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»Unbedingt«, antwortete Custis Hunter entschieden. »Byron Cordwainer ist ein vorsichtiger Mann. Er würde sofort seine Männer zusammentrommeln und die Stadt in eine Festung verwandeln.«

»Dann rätst du uns dazu, den Treck abzufangen?«

Custis sah dem Anführer der Guerillas fest in die Augen. »Ja, Captain.«

»Also gut«, sagte Quantrill und stemmte sich aus dem schmalen Klappstuhl. »Wir lassen nur eine kleine Bewachung im Lager und brechen schnellstmöglich auf. Abmarsch ist in zehn Minuten!«

Custis verließ das Zelt und ging zu dem Felsüberhang, unter dem Melvin kauerte und in seiner alten, fleckigen Bibel las. Zwar war es den Sklaven verboten, lesen zu lernen, aber darum hatte sich Custis als Junge nicht geschert, als er seinem >Bruder< heimlich die Bedeutung der Buchstaben beibrachte.

Außer Custis hielt kaum einer der Männer Kontakt zu Melvin. Quantrills Leute waren in der Überzahl eingefleischte Südstaatler. Einen Schwarzen gleichberechtigt an ihrer Seite reiten zu sehen, war für sie ein höchst befremdlicher Gedanke. Anfangs war es zu einigen Anfeindungen gekommen. Aber Melvin war kein Feigling und kein Schwächling und hatte sich schnell Respekt verschafft. Er und sein ehemaliger Herr blieben weitgehend für sich.

Nur Quantrill schien Custis voll zu akzeptieren. Kein Wunder, hatte Custis ihn doch genau über die Stärke der Jayhawkers in Blue Springs informiert.

Melvin klappte die Bibel zu und sah dem blonden Mann gespannt entgegen, der unter dem Felsüberhang vor den Regenfluten Schutz suchte.

»Was gibt es Neues?« fragte der ehemalige Sklave.

Custis berichtete es ihm. »Wir brechen sofort auf, um den Treck zu verfolgen, bevor er Blue Springs erreicht.«

»Dann geht es endlich los«, sagte Melvin zufrieden. »Endlich können wir uns an Cordwainer und seinen Männern rächen.«

»Ich frage mich, ob wir das Richtige tun. Schließlich leben in Blue Springs unschuldige Frauen und Kinder.«

»Frauen und Kinder lebten auch auf Starcrest, Master Custis. Das hat diese verdammten Jayhawkers nicht davon abgehalten, alles niederzubrennen und zu töten, wer ihnen vor die Läufe kam.« »Aber haben wir deshalb das Recht, es ihnen gleichzutun?«

Melvin sah auf das Buch in seinen Händen. »Hier steht es drin, ich habe es gerade wieder gelesen: Auge um Auge, Zahn um Zahn.«

»Aber in der Bibel steht auch, daß man seinen Feinden verzeihen soll. Daß man jemandem, der einen auf die eine Wange schlägt, auch die andere hinhalten soll.«

Melvin schüttelte den Kopf. »Wer so etwas sagt, kennt die Jayhawkers nicht!«

*

Die Fahrer kannten keine Rücksicht und gewährten den Zugtieren keine Schonung. Gnadenlos machten sie von ihren Peitschen Gebrauch, sobald auch nur eins der Tiere erste Anzeichen von Ermüdung zeigte.

Das Glück schien mit dem Wagenzug zu sein. Seit der Begegnung mit den drei Guerillas war kein Wagen steckengeblieben.

Eine dreiviertel Stunde war seit dem Aufbruch der Wagen vergangen, als Jacob, der dem Treck voranritt, eine Art Turm vor sich aus dem grauen Einerlei herausragen sah. Er fragte einen der Fahrer danach.

»Das ist Lone Rock, ein einzelner Felsen in der sonst flachen Gegend. Die Brücke ist ganz in der Nähe. Sieht so aus, als würden wir es schaffen. - Falls die Brücke noch steht.«

»Wieso sollte sie nicht?« fragte Jacob verwirrt.

»Vielleicht haben die drei nicht gelogen, was die Brücke angeht.«

Daran hatte Jacob noch gar nicht gedacht. In der Tat wäre es für den Wagenzug fatal gewesen, wenn die Brücke tatsächlich eingestürzt war. Dann hatten sie keine Chance, Quantrills Reitern zu entkommen.

»Ich reite voraus und sehe nach«, entschied Jacob und trieb Collums Braunen an.

Das Tier holte kräftig aus und entfernte sich bald von dem nur im Schrittempo vorankommenden Wagenzug. Der dünne Turm wuchs, je näher ihm Jacob kam, zu einem schlanken, zerklüfteten Felsen heran, dessen Höhe von etwa dreißig Yards in der sonst flachen Umgebung beeindruckend wirkte.

