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Hustend lief Cordwainer an der Spitze seiner Männer die geschwungene Treppe nach oben und rief dabei laut nach Virginia. Fast hatte er den oberen Absatz erreicht, als eine Tür geöffnet wurde.

Es war nicht Virginia, sondern ein Mann, ein Weißer.

Haley reagierte schnell und gab zwei Schüsse auf den Mann im Türrahmen ab. Sie trafen ihn mitten in die Brust.

Mit einem lauten Röcheln ging der Mann zu Boden und ließ den Karabiner los, den er in den Händen gehalten hatte.

Cordwainer erkannte den alten Robert Hunter und wollte ihn nach Virginia fragen. Aber das Röcheln des alten Mannes war schon erstorben, und die Augen in seinem faltigen Gesicht blickten starr ins Leere.

»Ein Sklavenschinder weniger«, sagte Haley verächtlich und spuckte vor der Leiche aus.

Ein Blick in das Zimmer, aus dem der Herr von Starcrest gekommen war, zeigte Cordwainer, daß sich niemand sonst dort aufhielt. Es war ein Arbeitszimmer mit hohen Bücherschränken und einem großen Schreibtisch vor dem Fenster. Die Fensterscheibe war eingeschlagen. Der alte Hunter hatte sich hier verschanzt und versucht, seine Plantage gegen die Jayhawkers zu verteidigen.

Cordwainer lief weiter, und seine Männer folgten ihm. Ein paar Türen weiter hörten sie laute Schußgeräusche. Der Mann in der Majorsuniform gab Haley ein Zeichen, und der Schmied trat auch diese Tür auf, während alle anderen mit schußbereiten Waffen warteten.

Es war ein großes Schlafzimmer, rosafarben und reich verziert, mit einem prunkvollen Himmelbett. Das Schlafzimmer einer Frau.

Ein blonder Mann im Unterhemd hockte neben dem zersplitterten Fenster auf dem Boden und gab Schuß um Schuß aus seinem Revolver auf die Jayhawkers draußen ab.

Neben ihm kniete eine junge Frau mit langen, rotblonden Haaren, die in weichen Wellen weit in ihren Rücken fielen, und lud fieberhaft seine Waffen nach. Sie trug nur ein reich besticktes Nachthemd.

»Virginia!«

Cordwainer hatte diesen Schrei beim Anblick der Frau unwillkürlich ausgestoßen.

Sie und der Mann, Custis Hunter, fuhren herum und blickten die Eindringlinge überrascht an.

Dann reagierte der Sohn des toten Plantagenbesitzers und richtete seinen Revolver auf die Jayhawkers in der Tür.

Aber diese waren schneller und setzten Custis Hunter mit einer Serie von Schüssen außer Gefecht.

Cordwainer beteiligte sich ganz bewußt nicht daran. Er wollte sich von Virginia nicht vorwerfen lassen, Custis getötet zu haben.

Als der junge Hunter blutüberströmt zusammensackte, stieß Virginia einen Entsetzensschrei aus und warf sich über ihren Geliebten, barg seinen von mehreren Kugeln getroffenen Oberkörper in ihren Armen.

»Custis!« schrie sie in panischer Angst. »O Gott! Custis, sag doch etwas!«

Der junge Mann antwortete nicht. Seine Augen waren geschlossen und sein Körper reglos.

»Ich schätze, er ist tot«, sagte teilnahmslos Cordwainer, der vor die beiden getreten war.

Virginia hob den Kopf und starrte den Mann in der blauen Uniform an. In die Todesangst um ihren Geliebten, die aus ihren großen, grünen Augen sprach, mischten sich Verachtung und Haß.

»Du hast ihn ermordet, Byron«, sagte die junge Frau fast tonlos.

Cordwainer schüttelte den Kopf. »Ich habe nicht einen Schuß auf ihn abgegeben, Virginia.«

»Aber du hast es befohlen! Es waren deine Männer, und es war dein Mord. Dafür sollst du bezahlen! Ich verfluche dich, Byron Cordwainer!«

Sie hatte den Revolver ihres Geliebten aufgehoben und wollte die schwere Waffe mit beiden Händen auf Cordwainer richten. Der trat sie ihr mit solcher Kraft aus den Händen, daß die Waffe durchs halbe Zimmer flog.

Tränen traten in die Augen der Frau. Sie begann zu schreien und trommelte mit den Fäusten auf den großen Mann in der Offiziersuniform ein.

Cordwainer stand vor ihr, blickte auf sie nieder und sah sich das ein paar Sekunden an. Dann setzte er sie mit einem Fausthieb unters Kinn außer Gefecht.

