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»Wir müssen an Guinivevre denken«, sagte er. »Du trägst jetzt eine große Verantwortung. Es ist besser, wenn du sie zu ihrem Vater in die Burg an der Loire bringst, oder doch wenigstens zu Nicholas, der sie beschützen wird.«

»Ich will aber bei dir bleiben«, jammerte Sean. »In Männerkleidung wird auch Guinivevre ihren Mann stehen.«

Henri fühlte sich elend, weil er hart bleiben musste. Er hatte in Akkon zu viele junge Männer sterben sehen, auf die zu Hause vergeblich Mütter, Frauen und Kinder warteten. »Nur zu gerne möchte ich dich bei mir behalten«, versicherte er dem Jungen. »Aber denke auch an deine Mutter, der ich versprochen habe, dich zu behüten.«

»Wenn du es für richtig hältst, dann muss es auch mir recht sein«, räumte Sean schweren Herzens ein. »Aber versprich mir, dass wir uns in Beaumont wieder sehen werden!«

Henri reichte ihm die Hand. »Ich verspreche es bei Gott und allen Heiligen.«

Am nächsten Morgen begaben sich Sean und Guinivevre auf den Heimritt. Henri umarmte seinen Knappen und füllte ihm die Taschen mit Münzen. »Du bist jetzt ein Mann. Benutze deine Lanze, wenn du es für nötig erachtest! Vor allem aber: Wenn du einmal traurig bist, singe eins deiner fröhlichen Lieder!«

Guinivevre hatte die letzten Worte gehört. »Ich werde ihm eine Schwögel schenken. Als Musikanten werden wir überall beliebt sein und ein Unterkommen finden.« Eine Schwögel war eine kleine klappenlose Querflöte mit drei Grifflöchern.

»Du bist ein tapferes Mädchen«, sagte Henri. »Wenn ihr weiter zusammenhaltet, ist mir um euch nicht bange.«

Er schaute ihnen nach, während sie den Hügel hinabritten, bis sie die Yonne erreicht hatten. Seans Lied schallte zu ihm herauf.

Henri war sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Er wandte sich Uthman zu. »Das war sehr leichtsinnig von dir, vor einem Pfarrhaus deinen Teppich auszubreiten, um mit dem Gesicht nach Mekka zu beten.«

Uthman machte eine wegwerfende Geste. »So waghalsig war das gar nicht. Ich konnte mir vorstellen, dass es nach Paris für dich nur diesen einen Weg geben konnte. Da habe ich eben in Montereau gewartet. Wir waren lange genug beieinander. Darum kenne ich deine Strategie. Erst als ich dich und deine Begleiter kommen sah, habe ich meinen Teppich ausgebreitet.«

»Da hattest du Glück. Der Zufall hat dir geholfen.«

»Das Schicksal, die Sterne und Allah«, behauptete Uthman. »Einen Tag, nachdem du abgereist warst, habe auch ich mich auf den Weg gemacht. Die beunruhigenden Nachrichten, die von französischen Flüchtlingen nach Cordoba überbracht wurden, ließen mich Böses ahnen. Ich kannte dich genügend, um mir vorstellen zu können, dass du dich in irgendein gefährliches Abenteuer stürzen würdest.«

Joshua konnte es nicht lassen, zustimmend zu nicken. Henri nahm ihm dies nicht übel. Er hatte ja Recht.

»Als dein Freund wollte ich dich nicht im Stich lassen«, fuhr Uthman fort. »Ich bin weit durch Frankreich geritten, um dich zu finden. Auch die Wälder rings um Fontainebleau habe ich durchsucht. So gut kannst du dich nicht verbergen, dass ich dich nicht aufstöberte.«

Henri, der eben noch über den immer zuversichtlichen Uthman gelächelt hatte, wurde ernst. »Joshua und ich sind auf dem Weg nach Paris. Wir werden Philipp töten. Denn seine Verbrechen dürfen nicht ungesühnt bleiben. Er wird durch unsere Hände sterben.«

Die beiden anderen nickten. »So soll es sein.« 

19

Als es dämmerte, setzten sich die drei Verschwörer zu einer Besprechung um ein Lagerfeuer. »Wir wollen die Flammen niedrig halten«, warnte Henri. »Ich bin besorgt. Wir sind sehr nahe bei Fontainebleau.«

Aber Uthman beruhigte ihn. »Ich war vor kurzem dort. Der königliche Tross ist abgerückt. Nur die Stallmeister und Jäger halten sich noch in den Nebengebäuden auf.«

»Hat dich irgendjemand gesehen, der dich wieder erkennen könnte?«

Uthman tat empört. »Für wie dumm hältst du mich? Ich habe den Waldrand nie verlassen.«

