Выбрать главу

»Welche Sache denn? Im Gefängnis schmoren?«

»Das meine ich natürlich auch«, sagte Sir Juffin und lächelte genüsslich. »Was ist mit dir los, Max? Wo ist dein Humor geblieben?«

»Der muss irgendwo verloren gegangen sein. Ich geh ihn gleich mal suchen«, meinte ich und winkte vage ab, um zu zeigen, dass es um mich doch noch nicht so schlimm bestellt war.

»Hör mal, Max - früher oder später wäre das sowieso passiert...«

»Was meinen Sie damit? Dass man mich ins Gefängnis wirft?«

»Fang doch nicht immer wieder mit diesem Gefängnis an! Hier geht es um eine sehr ernste Sache. Früher oder später musst du zum ersten Mal allein arbeiten. Sei froh, dass du schon jetzt die Möglichkeit dazu bekommst. Hier handelt es sich nicht um einen Fall, der über Wohl und Wehe von Echo entscheidet. Und allzu kompliziert ist er offenbar auch nicht. Außerdem kann ich dir jederzeit helfen, obwohl ich überzeugt bin, dass du meine Hilfe nicht brauchen wirst. Im Übrigen, Max, hast du noch über vierundzwanzig Stunden Zeit, über den Fall nachzudenken und dein Vorgehen zu planen. Alles, was du brauchst, steht zu deiner Verfügung. Und heute Abend schiebst du keinen Dienst, sondern kommst mich besuchen. Es wird ein Abschiedsessen für den künftigen Gefangenen geben - mit allen kulinarischen Genüssen!«

»Vielen Dank, Juffin.«

»Nichts zu danken. So unangenehm dein Einsatz auch werden mag - wir lassen uns dadurch die Freundschaft nicht vermiesen.«

»Na ja - Sie könnten mir ja noch ein paar Tipps geben

»Das glaubst du doch hoffentlich selber nicht! Es geht nur darum, den künftigen Gefangenen mit einem Festmahl zu verabschieden.«

Mit diesen Worten trennten wir uns.

In der Hoffnung, endlich ein paar Hinweise darauf zu bekommen, was ich im Cholomi-Gefängnis eigentlich ausrichten sollte, ging ich am Abend zum Linken Flussufer, fürchtete aber, der alte Unhold Juffin würde mir nur einmal mehr erklären, ich hätte diesen Fall ganz allein zu lösen. Sicher würde er erneut sagen, ich sei nur zum Essen eingeladen, und wenn ich ihm eine Freude machen wolle, solle ich mächtig reinhauen. Und wenn ich dennoch nachzufragen wagte, würde er mir erklären, über die Arbeit hätten wir schon genug geredet.

Kimpa berichtete mir schon auf der Türschwelle, der Ehrwürdige Leiter habe das Abendessen persönlich zubereitet. Wie sich erwies, konnte Sir Juffin ausgezeichnet kochen! Aber ich hatte auf etwas anderes gehofft - auf Ratschläge und Instruktionen nämlich.

»Setz dich, Max. Und vergiss nicht: Morgen ist morgen, und heut ist heut. Außerdem weiß ich eines ganz genau: Wenn du erst im Cholomi-Gefängnis bist, kommst du bestimmt auf eine dumme Idee, die sich im Nachhinein als goldrichtig erweisen wird. Probier das hier doch mal.«

Chuf - Sir Juffins kleiner Hund und mein bester Freund - seufzte mitfühlend unter dem Tisch. »Max hat Angst ... das ist schlecht«, teilte er mir mitleidig per Stummer Rede mit, und ich antwortete ihm innig: »Du bist der Einzige, der mich liebt und versteht«, fing also schon wieder an, mich zu bedauern.

»Sir Juffin - trotz all Ihrer Komplimente wäre es für mich am besten, einen Zettel zu bekommen, auf dem in Druckschrift vermerkt ist, was ich im Gefängnis zu tun habe.«

»Ach, Max, du bringst immer alles durcheinander. Iss - mehr hast du im Moment nicht zu tun. Weißt du, schon seit vierzig Jahren träume ich davon, in Rente zu gehen und ein Restaurant zu eröffnen. Dort wäre es bestimmt nicht schlechter als im Fressfass.«

»Daran zweifle ich nicht. Allerdings würde der König Ihnen das nicht erlauben.«

»Irgendwann tut er das gewiss.«

»Sind Sie noch nie auf den Gedanken gekommen, die Leute könnten Angst haben, ins Wirtshaus eines ehemaligen Topagenten zu gehen? Können Sie sich nicht vorstellen, welche Gerüchte über Ihre Küche in der Stadt kursieren würden? Es hieße bestimmt, Sie bereiten alle Gerichte aus Dörrfleisch zu, das Sie rebellischen Magistern von den Rippen geschnitten haben. Und man würde behaupten, Ihre Suppen enthielten das Blut unschuldiger Kinder.«

