde«, sagte Zapiga mit rostiger Stimme,»wer ein Herz in der Brust trägt, betet mit: Vater im Himmel, verzeih mir, ich habe einen Sohn geopfert, damit elf andere Menschen leben können. Vater im Himmel, wie soll ich das ertragen?«Er blickte hoch und sah in betroffene Gesichter.»Freunde, bitte, faltet die Hände. Betet für die Seele meines Sohnes Pablo. Er war ein Held! Er war noch kein Mann, erst 14 Jahre alt… aber er war schon ein Held. Uns allen hat er das Leben geschenkt.«

Zu dieser Stunde wußte Juan Zapiga noch nicht, daß er auch noch zwei Töchter verloren hatte.

Man fand die Mädchen im Tal, nebeneinander vor einem Baum liegend. Die Kehlen waren ihnen durchgeschnitten worden, aber vorher hatten die Mörder sie noch blutig geschlagen und aus ihnen das Geheimnis der Zapigas herausgeprügelt.

Nuria weinte nicht. Mit weiten, leeren Augen saß sie vor den Kisten, in die man in Ermangelung von Särgen ihre kleinen Töchter gelegt hatte. Selbst als Pater Cristobal zornbebend rief:»Mein ist die Rache, spricht der Herr! Und Rache wird genommen an diesem Mord! Das Blut dieser unschuldigen Kinder komme über jeden von uns, wenn wir weiter dulden, daß solche Menschen unter uns bleiben!«, zuckte kein Muskel in ihrem Gesicht.

Dr. Novarra besuchte nach der Beerdigung Dr. Mohr im Hospital. Der Arzt saß allein, in der Dunkelheit, in seinem Untersuchungszimmer und rührte sich nicht, als Novarra eintrat. Dr. Simpson, Miguel und Margarita machten die Abendvisite im Bettenhaus. Es war voll belegt.

«Doctor?«fragte Novarra in die Dunkelheit hinein.

«Kommen Sie näher, Ramon. Ein Stuhl steht direkt vor Ihnen.«

«Danke, Doctor. «Novarra setzte sich.»Kein Licht?«

«Nein! Bitte nicht.«

«Sie verzweifeln an der Menschheit, was? Sie verkriechen sich vor ihren Auswüchsen wie ein krankes Tier! Das ist falsch, Dr. Morero. Damit erreichen Sie gar nichts, damit ändern sie noch weniger: Nur Sie gehen dabei vor die Hunde!«

«Die Kehle durchgeschnitten, zwei Kindern. wegen dieser verfluchten grünen Steine. Ich muß das erst verdauen, Novarra. Sie sind jetzt hier, um mir mit vielen Worten klarzumachen, daß das völlig normal ist, wenn man zwei kleinen Mädchen von sechs und sieben Jahren die Kehle durchschneidet und sie vorher noch foltert! Sie wollen mir erklären, das gehört hier zum Leben. Sprechen Sie das bloß nicht aus! Ich zünde sonst heute nacht noch mein Hospital an!«

«Ich bin gekommen, Ihnen auch Gutes zu sagen.«

«Den Glauben an das Gute habe ich gründlich verloren.«

«Wirklich? Lieben Sie nicht Margarita? Das ist doch etwas Wunderbares! Pilgern die Kranken nicht tagelang zu Ihnen? Das ist doch etwas Großes!«

«Und diese Kranken morden dann«, sagte Dr. Mohr dumpf.»Das ist es, worüber ich nicht hinwegkomme! Sie betteln um ihre Gesundheit und töten ihre Nächsten!«

«Welch ein Berg von Menschlichkeit!«sagte Novarra spöttisch.»Hier haben Sie doch den Menschen in Reinkultur, ohne Schminke und Maske. Selbst leben, die anderen vernichten — das ist der Urtrieb! Alles andere ist nur anerzogen. Interessiert Sie nicht, Doctor, was ich auf der Pfanne habe?«

«Nein!«

«Gut, dann behalte ich für mich, daß Major Gomez wie ein Gewitter über Penasblancas gekommen ist. Sein Bataillon hat aufgeräumt, zum Teil in regelrechten Straßenkämpfen. Haus für Haus. Christus Revailas Privatarmee hat sich sofort in alle Richtungen verflüchtigt, als Gomez anrückte. Revaila war natürlich wie immer nichts zu beweisen. Ebenfalls nicht >Mama< Mercedes. Ihre Mädchen, die Gomez befreien wollte, haben den Offizieren einen rauschenden Empfang bereitet. Der ganze Puff war bis unters Dach mit Blumen und Fahnen geschmückt. Die Mädchen standen im Lokal, nur goldene Feigenblätter an den exponierten Stellen, und sangen Jubellieder. Jeder hatte freies Trinken und freies. Hopplahopp! Die Offiziere waren begeistert, und Major Gomez war einem Wahnsinnsanfall nahe. Aber Penasblancas ist zur Zeit ziemlich sauber. Gomez hat eine Kompanie zurückgelassen. >Mama< Mercedes wettet bereits, daß die Soldaten in spätestens vier Wochen aufgesaugt worden seien. Polizeichef Salto hat aus Bogota noch vier Mann Verstärkung bekommen. Jetzt will er die Straße in die Berge kontrollieren. Mut hat der Junge! — Doch das alles behalte ich für mich. Erzähle ich Ihnen erst gar nicht. Interessiert Sie ja doch nicht.«

«Was ist mit Perdita Pebas?«

«Sie ist weg aus >Mamas< Haus.«

«Das sagen Sie so einfach?«Dr. Mohr sprang auf und knipste das Licht an. Novarra blinzelte in die plötzliche Helle.»Wo ist sie jetzt?«

«Sie lebt als Köchin bei einer alten Dirne, die heute in Penasblancas einen Kramladen betreibt.«

«Und warum kommt sie nicht nach Hause?«

«Sie hat Angst, daß der Vater sie krumm und lahm schlägt.«