»Trotzdem schlage ich vor, dass wir bis Melun abseits der Seine weiterreiten. Dort suchen wir im Hafengelände nach einem Lastkahn. Irgendein Schiffer wird sich schon bereit erklären, uns bis Paris mitzunehmen.«

Joshua, der nachdenklich zu Boden geschaut hatte, nickte zustimmend. »Der Plan ist gut. Dennoch möchte ich noch etwas hinzufügen. Du weißt, Henri, dass ich früher einige Zeit in Gambais, westlich von Paris, gelebt habe. Vielleicht könnte mich dort jemand erkennen. Falls der Lastkahn Paris durchqueren sollte, um den Kurs zur Seinebucht einzuschlagen, sollten wir bis zu einer nördlichen Landungsbrücke an Bord bleiben.«

Henri zog seine Karte hervor. »Das scheint mir ein guter Vorschlag zu sein. Morgen in aller Frühe wollen wir aufbrechen. Montereau brennt mir schon unter den Fußsohlen.«

»Schade, dass du diesen Ort so schnell verlassen willst«, meinte Uthman mit gespielt trauriger Stimme. »Ich hätte gerne noch einmal vor dem Pfarrhaus zu Allah gebetet.«

Henri konnte diese Bemerkung nicht lustig finden. »So etwas hätte auch Sean sagen können. Du möchtest mir mit deinen Scherzen wohl die Trennung von meinem Knappen erleichtern. Aber bist du nicht schon zu erwachsen für derartige Wünsche?«

»Pah, sei nicht gar so ernst!«, brummte Uthman, rollte sich in seine Satteldecke ein und drehte den anderen beiden den Rücken zu.

Aber Henri zog ihm die Decke von den Schultern. »Mir ist da soeben ein guter Gedanke gekommen. Falls das Geld nicht reicht, um den Schiffer zu bezahlen, werden wir ihm deine Arbeitskraft anbieten. Der syrische Schiffseigner hat dich auf unserer Überfahrt ausgezeichnet geschult. Im Scheuern des Decks bist du geradezu ein Meister.«

Uthman fuhr kerzengerade hoch. »Da habe ich einen noch viel besseren Vorschlag. Sicher wird der Seineschiffer mir eine hübsche Summe Goldmünzen aushändigen, falls ich ihm verrate, wen er da an Bord hat. König Philipp wird ihn reich entlohnen, wenn der Schiffer ihm den lang gesuchten Templer Henri de Roslin ausliefert.«

»Was soll denn dieses elende Geschwätz?«, fuhr Joshua dazwischen. »Jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt, um dumme Scherze auszutauschen. Ich lasse jetzt das Feuer ausgehen. Vielleicht kühlt die nächtliche Kälte eure Gemüter ab.«

Die Nacht war tatsächlich kalt, und die ersten Sonnenstrahlen brachten keine Wärme. Dichter dunkelgrauer Nebel hüllte das Flussbett ein. Die Uferwiesen schimmerten weiß, als ob der März noch einmal Frost gebracht hätte. Die Pferde, denen sie die Satteldecken genommen hatten, um sich darin einzuhüllen, stampften ungeduldig mit den Hufen. Sie sehnten sich ebenso nach wärmender Bewegung wie ihre Reiter, die ihnen gar nicht schnell genug Sattel und Zaumzeug anlegen konnten.

»Wir müssen eine Furt suchen, um das andere Flussufer zu erreichen«, sagte Henri, der vor dem Aufbruch die Karte studiert hatte. Aber die schiffbare Seine verwehrte ihnen zunächst den Übergang, sodass sie ein Stück an den Ufern der Yonne zurückreiten mussten. »Das ist allemal besser als die Nähe von Fontainebleau«, tröstete Henri, als sie in dem eisigen Wasser den Fluss durchquerten.

Da sich die Luft nur langsam erwärmte, hatten sie eine schnelle Gangart vorgelegt. Mehrmals ließen sie die Pferde in der Ebene galoppieren. So erreichten sie eher als erwartet den Ort Melun an der Seine. Am Pier ankerten zahlreiche Lastkähne. Einige waren mit hohen Türmen von Brennholz beladen, das wohl für Paris gedacht war. Henri und Joshua mussten beide an den schrecklichen Tag denken, als die Großmeister des Templerordens den Feuertod auf dem Scheiterhaufen erlitten hatten. Der Anblick des Holzes war ihnen schrecklich. Sie wandten sich ab.

Nur Uthman, dem dieses furchtbare Schauspiel erspart geblieben war, wies zum Hafen. »Da haben wir ja reiche Auswahl«, meinte er frohlockend.