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Obwohl ich noch weit länger hätte grübeln können, war mir eins sofort klar: Wenn alles überstanden wäre, würde ich glücklich sein, von Sir Juffin Halli ein Lächeln und ein paar dieser gönnerhaften Worte zu bekommen, die einen Menschen fertigmachen können, der gerade einen Berg erobert hat - Worte wie: »Na siehst du, Max, ich hab dir doch immer gesagt, dass alles prima klappen wird, und du hast mir nicht geglaubt!« Ich musste mich also damit abfinden, wer weiß wie heroische Taten zu vollbringen, nur um mir ein wohlwollendes Lächeln meines Chefs zu verdienen. So tief war ich gesunken!

Die Nacht war kalt - eine der kältesten des Winters. Das Quecksilberthermometer in meiner Heimat freilich hätte sicher kaum mehr als null Grad gezeigt. Das Klima in Echo ist im Allgemeinen sehr gemäßigt. Es gibt hier weder extreme Kälte noch starke Hitze, und das hat mir an meinem neuen Zuhause immer gefallen. Für verschneite Winterromantik war ich nie empfänglich. Ich kann es nicht ertragen, in der Dämmerung zur Arbeit zu gehen, mit verfrorenen Beinen in halbnassen Schuhen über den Gehsteig zu schlurfen und darüber nachzudenken, was mich neue Schuhe kosten werden. Und im Hochsommer wiederum bin ich bereit, mein Seelenheil für ein wenig frische Luft zu verkaufen. Deshalb macht mich das angenehme Klima von Echo richtig glücklich. Aber irgendwas muss mich ja auch glücklich machen - den Magistern sei Dank!

Ich fuhr nach Hause und versuchte, nicht an die anstehende Aufgabe zu denken, sondern mich auf etwas anderes zu konzentrieren - zum Beispiel darauf, ob ich es am Morgen noch schaffen würde, Lady Melamori zu sehen.

Meine Sympathie für sie hatte bereits gefährliche Ausmaße angenommen. Am schlimmsten jedoch war, dass ich sie oft nicht verstehen konnte. Vielleicht brauchte ich ja einen Dolmetscher. Seit dem Abend, an dem wir uns kennengelernt hatten, sah sie mich mit unverhohlener Anbetung an. Vielleicht sogar mit ein wenig Angst. Doch soweit ich weiß, führt maßlose Begeisterung selten dazu, dass Menschen einander nahekommen. Darum wusste ich selber nicht, ob ich noch hoffen oder gar die Initiative ergreifen sollte, ehe es endgültig zu spät wäre. Und woher sollte ich wissen, ob es nicht längst zu spät war? Das war mein Problem.

Ein paar Tage zuvor hatte Lady Melamori mich überrascht und mir vorgeschlagen: »Besuchen Sie mich doch heute Abend, Max! Sie wissen noch nicht, wo? Es ist leicht zu finden: Ich lebe in der Nähe des Stadtteils Rendezvous. Lustig, was?«

Mir war ganz schwindelig geworden. Innerlich platzte ich schier vor Stolz und war eitel wie ein Pfau. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich im Bad und verließ dann im besten Lochimantel das Haus. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich hätte mir das Gesicht gepudert, obwohl sich das in Echo für Männer nicht gehört - auch nicht in Fällen schwerster Verliebtheit. Doch vor diesem letzten, verhängnisvollen Schritt bewahrte mich meine gute Erziehung.

Mit der Aufsicht über mein Büro betraute ich den Vogel Kurusch, für den solche Aufträge ein Klacks waren. Dann ging ich zu Lady Melamori und traf dort auf den fast vollzählig versammelten Kleinen Geheimen Suchtrupp. Zuerst konnte ich meine Enttäuschung nicht verbergen.

»Lady, Sie hätten mir vorher sagen können, dass es sich um ein ganz normales Arbeitstreffen handelt. Sehen wir uns im Büro denn so selten?«

Wenn ich zerstreut bin, rede ich immer so taktloses Zeug, doch zum Glück war niemand sauer auf mich.

»Dafür gibt es bei mir keinen General Bubuta Boch!«, trumpfte die Hausherrin auf. »Und ich verrate Ihnen noch mehr: Er hält sich nicht mal in einem der Nachbarhäuser auf. Merkwürdig, was?«

»Wie schade, Lady! Mit wem kann ich mich dann unterhalten? Ich hatte gehofft, mit einem kompetenten Spezialisten über die neusten Entwicklungen sprechen zu können. Darum dachte ich mir: Komm, geh zu Lady Melamori, dort triffst du bestimmt General Bubuta.«

Zunächst versuchte ich verzweifelt, mich trotz meiner Enttäuschung zu amüsieren, was meine Kollegen sehr belustigte. Später aber war ich dann tatsächlich guter Laune, obwohl es mir an diesem Abend nicht gelang, eine Affäre mit Lady Melamori zu beginnen. Die Treulose kokettierte mit Melifaro und Sir Kofa, und mir blieb nichts anderes übrig, als schmachtende Blicke auf sie zu richten - allerdings aus einer Entfernung von mindestens zwölf Schritten.

