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Dr. Novarra begrüßte Dr. Mohr wie einen Bruder, umarmte ihn und zog auch Margarita an seine breite Brust.»Ich freue mich!«dröhnte er mit seinem Baß.»Auch wenn ich nicht bis nach Penasblancas hineinkomme, hoffe ich, einige von Revailas Kreaturen aufzuscheuchen. Doctor, mein Plan ist folgender: Wir bringen Sie und Nuria mit den Kindern sicher bis in die Nähe der Polizeipatrouille. Dann kehren wir ihnen wieder den Rücken, denn mit den staatlichen Ordnungsorganen bekommen wir nie einen freundlichen Kontakt. Da nutzt auch Ihre Freundschaft zu dem Polizeichef nichts! Wenn Sie dann in Sicherheit sind, kochen wir unser eigenes Süppchen. Das geht Sie nichts an, das verstehen Sie auch nie, das sind unsere eigenen Gesetze. «Er blickte sich um. Die Kinder saßen in den Flechtkörben. Nuria hockte auf einem Muli und trug Männerkleidung, am Eingang des Hospitals erschien Dr. Simpson und winkte allen zu.

«Aufsitzen!«sagte Dr. Novarra laut.»Pater, wo ist Ihr Handwerkszeug? Kein Weihwasserwedel?«

«Ihr Maschinengewehr nutzt mehr!«Pater Cristobal drückte Dr. Mohr und Margarita die Hände.»Gott mit euch. Liebt euer Leben.«

«Cris! Was ist los?«Dr. Mohr hielt Cristobals Hand fest.»Das klingt wie Abschied.«

«Es ist ja einer«, sagte Cristobal leichthin.

«Ein Abschied für immer? Hast du irgend etwas gehört, das wir nicht wissen? Sollen wir hier weg, weil sich irgend etwas zusammenbraut?«

«Dummheit!«Pater Cristobal lachte, aber es klang seltsam gepreßt.»Und wenn sie sich hier alle mit dem Messer nachlaufen, du weißt doch: Dem Hospital und der Kirche passiert nichts. Es sind alles gute Gotteskinder!«

Mit einem seltsamen Gefühl im Herzen ritt Dr. Mohr weg. Dr. Novarra, er und Margarita bildeten den Vortrupp, zusammen mit den vier Männern und dem Maschinengewehr. Dann kamen Nuria und die Kinder, umgeben von sechs Reitern. Am Schluß der kleinen Kolonne ritten die anderen fünf. Sie waren am schwersten bewaffnet. Würde man sie angreifen, dann erfolgte der Überfall immer von hinten, während man vorne eine Sperre aufgebaut hatte. Der uralte Trick einer engen Falle, aus der man nicht mehr lebend herauskam.

Aber es geschah nichts. Den ganzen Tag über kamen sie gut vorwärts. Sie trafen auf ein paar Schürfer, die vor ihren Waldhütten saßen, ermattet von der Minenarbeit. Sie zerklopften größere Steine in der Hoffnung, Smaragdeinschlüsse zu finden. Dreimal wurden sie von herumstrolchenden Banden beobachtet, aber diese hüteten sich, die Kolonne anzugreifen. Dr. Novarra hatte durch den perfekt funktionierenden Nachrichtendienst der Guaqueros verbreiten lassen, daß ein paar Männer aus der >Burg< einen kleinen Ausflug machten. Das genügte, um überall Vorsicht aufkommen zu lassen. Alles, was am Wege nach Penasblancas lag, ging zunächst in Deckung und wartete ab. Das auf das Brett montierte schwere Maschinengewehr machte sichtlich Eindruck. Es sprach sich schnell herum, daß die Männer aus der >Burg< nach Penasblancas zogen, als wollten sie dort Krieg führen. Das genügte, um den Weg leerzufegen.

In der Nacht begann es zu regnen, früher, als Novarra es erwartet hatte. Wie aus Kübeln goß es. Das war kein Regen mehr, das war auch kein Auseinanderbrechen der Wolken. Ein Meer schien am Himmel zu schwimmen und stürzte jetzt hinunter auf die Erde.

«Sie haben Glück, Doctor«, sagte Dr. Novarra. Er saß mit Dr. Mohr,

Nuria und Margarita unter einer Kunststoffplane. Das vom Himmel fallende Meer klatschte auf sie herunter, als schlüge man mit riesigen Latten auf sie ein. Die Kinder lagen in einer Höhle, in Decken gerollt. Mit hängenden Köpfen standen die Mulis an den Felsen und rührten sich nicht. Im Schwall des Wassers waren sie nur wie Schatten zu erkennen. So muß die Sintflut gewesen sein, dachte Dr. Mohr. Zum erstenmal erlebte er einen solchen Regen, der unbegreiflich für jeden ist, der diese Wassermassen nicht gesehen hat.»Bei diesem Sauwetter hat keiner mehr Interesse daran, eine Frau und kleine Kinder zu jagen. Es ist ziemlich sicher, daß Sie Penasblancas ohne einen Zwischenfall erreichen. Und dann kommen Sie auch nach Bogota. Dafür wird Major Gomez sorgen. «Er zog die Beine etwas an; vom Rand der Plane spritzte das Wasser über seine Stiefel.»Treffen Sie Don Camargo?«