»Die Vampire sollen dich holen, mein Junge! Solche Gerüchte sind doch die beste Werbung! Und das Blut unschuldiger Kinder hat einen fabelhaften Neuigkeitswert. Vorausgesetzt, man kann die entsprechenden Gerüchte geschickt lancieren.«

Substanzielleres hatte ich von Juffin ohnehin nicht erwartet. Kurz vor Verlassen seines Hauses aber hatte ich eine blendende Idee: »Ich habe beschlossen, Sir Lonely- Lokley ins Gefängnis mitzunehmen«, sagte ich, und meine Stimme klang begeistert, da mich die Genialität meines Einfalls schier überrumpelt hatte. »Ich hoffe, das ist möglich?«

»Eigentlich sind die Zellen nur für eine Person gedacht. Meinst du, ihr könnt eng umschlungen schlafen? Na ja, bei deiner Vorstellung von Bequemlichkeit...«

»Nein, nein - Sie haben mich falsch verstanden. Ich habe vor, Sir Schürf zu verkleinern und ihn in meiner Hand verschwinden zu lassen. Er hat mir das selber vor ein paar Tagen beigebracht und gemeint, ich würde das schon sehr gut beherrschen. Na ja, zugegeben, bisher hab ich noch nicht an lebenden Menschen geübt«, fügte ich halbherzig hinzu, und mein Selbstbewusstsein schwand wie eine Pfütze in der Wüste.

»Tot oder lebendig - da gibt es keinen Unterschied«, beruhigte mich Sir Juffin. »Das ist eine ausgezeichnete Idee, Max. Ich hab doch gesagt, dass niemand diesen Fall besser bewältigen kann als du!«

»Hoffentlich. Ob auch Sir Lonely-Lokley mit meinem Vorschlag einverstanden sein wird?«

»Zum einen wird es Sir Schürf sicher sehr schmeicheln, dass du so viel Vertrauen zu ihm hast, denn er nimmt dich viel ernster, als du ahnst. Zum anderen interessiert niemanden, was er über deinen Vorschlag denkt, denn Befehl ist Befehl. Gewöhn dich endlich daran, mein Stellvertreter zu sein: Anweisungen zu erteilen, ist dein tägliches Brot.«

»Sündige Magister! Ich kann vieles nicht leiden, und Befehlen gehört sicher dazu!«, rief ich und runzelte die Stirn.

»Und wer hat mit seinem Gebrüll die jüngeren Bediensteten in unserer Hälfte des Hauses an der Brücke so erschreckt? Wer hat Bubuta Boch so gereizt, dass er beinahe einen Wutanfall bekommen hätte? Stell dich nicht so an, Max. Aus dir wird noch ein perfekter Tyrann - einer von denen, die man mit größtem Vergnügen bei einem Putsch um die Ecke bringt.«

»Als ich die Möglichkeit bekam, Befehle zu geben, war ich die ersten beiden Tage wirklich glücklich«, gab ich verlegen zu. »Doch ich habe schnell begriffen, dass das nichts für mich ist. Wenn ich einen Boten um Kamra schicke, höre ich auf, der sympathische Max zu sein, den ich schon lange kenne. Diesen Befehl gibt ein anderer. Ich kann nicht sagen, wer, doch der Typ gefällt mir einfach nicht!«

»Was für eine komplizierte Natur du bist!«, sagte Juffin lächelnd. »Na schön. Nimm das alles nicht so ernst. Ich werde Schürf per Stummer Rede alles erklären. Sonst noch Wünsche?«

»Im Moment nicht. Ich bin nur von Wenigem wirklich überzeugt, und dazu gehört, dass ich mich in Gesellschaft von Sir Lonely-Lokley sicherer fühlen werde. Juffin, ich habe Ihnen noch nie davon erzählt, doch ich bin ein ziemlich ängstlicher Junge. Vergessen Sie das nicht.«

»Stell dir vor - auch ich werde mich ruhiger fühlen, wenn du mit Schürf unterwegs bist«, gab Juffin zu. »Ich hab dir auch noch nicht erzählt, dass ich ein vorsichtiger alter Fuchs bin. Du musst lernen, dich geschickter auszudrücken, Max. Ich hab das Gleiche gesagt wie du, doch meine Formulierung hat der Eitelkeit sehr viel mehr geschmeichelt als deine Worte.«

Kaum hatte ich das Haus meines Chefs verlassen, packte mich die Verwirrung. Ich wollte mir einreden, Juffin glaube zu Recht, ich könne selbständig arbeiten und eine Operation allein durchführen, kam mir dabei allerdings etwas heuchlerisch vor. Plötzlich erwachte in mir ein streberhaftes Gefühl und flüsterte, ich müsse entweder alles perfekt erledigen oder sterben, um mein Elend nicht länger mit anzusehen. Wo war dieser Streber bloß, als ich noch zur Schule ging? Das wüsste ich gern.