Dann merkte ich, dass ich langsam wieder traurig wurde, und versuchte, die verliebten Gedanken an Lady Melamori loszuwerden. Aber wie sollte das gelingen? Unser ungeklärtes Verhältnis machte mich nervös. Hätte sie mir doch einen Korb gegeben! Dann wäre alles klar gewesen. Nein bedeutet Nein, man schüttelt sich, und das Leben geht weiter. Doch bei jedem Treffen bestaunte sie mich wie ein fünfjähriges Mädchen eine drei Meter hohe Micki-Maus-Figur, hob sich vorsichtig auf die Zehenspitzen, klimperte mit den Wimpern und hätte beinahe ihre Freundinnen gerufen, damit auch die mich anstarren konnten. Mein Herz - ein Baumstumpf aus Eschenholz - schmolz dahin, und ich verstrickte mich immer tiefer in meine Verliebtheit.

Die plötzliche Erkenntnis, in meinem Wohnzimmer zu sitzen und mechanisch über etwas nachzudenken, riss mich aus meiner Melancholie. Mein Magen krampfte sich zusammen. Sündige Magister! Was hatte ich bloß gegessen? Und warum?

In der Stadt läuteten schon die Glocken. Der neue Tag begann - und mit ihm die Zeit, da zwei Geheimagenten aufstehen und sich auf den Weg ins Cholomi-Gefängnis machen mussten, dorthin also, wo in den letzten Jahren so viele Todesfälle zu beklagen gewesen waren. Irgendwie hatte ich keine Lust auf Cholomi - vor allem deshalb nicht, weil ich die Zelle beziehen sollte, in der all die Häftlinge gestorben waren. Eigentlich war das doch deren Problem, nicht meins. Ich gebe es nur ungern zu, doch vor allem beunruhigte mich, demnächst inhaftiert zu sein. Bisher war ich nie auf den Gedanken gekommen, ich könnte eines Tages im Gefängnis landen. Erst recht nicht in Echo! Es ging natürlich um eine Ermittlung, aber trotzdem. Ehrlich gesagt zitterten mir die Knie, als ich mir vorstellte, in Anstaltsklamotten in meiner Zelle vor dem geschlossenen Fenster zu stehen, das obendrein womöglich vergittert war. Aber wozu eigentlich Gitter, wenn den Gefangenen ohnehin keinerlei Magie zu Gebote stand?

Hinsichtlich der Dauer unseres Einsatzes hatte sich Sir Juffin mir und Lonely-Lokley gegenüber nicht festgelegt. Es hieß nur, wir sollten erst zurückkehren, wenn wir mit der Ermittlung fertig wären. Was das wohl bedeutete? Sollte ich etwa, falls wir den Fall nicht aufklärten, für immer im Gefängnis bleiben? Das waren ja heitere Aussichten!

Würde ich in Haft bleiben, wäre das schon schlimm genug. Aber warum sollte auch noch der arme Lonely- Lokley leiden? Na - falls niemand uns befreien käme, würden wir das Gefängnis eben in die Luft jagen. Spätestens wenn Sir Schürf die Trennung von seiner Frau nicht länger ertragen könnte, würden wir die Festungsmauern einfach pulverisieren.

Auch die Frau von Sir Lonely-Lokley hatte ich an dem fatalen Abend bei Lady Melamori kennengelernt. Eine fantastische Frau! Sie ist klug und hübsch und lacht viel. Bestimmt hat ihre humorvolle Natur ihre Herzenswahl beeinflusst, denn es gibt nichts Lustigeres als dieses Pärchen. Schurfs Frau ist klein und pummelig und reicht ihrem groß gewachsenen Mann nicht mal bis zum Gürtel. Obendrein verfügt sie über eine sehr scharfe Zunge, und doch kann man ihr nicht lange böse sein. Nach Jahrendes Ehelebens hatte sie es sogar geschafft, Sir Schurfs Namen richtig auszusprechen, und das war ja immerhin was.

Ich hatte den Eindruck, die beiden seien noch immer sehr ineinander verliebt. Wenn Sir Schürf seine Frau ansah, bekam sein undurchdringliches Gesicht beinahe etwas Menschliches. Gut, dass Lonely-Lokley im familiären Bereich so glücklich war, denn das persönliche Wohlbefinden eines Berufskillers ist für die allgemeine Sicherheit immer von Vorteil. Kaum hatte ich mir das überlegt, besserte sich meine Stimmung merklich.