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    Zu einem Ritt in die Steppe gekleidet, stand der Jüngling sinnend und harrend auf der Veranda.

    Ein leises Geräusch machte ihn aufschauen, und sich wendend, sah er Elvira Vivanda vor sich, die aus einem Kinde zur anmutigen Jungfrau emporgeblüht war und ihn lächelnd anschaute.

    "O, wollen Sennorito reiten, weil Sie sich so steppenmäßig gekleidet haben?"

    "Ja, Elvira, ich muß nach Norden in die Llanos und wollte mich von dir verabschieden, ehe ich reise. Ich weiß ja, daß du den taufrischen Morgen liebst wie ich."

    "Was willst du in den Llanos?"

    "Der Sturm hat die Herden zerstreut und ich will mit einigen Leuten hinaus, um sie zusammenzutreiben. Ich werde wohl erst in einigen Tagen zurückkehren."

    "O laß doch die Vaqueros allein reiten, warum willst du dich mit den Herden plagen?"

    "Sennor wünscht es und es ist besser, die Leute haben einen Gebieter über sich, dessen Auge sie überwacht - ich werde mich beeilen zurückzukehren."

    "Und Sennorito reiten natürlich sehr gern?"

    "Ja, Elvira, es ist herrlich über die Steppe auf flinkem Rosse zu eilen, das Grenzenlose vor sich und den Himmel über sich."

    "All meine Erziehung ist, wie ich sehe, vergeblich gewesen."

    "Wenn du mich zum Stubenhocker machen wolltest, ja - aber ich werde der Ehrfurcht, die ich meiner Lehrerin schuldig bin, nicht vergessen und bald zurückkehren." Das letztere sagte er mit einem leichten Lächeln, das ihn sehr gut kleidete.

    "Das hoffe ich," erwiderte sie, "es wäre ja schlimm, wenn meine Erziehungsmethode gar keine Resultate ergeben sollte. Übrigens haben wir denn unser französisches Exerzitium gemacht?"

    Elvira hatte zwei Semester die höhere Mädchenschule in Bogotá besucht und war sehr stolz auf die dort erlangten Kenntnisse.

    "Der Sturm hat meine Hefte verweht, verehrte Maëstra, aber ich sammele sie, wenn ich zurückkehre."

    "Ich sehe, ich werde strengere Maßregeln ergreifen müssen."

    Beide lachten.

    "Ja, aber erst nach meiner Rückkehr. Beurlaube mich, gestrenger Schulmeister, denn meine Vaqueros warten, und ich wäre schon längst fort, wenn ich dir nicht hätte erst Lebewohl sagen müssen."

    "So reite, Alonzo, und kehre glücklich zurück!" Sie reichte ihm die Hand, die er leicht drückte; dann wandte er sich, eine prächtige Büchse ergreifend, die neben ihm lehnte, von dem jungen Mädchen ab und verließ die Veranda.

    Unweit harrten seiner vier Reiter, Rinderhirten, von Sonne und Luft gebräunte, sehnige Gesellen. Drei davon waren spanischer Abkunft, deren Gesichtsfarbe sich indessen nur wenig von der des vierten, eines Vollblutindianers, unterschied. Sie saßen bereits im Sattel, die langen Lanzen am Arm befestigt; einer von ihnen hielt ein mit Mundvorrat beladenes Maultier am Zügel, während ein Peon des Hauses den stolzen Rappen des jungen Sennors führte.

    Alonzo warf die Büchse am Riemen über die Schulter, schwang sich auf, nickte noch einmal nach dem Gebäude zurück, denn er wußte recht gut, daß Elvira irgendwo stand, um ihn abreiten zu sehen, und mit einem: "Adelante!" sprengte er, gefolgt von seinen Leuten, durch die Felder den Llanos nach Norden hin zu.

    Ein gewaltiger Südsturm, begleitet von wild dahergepeitschten Regenströmen hatte vorgestern die Herden vor sich her gejagt und weit zerstreut.

    Erst gegen das Ende des anderen Tages trafen Alonzo und seine Begleiter auf die Rinder, die weit nach Norden getrieben waren.

    Sie fanden die Vaqueros der Hacienda, die bei den Herden im Freien weilten, beschäftigt, die ihrem Herrn gehörigen Tiere zusammenzutreiben, zugleich mit einer Zahl Llaneros, denen ihre Tiere gleichfalls verjagt worden waren und sich nun mit denen, die anderen gehörten, vermischt hatten.

    Die sehnigen, sonnverbrannten Steppenbewohner waren erfreut, zu sehen, daß der junge Sennor der Hacienda Otoño selbst gekommen war, um gleich ihnen tätig zu sein, wieder Ordnung in den Herden herzustellen.

