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Als sie sprach, war es Ben aufgefallen, wie verschieden sie doch von Angie war. Dann war es ihm seltsam vorgekommen, daß er daran dachte.

«Wird das nicht schwierig für Sie? Ich denke, daß Sie die Materialsuche abgeschlossen haben und die Gliederung bereits feststeht.«

«Das ist richtig. Aber ich habe das Interesse an dem Thema verloren.

Na ja.«, sie blickte ihn unverwandt an,»nicht direkt das Interesse verloren. Nur war es so, daß mich etwas anderes mehr zu interessieren begann. Ich weiß, wie sehr Sie es mißbilligen, wenn man mitten im Semester das Thema wechselt, aber ich denke, ich könnte ein anderes Sachgebiet besser bearbeiten.«

Ben hatte nach seiner Pfeife gegriffen.»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich rauche?«

Judy schüttelte den Kopf. Eigentlich störte es sie. Sie haßte es wie die Pest, wenn ihr jemand Rauch ins Gesicht blies. Doch schließlich war dies sein Büro, und sie wollte ihn um einen

Gefallen bitten. Ben machte wie üblich aus dem Anzünden seiner Pfeife ein langes Ritual und verbrachte die nächsten ein oder zwei Minuten schweigend damit. Als er endlich fertig war und sie durch eine graue Wand aus Tabakrauch anblickte, meinte er:»Ich sollte Ihnen eigentlich von einem solchen Schritt abraten, doch offensichtlich sind Sie mit einem anderen Thema glücklicher, und Ihre Zeugnisse zeigen, daß Sie eine gute Studentin sind. Ich werde mir also Ihr neues Thema notieren. «Er öffnete seinen schäbigen AllerweltsKarteikasten, nahm eine Karte heraus, strich etwas durch und hielt dann den Kugelschreiber bereit. Erwartungsvoll hob er die Augenbrauen.

«Der neue Titel soll lauten: >Das Hebräische des Eleasar Ben Jehuda<.«

Ben schrieb es auf, steckte die Karte zurück und zog an seiner Pfeife.»Es scheint kein leichtes Thema zu sein, obwohl es gut zum Unterrichtsstoff paßt. Aber was gefällt Ihnen nicht an Ihrem ersten Thema, >Die Sprache der Aschkenasim<?«

«Es war zu eng und schränkte mich zu sehr ein. Und vielleicht war es auch nicht so gut auf das Thema des Unterrichts anwendbar. Was Ben Jehuda für das Hebräische tat, kann man heute im israelischen Rundfunk hören und in Zeitungen aus Tel Aviv nachlesen.«

«Es scheint eine sehr anspruchsvolle Arbeit zu sein. Werden Sie überhaupt so viel Zeit haben?«Judy grinste.»Mehr als genug.«

Ben paffte gedankenverloren an seiner Pfeife.»Worüber wollen Sie Ihre Magisterarbeit schreiben?«

«Nun, das steht für mich schon fest. Ich habe mich schon immer für besondere religiöse Gruppen interessiert, die sich dem Einfluß bedeutender historischer und religiöser Strömungen entzogen.«

«Wie die Samaritaner?«

«Ja genau, nur dachte ich daran, mich mit den Kopten, der christlichen Kirche Ägyptens, zu befassen. Vielleicht mit ihren Ursprüngen.«

«Tatsächlich? Irgendwie dachte ich, Sie würden sich etwas aussuchen, was näher mit Ihrer Heimat verbunden ist.«

«Warum? Für was halten Sie mich eigentlich, Dr. Messer, für eine strenggläubige Jüdin?«

Ben starrte sie eine Sekunde lang an, dann warf er seinen Kopf zurück und lachte. Seltsamerweise entsprach dies genau seinem Eindruck von Judy Golden — der Tochter Israels, der glühenden Zionistin.»Ich bin nicht einmal eine orthodoxe Jüdin«, fügte sie belustigt hinzu.»Tut mir leid, Sie zu enttäuschen. Ich koche am Sabbat.«

«Ach wirklich?«Er rief sich die samstäglichen Rituale und Beschränkungen ins Gedächtnis zurück. Heute konnte er darüber lächeln. Schon seit langem hatte er nicht mehr an diese so lange zurückliegenden trostlosen Sabbate gedacht. Und seltsam genug, jetzt, da er vor Judy Golden saß, wurde ihm erst bewußt, daß ihm die Worte» ich bin Jude «seit dreiundzwanzig Jahren wieder zum ersten Mal über die Lippen gekommen waren, als er sich vor zwei Tagen mit ihr unterhalten hatte. Damals hatte es ihn nicht überrascht, doch jetzt, in der Gegenwart dieses Mädchens, verwirrte es ihn.»Die Kopten sind eine interessante Gruppe«, hörte er sich selbst sagen.»Sie führen ihre Kirche auf den heiligen Markus zurück und haben dem gewaltigen Druck des Islam bis heute standgehalten. Ihr Museum im Süden Kairos ist ganz einzigartig.«

