Выбрать главу

    Das dunkle Gesicht des Indianers war unschön und hatte einen tückischen, lauernden Zug. Er betrachtete einen Augenblick den ruhig dasitzenden weißen Knaben, der seiner nicht achtete und sagte dann in den rauhen Kehltönen der Aimaràsprache: "Sinnt der Blanco wieder, wie er uns entlaufen könnte?"

    Über das Gesicht des Angeredeten hatte sich, als er die nahenden Schritte vernahm, eine eherne Ruhe verbreitet.

    Er wandte das Auge auf den jetzt vor ihm stehenden Indianer und erwiderte im gleichen Idiom: "Du weißt, Guati, daß mein Herz längst das eines Aimarà ist."

    "Es ist gut, du bist der unsere. Erfahrung lehrte dich, daß es unmöglich ist, zu entrinnen. Du bist klug genug, Blanco, du hast das Leben lieb."

    "Warum rufst du zurück, was vor Sommern geschah, als ich ein Kind war?"

    "Du sehnst dich nach der verwünschten Rasse, der du entstammst, und darum suchst du die Höhen auf und richtest dein Auge immer nach Osten hin, wo die Deinen wohnen."

    "Du irrst, Guati," entgegnete gleichmütig der Jüngling. "Die Vergangenheit ist ausgelöscht in meiner Seele - und ich gehöre zu euch."

    Der forschende Blick des Indianers ruhte auf dem bewegungslosen Gesichte des jungen Spaniers, dann sagte er mit einem höhnischen Grinsen: "Gut, wenn du die Wahrheit sprichst, denn der Opferstein dürstet nach dem Blute eines Weißen." Die Züge des Jünglings blieben bewegungslos. "Im verflossenen Jahre mußte er es entbehren und die Unsichtbaren zürnten ihren Kindern."

    "Sie werden ihr Angesicht, das Wolken beschatten, wieder enthüllen."

    "Ich hoffe so," erwiderte der Indianer mit einem Ausdruck des Triumphes in seinem unschönen Gesicht, "die Aimaràs werden ihren Zorn besänftigen."

    Durch des Knaben Seele zog ein schauervolles Bild. Vor zwei Jahren hatten die fanatisch an ihrem alten Aberglauben hängenden Indianer einen von ihnen gefangenen Spanier ihrem Götzen geopfert. Zwar hatte man den Knaben während der grausigen Zeremonie entfernt, ihn in eine abgelegene Schlucht gesandt, aber hatte den entstellten Leichnam des Mannes gesehen und den entsetzlichen Vorgang aus den Gesprächen der Indianer kennen gelernt. Im letzten Jahre war wegen Mangel eines geeigneten Gefangenen das Opfer unterblieben - jetzt aber - er hatte einen Weißen in der Mitte der von einem Raubzuge zurückkehrenden Krieger gesehen und wußte, was diesem bevorstand. Aber der Knabe hatte inmitten dieser rohen Horde sich eine Selbstbeherrschung zu eigen gemacht, die ihn befähigte, sein Fühlen und Denken unter gleichgültiger Außenseite zu verbergen.

    Er gab an stoischer Haltung keinem Indianer etwas nach - er bewahrte äußere Ruhe, trotzdem sein Herz bebte.

    "Du sollst vor dem Kaziken erscheinen, Techpo," sagte Guati, "ich bin ausgesandt, dich zu suchen."

    Augenblicklich erhob sich der weiße Knabe. "Ich gehorche," sagte er.

    Guati warf einen Blick über die Schluchten nach Osten hin, doch von dem Zuge, der den Weißen mit sich führte, war nichts mehr zu gewahren.

    "Komm," sagte er kurz und schritt voran den Fels hinab. Ihm folgte der andere, ohne noch einmal nach Osten auszuschauen.

    Bald hatten sie das von einem Bache durchrauschte Tal vor sich, in dem dieser Aimaràstamm hauste. Unregelmäßig zerstreute kleine Häuser, aus Adobeziegeln errichtet, zeigten sich hier dem Blick, von Gärten umgeben und Bäumen umstanden, auch Maisfelder gewahrte das Auge und Wiesen, auf denen kleine Gebirgspferde und Maultiere weideten.