    Nach Landessitte war jedes Tier mit dem eingebrannten Zeichen des Eigentümers versehen und nur der jüngste Wurf war noch ungezeichnet, weil das im Jahre nur einmal geschah. Um die Tiere einzufangen und zusammenzutreiben, war die Reitergeschicklichkeit, die Kraft und Ausdauer dieser auf dem Pferderücken geborenen Rinderhirten notwendig. Doch war es unendlich schwierig, Ordnung in das Chaos der durcheinandergejagten Tiere zu bringen.

    Als Alonzo, den alle kannten, auf seinem hohen Rappen erschien, ritten nicht nur die Vaqueros der Hacienda heran, ihn zu begrüßen, auch die Llaneros, ein trotziges, freiheitliebendes Geschlecht, kamen herbei, um den vornehmen Sennorito von Otoño, der es an kühner Reitergeschicklichkeit mit den Besten aufnahm und gleich ihnen Tag und Nacht in der Steppe liegen konnte, willkommen zu heißen. Rasch waren mehr als zwanzig dieser verwegenen Reiter um ihn versammelt.

    "Es ist gut, daß du mit Hilfe gekommen bist, Don Alonzo," sagte ein älterer Llanero, "wir haben schwere Arbeit."

    Alonzo begrüßte die einfachen Männer mit der ihm eigenen anmutvollen Würde.

    "Der Sturm hat sein Ärgstes getan, amigos, aber ich hoffe, wir wollen unser Eigentum bald scheiden." Er überblickte die auf weite Entfernung zerstreuten Tiere. "Wie wäre es, Companeros," fuhr er fort, "wenn wir uns, statt daß jeder von uns für sich tätig ist, vereinigten und alle gemeinsam handelten. Wir sondern zunächst Eure Tiere aus, und Ihr würdet dann helfen, unsere Tiere nach Süden zu treiben."

    "Du triffst es, Don Alonzo, du hast ein kluges Wort gesprochen," sagte der alte Llanero, "so kommt Ordnung in die Sache. Ich denke, Companeros, wir sind einverstanden damit?" wandte er sich an die anderen.

    "Ja, es ist das beste, Don Alonzo hat ganz recht," stimmten diese zu, "das erleichtert uns die Arbeit. Sag nur, Don Alonzo, wie wir beginnen sollen."

    Dies war leicht angeordnet.

    Und nun begannen sämtliche Hirten in ausgedehnter Linie in die Herden hineinzureiten, mit der Anweisung, alles Vieh der Hacienda unberührt zu lassen, und nur die Tiere der Steppenbewohner auszuscheiden und nach Ost oder West, je nach der Wohnung des Eigentümers, zu treiben.

    Jetzt flogen die Lassos aus und fielen auf die Hörner widerspenstiger Tiere, die Peitsche wurde gebraucht, und noch bevor die Sonne sank war so, unter einheitlicher Leitung, ein großer Teil der Arbeit vollbracht.

    Dann aber wurden Feuer angezündet, ein junges Rind wurde geschlachtet und gebraten, Kaffee gekocht, Maiskuchen gebacken und die rauhen Hirten saßen um Alonzo in festlicher Stimmung nach dem rauhen Tagewerk, schmausten und freuten sich des Vollbrachten.

    Daß die Gitarre nicht fehlte, war bei Leuten spanischer Abkunft selbstverständlich, und einige der jüngeren Llaneros sangen zu deren Begleitung bald lustige, bald melancholische Lieder zum Entzücken der Hörer, bis der Schlaf die von der Arbeit ermüdeten Leute umfing.

    Alonzo saß noch lange an dem niederbrennenden Feuer, umfächelt von der milden Nachtluft, die in den Zweigen zu seinen Häupten rauschte, blickte zu den Sternen empor, die leuchtend vom dunklen Himmel herniederstrahlten, und in seiner Seele stieg die Frage empor: "Wie wird dein Schicksal sich in Zukunft gestalten?"

    Er fühlte sich unter dem liebevollen Schutz der Brüder Vivanda glücklich; sie hatten ihn aus einem armen Wilden zu einem Manne gemacht, zu einem Caballero erzogen, und doch nagte an seiner Seele das ungelöste Rätsel des finsteren Schicksals, das die Seinen in dem Tale der drei Quellen getroffen. Er war eine trotzige, energische Natur und sein Aufenthalt unter den finsteren Wilden hatte, wenn Klugheit ihn auch zwang, seine innersten Gefühle zu verbergen, nicht dazu gedient, diese Charaktereigenschaften abzuschwächen. Er haßte die Mörder der Seinen und sehnte die Gelegenheit herbei, Vergeltung an ihnen zu üben.