"Gar nicht, Sennor, ob ich gleich ungelehrt bin; nur wundert es mich - verzeiht mir, wenn ich das sage - daß solche Forschungen einen Mann befriedigen können."
"O, ja," erwiderte der andere eifrig, "dieser Einblick in die wunderbaren Erscheinungen der schaffenden Natur, die doch alle einer ewigen Weisheit sich fügen und auch in dem Kleinsten und Unscheinbarsten die Majestät Gottes widerspiegeln, gewährt dem verständnisvollen Forscher unendliche Befriedigung."
Sein Auge leuchtete auf als er so sprach.
"Ich begreife es, ob ich gleich Eure Tätigkeit nicht nachahmen möchte."
"Ich bin zum Krieger, zum Staatsmanne verdorben und bin in meiner Welt unendlich glücklich."
"Wohl Euch. Mir muß das Leben andere Freuden bringen, wenn ich glücklich sein soll. Auf feurigem Roß durch die Llanos zu fliegen, die Büchse oder Lanze in der Hand, hoffentlich eines Tages dem Feinde unseres Landes in der Schlacht begegnend und den Gegner mit gewaltigem Arm niederwerfen in den Staub, das ist so mein Ideal vom Leben."
Mit Staunen blickte der sanfte Gelehrte in das stolze, kühne Antlitz Alonzos, in die feurig blitzenden Augen. Ja, das war der Mann, der voran stürmte in das Schlachtgetümmel.
Es mochten wohl die Gegensätze sein, die sich hier anzogen, denn jeder der beiden Jünglinge, der eine so sanft und mädchenhaft, der andere so wild und trotzig in vollster Lebenskraft, fand Gefallen an dem Gefährten, den er zufällig gefunden.
Der Fremde gab Alonzo eine kurze Übersicht von der Flora ihres Landes und der mannhafte Jüngling lauschte ihm mit der Aufmerksamkeit eines Schulknaben.
"O, was seid Ihr für ein Gelehrter, Ihr werdet noch recht berühmt werden und dicke Bücher schreiben."
"Wenn Liebe zur Wissenschaft und Fleiß berühmt machen können, so ist das nicht unmöglich."
"Nun, ich wünsche es Euch von Herzen."
"Doch wäre es nicht an der Zeit, ich erführe, wem ich das Leben verdanke?"
"O, Sennor, man nennt mich Alonzo Vivanda und ich hause an einem Nebenfluß des Meta."
"Sehr wohl, Don Alonzo; in mir seht Ihr Eugenio de Valla vor Euch."
Der Name de Valla, von diesem so liebenswerten jungen Manne in Anspruch genommen, zuckte mit scharfem Schmerz durch Alonzos Seele, und augenblicklich nahm sein, eben noch mit fast kindlicher Aufmerksamkeit dem jungen Gelehrten zugewendetes Gesicht den Ausdruck von Starrheit an, unter der er stets die Regungen seines Innern zu verbergen bemüht war.
"Der Sohn des Ministers in Bogotá?" fragte er.
"Ja, Carlos de Valla ist mein Vater, amigo mio."
Erst jetzt gewahrte Eugenio die Veränderung, die in seines Gefährten Gesicht vor sich gegangen war, aber er wußte sie nicht zu deuten.
"Ihr staunt, daß mein Vater, der so große Verdienste als Staatsmann und Krieger um das Land hat, mir gestattet, bescheiden der Wissenschaft zu leben? O, er liebt mich, der gute Vater, und weiß, daß ich nur so glücklich bin. Er ist der edelste und beste der Menschen und auch Ihr werdet ihn lieben, wenn Ihr ihn kennt."
Alonzo wiegte stumm das Haupt. Dann sagte er: "Es ist spät geworden, Sennor, wir müssen das Lager aufsuchen. Wo hofft Ihr Eure Freunde zu treffen?"
"Jedenfalls in Villavacencia am Rio Negro, dort wollten wir halt machen."
"Ihr könnt es von hier aus mit nicht allzu großer Mühe erreichen."
Während er noch sprach, trat der Llanero ein, der überrascht die Fremden sah.
"O, Don Alonzo" - er kannte den jungen Sennor Vivanda - "wie freut das mich, Euch bei mir zu sehen!"
Alonzo gab ihm rasch die Ursachen an, die ihn zu seinem Hause getrieben und sprach die Hoffnung aus, daß er Sennor de Valla nach Villavacencia führen könne.