Der einsame Felsen war Jacob in diesen Minuten allerdings nicht so wichtig wie die hölzerne Brückenkonstruktion, die sich über den Blue River spannte. Ein Stein, so groß wie der turmartige Felsen vor ihm, fiel ihm vom Herzen, als er erkannte, daß die James-Brüder und Cole Younger gelogen hatten.

Er konnte dieses Gefühl nicht lange genießen. Als er den Braunen wenden wollte, um zum Wagenzug zurückzukehren, sah er die verschwommenen Gestalten eines Reiterpulks, der sich, zu dem Treck etwa im rechten Winkel stehend, auf den Felskegel zubewegte. Es mußten weit mehr als fünfzig Männer sein, die sich Lone Rock im rasenden Galopp näherten, Jacob zweifelte keine Sekunde daran, daß es sich um Quantrills Guerillas handelte.

Einen Moment war er unschlüssig, was er jetzt tun sollte.

Sein erster Impuls war, zum Wagenzug zurückzureiten und ihn zu noch größerer Eile anzuspornen. Aber schnell wurde ihm klar, daß die schweren Wagen die Brücke nicht vor den schnell näherkommenden Reitern erreichen würde.

Es gab nur eine Lösung: Quantrills Männer mußten aufgehalten werden.

Jacob lenkte den Braunen zum Fuß des Felskegels, stieg ab, zog den Karabiner aus dem Scabbard und fand in den Satteltaschen Päckchen mit Ersatzmunition für Karabiner und Revolver. Mit Waffen und Munition kletterte er an dem Felsen hinauf, bis er auf nicht ganz halber Höhe eine Nische fand, in die sich ein Mann bequem hocken konnte.

Er brachte den Karabiner in Anschlag und feuerte einen Schuß ab, den er ganz bewußt vor die ersten Reiter in den Boden setzte. Er wollte niemanden verletzen, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Daß Jacob im Umgang mit Schußwaffen geradezu ein Naturtalent war, hatte sich schon mehrmals gezeigt, auch wenn er diesen Waffen keine großen Sympathien entgegenbrachte. Auch jetzt landete seine Kugel genau da, wo er sie hinhaben wollte. Eine halbe Pferdelänge vor den ersten Reitern spritzte sie in den aufgeweichten Boden und brachte die Kavalkade tatsächlich zum Halten.

Quantrills Männer schienen miteinander zu diskutieren. Wahrscheinlich fragten sie sich, woher der Schuß gekommen war. In seiner Felsendeckung mußte Jacob für sie so gut wie unsichtbar sein.

Jacob war ihr Zögern nur recht. Jede Minute, die verrann, brachte den Wagenzug der Brücke näher.

Auch beim Treck hatte man den Schuß gehört und die richtigen Schlüsse gezogen. Die Fahrer trieben die Tiere zu noch größerer Eile an, sobald die Passagiere ausgestiegen waren, um die Wagen zu erleichtern.

Sie liefen links und rechts neben den Wagen her. Ganz vorn erkannte Jacob seinen Freund Martin, der die Leute anspornte und ihnen half, wenn sie erschöpft zusammenbrachen oder im Schlamm stolperten.

Der Reitertrupp setzte sich wieder in Bewegung und wurde rasch schneller.

Das Halten nach Jacobs Schuß hatte dem Treck einen vielleicht entscheidenden Vorsprung verschafft, um die Brücke kurz vor den Guerillas zu erreichen. Aber was nützte das, wenn die Reisenden direkt vor die Gewehrläufe der Freischärler liefen?

Jacob, der nachgeladen hatte, schickte den Guerillas einen zweiten Schuß entgegen. Diesmal hatte er auf einen der vorderen Reiter gezielt, allerdings so tief, daß er hoffte, nur das schwarze Pferd zu treffen.

Tatsächlich brach der Rappe zusammen, stürzte kopfüber und hätte seinen Reiter unter sich begraben, wäre dieser nicht aus dem Sattel geschleudert worden. Ein paar Männer zügelten ihre Tiere und stiegen ab, um ihrem Kameraden zu helfen. Aber das Gros hielt weiterhin auf Lone Rock zu.

Jacob lud nach und zielte beim nächsten Schuß auf einen der Guerillas selbst. Der Schuß riß den Mann zu Boden, und die Freischärler verlangsamten ihren Galopp.

Ein vierter Schuß, der einen weiteren Reiter aus dem Sattel schleuderte, brachte den Angriff vollends zum Erliegen. Selbst Quantrills abgehärtete Schar hielt offenbar nichts davon, blindlings ins Verderben zu reiten.