«Ich weiß nicht. Wenn er sich sprechen läßt.«

«Sie müssen versuchen, wieder an ihn heranzukommen. Wegen Christus Revaila. Ich wette, daß der große Boß nicht weiß, wie sehr er von dem kleinen Ganoven betrogen wird. Revaila ist Ihre einzige große Gefahr, Doctor. Und was immer er auch mit Ihnen anstellt — es wird Don Camargo gegenüber stets wie ein Unfall aussehen. Deshalb seien Sie besonders vorsichtig, solange Sie in Pen-asblancas sind. Auch wenn Sie bei Leutnant Salto oder Major Gomez in der Hosentasche schlafen. Revaila wird versuchen, an Sie heranzukommen! Er ist kein Idiot und weiß genau, was es für ihn bedeutet, wenn Sie gesund nach Bogota kommen und mit Don Ca-margo reden. Dann bleibt ihm nur noch der Weg in die Berge, denn zurück nach Bogota darf er nie. In den Bergen aber warten wir auf ihn! Verstehen Sie, Doctor? Ihr Tod ist Revailas Lebensversicherung! Gehen Sie in Penasblancas nie allein aus. Und auch Polizeischutz ist Blödsinn. Wenn man einen Kennedy inmitten von Revolvermännern erschießen konnte, ist ein Dr. Morero für Revaila nicht mehr als eine Zielscheibe.«

«Wäre es nicht einfacher, Revaila zu verhaften?«

«Ohne Grund? Das ist es ja: Man kann ihm nie etwas nachwei-sen!«

«Auf einmal gelten in Penasblancas Gesetze?«

«Verrückt, nicht wahr? Aber das sind Gomez und Salto. Sie wollen aus Penasblancas ein Musterstädtchen machen! Vielleicht gelingt es Ihnen, daß man Revaila unter Polizeiaufsicht stellt, solange Sie da sind. Was nicht heißen soll, daß Revaila nicht auch das einkalkuliert hat und zufrieden in seiner Zelle sitzt, während seine Helfer Ihnen das Fell durchlöchern. «Dr. Novarra winkte ab. Der Regen trommelte auf die Plane, die Straße war zu einem Fluß geworden, der rauschend ins Tal stürzte. Von den Felswänden fiel das Wasser in breiten Bahnen. Von weitem rollte es wie Donnern.

«Da fängt es an!«sagte Novarra.»Bergstürze. Das Wasser unterspült ganze Hänge, die dann abrutschen. Das gibt wieder eine Menge Tote und Verletzte. Simpson, das Saufloch, wird mit Leibern bis unters Dach zugeworfen werden. «Das Grollen verstärkte sich. Es war, als zittere unter ihnen der Boden.»Mein Gott, ist das ein Regen. So war es zum letztenmal vor sieben Jahren. Da hat keiner mehr gehofft, noch einen Guaquero wiederzusehen. Die sind alle ersoffen oder vom Berg erschlagen, hieß es in Muzo. Damals zerstörte eine Geröllflut auch die Hälfte von Penasblancas.«

Es regnete bis zum Morgen. Eine Sonne gab es nicht mehr. Nur einen grauen Himmel, der das Licht aufsaugte, mit Wasser auffüllte und dann auf die Erde schleuderte. Auch als der Regen nachließ und sich normalisierte, was bedeutete, daß es für europäische Begriffe immer noch ein Wolkenbruch war, blieb der Tag wie in einem grauen Sack hängen, ein diffuses Licht, als verlösche langsam die Sonne und die Welt zerfließe ohne die Wärme aus der Unendlichkeit.

Unter Planen und Decken, die schnell durchweichten und dann bleischwer wurden, mit in wenigen Augenblicken durchnäßten Kleidern zogen sie weiter ins Tal von Penasblancas. Wie Geister tauchten sie aus der Regenwand auf, als sie die Straße erreichten, die am Fuße der Berge endete, beziehungsweise begann. Dort wartete Leutnant Salto mit einem Jeep und vier Polizisten in einem Zelt. Ein

Ölofen verbreitete herrliche Wärme, in einem Kessel brodelte starker Tee.

Felipe Salto rannte Dr. Mohr mit ausgebreiteten Armen durch den Regen entgegen. Vor fünf Minuten hatte Dr. Novarra mit seinen fünfzehn Männern sich von Dr. Mohr verabschiedet. Ein vorausgeschickter Späher hatte gemeldet, daß die Polizei am Beginn der Straße ihr Lager aufgeschlagen hatte.