"Maxtla hört."
"Hast du den Mann gesehen, der eben bei mir war?"
"Maxtla sah ihn."
"Gut, ein Indio vergißt kein Gesicht, das er einmal gesehen hat." - Nach einer Pause fuhr de Valla fort: "Du entsinnst dich, daß vor Jahren der große Sennor d'Alcantara von deinen wilden Stammesgenossen in den Bergen mit all den Seinen ermordet wurde?"
Hätte er in diesem Augenblicke den Indianer angesehen, würde er bemerkt haben, wie dessen dunkle Augen in einem seltsamen Glanze aufleuchteten, als er diese Erinnerung wachrief.
In dem gleichmäßig ruhigen Tone dieser Leute erwiderte er aber: "Maxtla weiß es noch."
"Der Mann, der eben bei mir war, brachte mir eine seltsame Kunde. In den Llanos soll ein junger Mann leben, der behauptet, der Sohn Don Pedros zu sein."
Auch jetzt gewahrte er nicht, wie der stoische Indio mit dem stumpfsinnigen Gesicht und der apathischen Haltung leise zusammenbebte.
"Ich traue weder dieser Nachricht, noch ihrem Überbringer, ich hege keinen Zweifel, daß der Knabe mit den Seinen umgekommen ist. Aber es ist möglich, daß meine Feinde eine zufällige Ähnlichkeit oder ein törichtes Gerücht benützen, um einen Fremdling gegen mich aufzuhetzen, damit er Anspruch auf das Erbe seines Vaters erhebt, das mir zugeteilt ward. Verstehst du mich?"
"Maxtla versteht."
"Ich will nun wissen, ob der Mann, der hier war, die Wahrheit berichtet hat, als er sagte, daß jemand den Namen Alonzo d'Alcantara in Anspruch nimmt."
"Was soll Maxtla tun?"
"Der Mann wird den Weg nach den Llanos einschlagen, du wirst ihm folgen und dich an seine Fersen heften, ohne daß er es gewahr wird, du bist schlau genug dazu. Triffst du auf einen Lügner, der sich Alonzo d'Alcantara nennt, so siehe meinen Todfeind in ihm."
"Gut, ich verstehe, er ist dein Todfeind, Sennor."
"Der Mann, den du hier sahst, versprach mir, den Betrüger unschädlich zu machen, aber ich traue ihm nicht. Entledigt er sich seines Auftrages, so laß ihn gewähren. Aber er ist leichtfertig, unzuverlässig und zu jedem Schurkenstreich fähig. Vor allem suche jenen d'Alcantara aufzufinden, damit ich im schlimmsten Falle weiß, wo er weilt und wer seine Freunde sind. Aber hoffentlich befreit mich ein Zufall von ihm, ehe ich genötigt bin, streng gegen den Betrüger vorzugehen."
"So kannst du mir nicht sagen, wohin ich den Kopf meines Tieres in den Llanos wende, um den Lügner zu finden?"
"Nein, das wollte der Mann, der sich Tejada nennt, in weiteren Kreisen aber unter dem Namen Coyote bekannt ist, nicht sagen, und eben das ist mir verdächtig und darum mußt du ihm wie sein Schatten folgen, er muß dir den Weg zeigen. Du hast jetzt deine Aufgabe begriffen?"
"Sei sicher, Herr, Maxtla ist hinter ihm her wie der Hund auf der Fährte des Jaguar, und der Betrüger wird sterben."
"Sollte aber der Coyote es wagen, falsch gegen mich zu handeln, so rechne ich auf deine Treue."
"Maxtla ist treu - der Coyote mag sich hüten."
"Ich sehe, du bist ein zuverlässiger Bursche."
de Valla ging an seinen Schreibtisch und entnahm diesem einen Lederbeutel, der mit Silbergeld gefüllt war.
"Hier hast du Geld, du wirst damit auskommen."
Der Indianer nahm den ziemlich schweren Beutel und ließ ihn unter seinem Poncho verschwinden.
"Nimm deine Mula und laß dir vom Majordomo geben, was du sonst noch brauchst. Mach dich auf den Weg und erfülle deinen Auftrag gut."
Der Indianer neigte das Haupt und ging hinaus.
"So, mein Freund Tejada, der Indio wird dir zu schaffen machen, wenn du mich betrügst."