«Das kann ich mir vorstellen.«

Seine Pfeife ging langsam aus. Daher klopfte er sie in dem billigen Glasaschenbecher auf seinem Schreibtisch aus.»Zufällig bin ich übrigens gerade dabei, einen erst kürzlich gefundenen Kodex aus der Gegend von Alexandria zu übersetzen. Man hat ihn in einem alten, verlassenen Kloster entdeckt, das wohl im sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert zum letzten Mal bewohnt war.«

«Wirklich?«

«Ich werde Ihnen diesen Kodex gerne einmal zeigen.«

«Oh, das wäre einfach.«

«Ich versuche, daran zu denken, ihn mitzubringen. Vielleicht nächste Woche. «Er schielte auf seine Armbanduhr. Um diese Zeit war die Post sicher schon da gewesen. Er wollte nach Hause. Es könnte ja etwas von Weatherby dabeisein, vielleicht eine weitere Schriftrolle.»Es ist nicht das Original, verstehen Sie, aber eine qualitativ gute Fotoablichtung. Die Urschrift wird in Kairo aufbewahrt. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen.«

Ein lautes Krachen ertönte aus dem offenen Kamin, ein paar Funken flogen, und Ben kehrte in die Gegenwart zurück. Angie war aufgestanden und bürstete sich vor dem Spiegel die Haare. Er beobachtete sie dabei, während ihr bronzefarbenes Haar den Schein des Feuers widerspiegelte. Sie waren übereingekommen, zwischen zwei Semestern zu heiraten, und bis dahin lagen noch viele Wochen vor ihnen. Sie wollte ihre Einrichtung verkaufen und in seine Wohnung ziehen. Der einzige Grund, weshalb sie nicht schon jetzt zusammenlebten, war seine Arbeit. Dafür brauchte er Zurückgezogenheit, Ruhe und Einsamkeit.

«Vielleicht bekommst du ja morgen etwas«, tröstete sie ihn, als sie sein Gesicht hinter sich im Spiegel sah.

«Hoffentlich. «An diesem Nachmittag war er gleich im Anschluß an sein kurzes Gespräch mit Judy Golden nach Hause geeilt und hatte dort nur einen gähnend leeren Briefkasten vorgefunden.»Die nächste Rolle könnte möglicherweise noch weltbewegender sein. «Ben fühlte, wie sich seine Stirn in Falten legte. Inwiefern würde sich sein Leben durch die Heirat ändern? Wie konnten sie sich einigen, damit ihm seine gewohnte Privatsphäre auch dann erhalten bliebe, wenn Angie einzog? Sie hatte zwar versprochen, ihn nicht bei der Arbeit zu stören und nicht in sein Zimmer zu kommen, während er übersetzte. Und dennoch wurde er an Abenden wie diesem von winzigen Zweifeln beschlichen. Angie bestand darauf, ins Kino zu gehen. Es geschehe zu seinem eigenen Besten, meinte sie, wenn sie ihn dazu bringen konnte, sich ein wenig zu entspannen und seine Schriftrollen zu vergessen. Aber Ben war sich nicht sicher, ob er das wirklich wollte.

Am Montagmorgen fühlte er sich endlich wieder normal. Übers Wochenende hatte er viel Zeit allein verbracht und nachgedacht. Das hatte ihm geholfen, die Dinge wieder etwas klarer zu sehen. Schließlich war er Wissenschaftler und kein Romantiker. Nur weil die ersten drei Fragmente in einem so guten Zustand gewesen waren und solchen Zündstoff geboten hatten, hieß das noch lange nicht, daß das übrige Material aus dem Versteck in den Ruinen von Migdal ebenso ergiebig war. Er mußte sich auf eine Enttäuschung gefaßt machen und seine Hoffnungen nicht noch höher schrauben. Den ganzen Samstag und Sonntag über hatte er am alexandrinischen Kodex gearbeitet und Randall dann einen ausführlichen Tätigkeitsbericht geschickt.

Seine äußere Ruhe und seine Unvoreingenommenheit als Wissenschaftler wurden jedoch jäh erschüttert, als er am Montagnachmittag den Briefkasten öffnete und ihm daraus ein leicht beschädigter Briefumschlag mit israelischen Marken in die Hände fiel. Mit Überraschung stellte er fest, daß seine Handflächen schwitzten, als er seine beinahe schon rituellen Vorbereitungen für die Arbeit traf.»Ich bin aufgeregter, als ich dachte«, sagte Ben zu sich selbst. Dann lachte er leise. Er wußte, weshalb.»Niemand hat vor Tutenchamuns Grab von