    Von den Bewohnern waren wenige zu sehen. Kinder spielten da und dort, und einige Frauen waren in den Gärten beschäftigt. Vor manchem der Häuser saß ein alter Indianer, stumpfsinnig vor sich hinstarrend.

    Guati und der weiße Knabe schritten durch das Dorf auf eine größere Behausung zu.

    Ein Pferd war an der Hecke angebunden, das einen langen Weg zurückgelegt haben mußte.

    Unter einem Vordache saßen zwei Indianer, der Kazike Tucumaxtli und ein jüngerer Mann.

    Techpo wußte, daß dieser eben auf dem Pferde angekommen sein mußte und gewiß das Herannahen der auf Raub ausgezogenen Krieger gemeldet hatte. Er gehörte einem unweit hausenden Teile des Stammes an.

    Die beiden jungen Leute verharrten ehrerbietig, bis der Kazike sie bemerken würde.

    Dieser, ein älterer Mann mit harten Gesichtszügen, dessen Oberleib von einem schön verzierten Gewand, in der Form ähnlich dem, wie es die Jünglinge trugen, eingehüllt war, das die sehnigen Arme, die an den Handgelenken von goldenen Spangen umfaßt wurden, nackt ließ, sah auf die Knaben schweigend hernieder.

    "Ich wundere mich," sagte der neben dem Kaziken sitzende Mann, "daß du diesen jungen spanischen Wolf noch immer am Leben lässest, statt ihn den Göttern zu opfern."

    Er sagte das in einem Dialekte der Aimaràsprache, von dem er annahm, daß der weiße Knabe ihn nicht verstände, doch dieser verstand ihn wohl, aber kein Zucken seines in eherner Ruhe verharrenden Gesichtes verriet davon.

    "Ich hoffe noch viel Geld für ihn zu erhalten," erwiderte der Kazike in dem gleichen Idiom, "sein Leben ist für einige große Spanier gefährlich und sie müssen mir es abkaufen, ich habe ihn nicht grundlos so lange bewahrt."

    "Aber warum willst du ihn in die Berge senden?"

    "Er soll den Gefangenen nicht sehen, soll nicht Zeuge der Opferhandlung sein, es könnte zu unheilvollen Dingen führen, denn es ist nicht undenkbar," fuhr er leiser fort, so daß der Knabe es nicht hörte, "daß ich ihn den Seinen wiedergeben muß, wenn man ihn mit viel Geld auslöst, er soll deshalb nichts von dem Opfer erfahren, um nicht später den Weißen davon erzählen zu können."

    "Aber kann er nicht entweichen, wenn du ihn in die Berge sendest mit der Büchse in der Hand?"

    "Er entweicht nicht mehr, er ist ein Aimarà geworden und spricht kaum noch die Sprache seiner Väter. Flucht? Er hat es einmal versucht und weiß, daß kein Entrinnen ist, er kennt die Bergpfade nicht, die den Zugang zu unserem Lande bilden."

    "Der Wolf wird größer und gefährlicher."

    "Der ist gezähmt, sei unbesorgt. Er ist trotz seiner Jugend ein geschickter Jäger, er mag dem Wild nachstellen, während wir den Göttern dienen. Er soll fort, ehe die Krieger mit dem Weißen kommen."

    Er winkte hierauf dem Techpo genannten Knaben, näher zu treten, und rasch nahte sich ihm dieser in ehrerbietiger Haltung.

    "Du mußt zur Jagd aufbrechen, Techpo," sagte der Kazike in der Sprache der Aimaràs, "wir brauchen das Fleisch des Berghirsches."

    In des Knaben starrem Gesicht erschien ein freundlicher Ausdruck.

    "Du gehst gern, Knabe, wie?"

    "Ja, Kazike, ich gehorche dir gern."

    "Ich weiß es. Du mußt sofort aufbrechen, denn ich erwarte Gäste, denen ich den Hirsch zu kosten geben will. Ich gebe dir drei Tage zur Jagd."

    Techpo neigte das Haupt.

    "Guati wird dich begleiten, zwei Büchsen sind besser als eine, und die Hirsche werden selten."

    Trotz aller Selbstbeherrschung, die dem Indianer eigen ist, verriet das Gesicht Guatis, daß ihm dieser Auftrag nicht angenehm war.