Er blickte vor sich hin. "Ich wollte dich nicht töten, Don Pedro," sagte er leise, "aber wenn jetzt dein Schatten aus dem Grabe steigt, um gegen mich zu zeugen, so sende ich ihn zurück in die ewige Nacht. Ich habe nicht gerungen jahrelang, um mir den Preis im letzten Augenblick entreißen zu lassen."
Ein besonderes Klopfen ließ sich an der Tür vernehmen. "O, herein, Eugenio," rief de Valla rasch, und herein trat ein junger Mann von edler Gestalt, dessen sanftes, freundliches Gesicht unwiderstehlich für ihn einnahm.
"Ich störe doch mein Väterchen nicht?" fragte er mit einem Lächeln.
"Nein, mein Söhnchen, nur näher."
Der junge Mann war Don Eugenio, der einzige Sohn des Ministers.
Wunderbar war es, wie sich beim Erscheinen des jungen, vornehm gekleideten Mannes die Gesichtszüge de Vallas veränderten und einen selten gütigen, liebevollen Ausdruck zeigten, der den strengen Linien dieses Angesichts sonst fremd war.
Was der verhärtete Mann noch an Liebe im Herzen hatte, konzentrierte sich auf diesen ihm äußerlich und mehr noch innerlich so unähnlichen Sprößling, den er mit einer nahezu fanatischen Zärtlichkeit umgab.
"Nun, was führt denn meinen Infanten zu mir?" fragte er gütig. "Brauchen Sennorito Geld?"
"Nein, ich habe noch genug."
"Du mußt mehr ausgeben, Eugenio, das ziemt sich für einen de Valla."
"Ich habe erst gestern mehrere seltene Exemplare von Heliconiden(eine Schmetterlingsart) gegen schweres Geld gekauft, Padrazo."
"Ja, mein Kind, das ist ja ganz schön," sagte der Minister mit einem leichten Seufzer, "aber du mußt mehr den Grand Seigneur spielen, ich stelle dir ja bereitwillig die Mittel zu Gebote."
"Ich habe kein Talent dazu, Väterchen, laß mir meine stillen Freuden an den Erscheinungen der Natur, ich bin so glücklicher."
"Nun ja, ja, mein Junge, ich meine nur, in deinem Alter - hm - nun, Eugenio, führt dich ein besonderer Anlaß zu mir?"
"Ja, ich habe eine Bitte an dich - zwei Bitten."
"So laß mal hören."
"Man hat da Sennor Bonego plötzlich nach Buanamaria in die Wüste verbannt, weil er staatsgefährlich sein soll -"
de Valla wurde ernst.
"In was mischest du dich ein, Eugenio?"
"Ich kenne Sennor Bonego, er ist ein harmloser Gelehrter."
"Woher kennst du ihn denn?"
"Ich habe mit seinem Sohn das Liceo besucht, der war bei mir und legte mir nahe, deine Güte in Anspruch zu nehmen."
"Excellenza, der Herr Präsident sind sehr streng und Sennor Bonego soll sich durch aufrührerische Äußerungen bemerkbar gemacht haben."
"Glaube das nicht, er kümmert sich nur um seine Wissenschaft. Er ist außerdem krank. Bitte, Herzensvater, mache deinen Einfluß für ihn geltend, er ist gewiß ganz unschuldig und wohl nur beim Präsidenten verleumdet."
Der Sohn sah seinen Vater mit den sanften Augen so bittend an, daß diesem das Herz weich wurde.
"Gewähre mir die Freude, daß ich Bonego sagen kann, die Verbannung sei aufgehoben."
de Valla, der der eigentliche Urheber des Verbannungsdekretes war, weil er den Unabhängigkeitssinn des Gelehrten fürchtete, der ihm für seine ferneren Pläne im Wege stand, konnte doch Eugenio nicht widerstehen und erwiderte: "Er ist krank - hm - nun, ich werde morgen mit Excellenza seinetwegen sprechen und werde hoffentlich eine Milderung des Urteils zu erwirken vermögen."
"O, o - Dank - tausend Dank, Herzensvater - ja du bist gut, ich wußte es ja."
Innige Freude strahlte aus Eugenios Augen.
"Wollen sehen, wollen sehen. Was hatte mein gelehrtes Söhnchen denn noch zu erbitten?"
"O, noch eine wichtige Entscheidung aus deinem Munde."
"Hoffentlich betrifft sie nicht wieder die Politik?"