Dies bejahte der Llanero in bereitwilligster Weise.
Auf Alonzos Bitte wies die Sennora den beiden jungen Leuten ihre Schlafstätten an, und sich gute Nacht wünschend, trennten sie sich.
Alonzo ging noch einmal hinaus, nach seinem Pferde zu sehen und sagte hierbei dem Llanero: "Ich will abreiten, ehe die Sonne aufgeht, und den jungen Mann nicht im Schlaf stören. Sage ihm, ich ließe ihm Lebewohl wünschen. Pflege ihn und bringe ihn, sobald er im Sattel sitzen kann, sicher zu den Seinen, ich werde dir dankbar sein, amigo."
"Verlaß dich darauf, Don Alonzo."
Alonzo suchte seine Lagerstätte auf und sagte leise vor sich hin: "Muß dieser Jüngling, zu dem mein Herz sich hingezogen fühlt, der Sohn jenes de Valla sein - der -" düstere Bilder stiegen vor seiner Seele auf - "o schade - schade - und ich hätte den jungen Mann so innig lieben können." - Noch ehe die Sonne sich wieder erhob, galoppierte Alonzo in die Llanos hinein.
Elftes Kapitel.
Sennor Tejada und sein Peon
In bester Laune ritt Sennor Sancho Tejada am felsigen Ufer des Rio Negro einher, um gleich dessen strömenden Wassern die Niederungen aufzusuchen. Hinter ihm ritt sein Peon Juan, und das Gesicht des Mannes sah stumpfsinniger aus als je.
Der Bandit - etwas anderes war Tejada nicht, denn, obgleich aus guter Familie stammend, war er in den blutigen Bruderkämpfen der kaum vom spanischen Joche befreiten Republiken des nördlichen Südamerika verwildert und rasch zum Spieler und endlich selbst zum Straßenräuber herabgesunken - rauchte behaglich seine Zigarette und sann nach, wie er seine Glücksumstände, die bereits eine so erfreuliche Wendung genommen hatten, noch mehr verbessern könne.
Für seinen Peon, der sich übrigens als brauchbarer Diener erwiesen hatte, war er Sennor Molino, ein Haciendero vom Magdalena; denn den Namen Tejada vermied er selbst in diesem Teile des Landes, wo er doch kaum bekannt war, zu führen. Auch glaubte er, daß seine Veränderung des Bartes - er hatte, ehe er Neugranada betrat, den Vollbart in einen kecken Schnurr- und Knebelbart verwandelt - ihn unkenntlich machen werde, für den Fall er einem früheren Bekannten, der ihm nicht wohl wollte, begegnen sollte.
In bester Laune ritt Sennor Sancho Tejada am Felsenufer des Rio Negro einher.
Seine Aufgabe bestand jetzt darin, den Sohn Don Pedro d'Alcantaras ausfindig zu machen. Das geheime Versteck seines früheren Spießgesellen Gomez hatte er, als er vor einigen Wochen es durchsuchte, zwar unberührt, und darin die Briefe de Vallas gefunden, nicht aber den Goldstaub, den er suchte. Der kleine Rancho Gomez' war, wie er dort erfuhr, in den Besitz eines unweit wohnenden großen Haciendero übergegangen, der ihn der langjährigen Dienerin des Gomez abgekauft hatte, und wurde von einem seiner Aufseher bewohnt.
Bei diesem, der des Lesens unkundig war, als harmloser Reisender einkehrend, hatte ihn der Zufall das Stück der Niederschrift der Bekenntnisse finden lassen, die der schwer verwundete Gomez, als Alonzo sich auf dem Wege nach dem Cura befand, zu Papier brachte.
Der geriebenene Bandit, der sofort begriff, welche Wirkung diese wenigen Zeilen von Gomez' Hand auf de Valla haben würden, selbst wenn die aufgefundenen Briefe eine solche verfehlen sollte, war spornstreichs nach Bogotá aufgebrochen und hatte dort durch sein freches Auftreten erlangt was er wünschte.
Tejada sagte sich, daß wenn dieser Alonzo d'Alcantara noch am Leben sei, er seine Spur von dem Orte aus verfolgen müsse, wo er aufgetaucht war, und das war Gomez' Hütte.
Auf dem Wege dorthin befand er sich mit seinem Peon.