Er sah Haley an. »Nimm Virginia mit. Wir rücken ab.«

»Ja, Major«, sagte der bullige Hufschmied und lud sich die Frau mit solcher Leichtigkeit über die Schulter, als wäre sie nur ein mit Federn gefülltes Kissen.

Als die Jayhawkers die Treppe hinabliefen, war es höchste Zeit. Die Flammen leckten bereits an dem alten Holz der Treppe, und das Erdgeschoß war die Hölle auf Erden. Ganze Wände schienen nur noch aus Feuer zu bestehen. Der Rauch ließ den Männern kaum Luft zum Atmen.

Im Freien holten sie endlich tief Luft und stiegen auf ihre Pferde. Sämtlicher Widerstand auf der Plantage schien gebrochen. Sie hörten keine Schüsse mehr.

Byrons zehn Jahre jüngerer Bruder Ellery trieb seinen Apfelschimmel heran und meldete, daß die Plantage in der Hand der Jayhawkers war.

»Setzt alles in Brand!« befahl Byron Cordwainer. »Auch die Stallungen und die Sklavenunterkünfte. Ich will, daß nichts übrig bleibt von diesem verfluchten Starcrest!«

Ellery grinste verstehend und ritt davon, um den Befehl seines älteren Bruders in die Tat umzusetzen.

Byron lenkte sein Pferd von der Plantage weg. Neben ihm ritt Haley, der die noch immer bewußtlose Virginia wie einen Proviantsack quer vor sich über den Sattel geworfen hatte.

»Wollen wir uns das hübsche Feuerchen bis zum Ende ansehen, Major?« fragte der Schmied hoffnungsvoll.

»Nein«, entschied Byron Cordwainer nach einem kurzen Blick auf Virginia. »Wenn sie aufwacht, sollten wir möglichst weit von Starcrest weg sein.«

Während ihre Gefährten mit brennenden Fackeln um die Stallungen und Sklavenunterkünfte jagten, ritten die meisten Jayhawkers hinter ihrem Anführer her und verließen die Plantage.

In ihrem Rücken schob sich die Sonnenscheibe in den tiefblauen Himmel. Aber an diesem Morgen bedurfte es ihres Lichtes nicht, um Starcrest in hellen Glanz zu tauchen.

Das tödliche Feuer, das die stolze Plantage verschlang, strahlte heller und heißer als die Sonne.

*

Als Custis Hunter die Augen aufschlug, stellte er fest, daß er tot war. Es mußte so sein. Rings um ihn loderten wild die Flammen des Fegefeuers und fraßen sich mit ungeheurer Gier auf ihn zu. Wie würde es sein, die ewige Verdammnis am eigenen Leib zu spüren?

Er lag auf dem Boden, und sein Körper schmerzte, als hätte er schon die schlimmsten Martern hinter sich. Aber Custis konnte sich nicht daran erinnern. Nur daran, daß da irgend etwas Schreckliches gewesen war. So schrecklich, daß er sich über den Verlust der Erinnerung fast freute.

Es mußte die Hölle sein. Plötzlich sah er einen Teufel, riesengroß und rabenschwarz, der durch die Flammen auf ihn zugeflogen kam. Um ihm die Eingeweide bei lebendigem Leib herauszureißen?

Doch statt dessen hob der Teufel ihn hoch und nahm Custis wie ein Kind auf die Arme. Ganz nah sah er das schwarze Gesicht der Kreatur vor sich. Er kannte dieses Gesicht. Schmorte er schon so lange in der Hölle?

Der Teufel stürzte Custis in das Flammenmeer. Nein, er trug ihn hindurch. So schnell, daß die Flammen Custis fast unbehelligt ließen. Nur die ungeheure Hitze und der dichte Rauch raubten ihm beinahe den Atem und das Bewußtsein.

Trotzdem sah Custis unterwegs etwas, das die Erinnerung zurückbrachte. Noch ein bekanntes Gesicht. Es gehörte einem Mann, der reglos am Boden lag und von der Feuersbrunst geröstet wurde.

Kein Opfer der Hölle, sondern sein Vater, Robert Hunter.

Die Hitze wurde so stark, so unerträglich, daß sie die Erinnerung an seinen Vater aus Custis' Gedächtnis brannte. Seine Gedanken drehten sich nur noch um eins: Atmen.

Plötzlich war Luft zum Atmen da. Frische Luft, soviel er wollte. Und er sog sie so heftig in seine Lungen, daß sie zu schmerzen begannen. Er fühlte sich wie ein Verdurstender, der ein Wasserloch gefunden hatte und jetzt mit dem Trinken nicht mehr aufhören konnte.

Der schwarze Teufel legte ihn vorsichtig auf den Boden, und wieder spürte er den starken Schmerz, der von seiner Brust aus auf den ganzen Körper ausstrahlte.