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    Es war zehn Jahre her, daß Pedro d'Alcantara in dem Tale der drei Quellen von räuberischen Eingeborenen, die man für aus den Schlupfwinkeln ihrer Berge herab gekommene Aimaràs hielt, mit den Seinigen überfallen und erschlagen worden war. Nur einige von der Dienerschaft waren entkommen und hatten von dem grauenvollen Ereignis berichtet.

    Pedro d'Alcantara, einem vornehmen spanischen Geschlechte entstammend, gehörte nicht nur zu den Großgrundbesitzern des nach Bolivars Tod neugebildeten Staates Neugranada, von dem sich Venezuela und Ecuador unter blutigen Kämpfen abgezweigt hatten, er war auch einer seiner edelsten und einflußreichsten Bürger von gemäßigt liberalen Anschauungen.

    Der politische Parteihader ließ jene Länder damals nicht zur Ruhe kommen. Kaum hatte ein der liberalen Partei angehöriger Präsident einige Jahre das Regiment geführt, als sich ein blutiger Aufstand gegen ihn erhob und die Republikaner ihn stürzten, um einen Mann ihrer Partei mit dem höchsten Amte zu bekleiden. Carlos de Valla, öffentlich den Liberalen anhängend, hatte den Republikanern heimlich wichtige Dienste geleistet und stand in Ansehen bei ihnen.

    D'Alcantara, der sich wegen seines echten selbstlosen Patriotismus der Achtung bei Freund und Feind erfreute, war der Verfolgung, die nach dem Siege der republikanischen Partei über die Libertados hereinbrach, zwar entgangen; selbst sein Eigentum hatte man respektiert, in der Hoffnung, ihn für die Sache der Republikaner zu gewinnen. Doch er hatte es vorgezogen, Bogotá zu verlassen und seinen Wohnsitz im Süden des Landes, in den Llanos, fern von allem Parteigetriebe zu nehmen.

    Diese Reise brachte ihm und den Seinen ein schreckliches Ende im Tale der drei Quellen. Er selbst mit seiner Gattin, seinen Söhnen Alonzo und José, den Töchtern Juana und Maria fanden unter den Messern der Aimaràs, so lauteten die Nachrichten, den Tod. Alonzo, der Erstgeborene, war damals zehn Jahre alt - Juana, die Jüngste, kaum zwei.

    Der Name Pedro d'Alcantaras war nicht vergessen worden, es war für alle ehrlichen Leute der Name eines edlen Patrioten, der für die liberale Ausgestaltung der Verfassung redlich gekämpft hatte.

    Einen besonderen Klang hatte er noch für die Llaneros, die er wiederholt in blutigen Schlachten anführte. Tejada wußte dies alles, wußte auch, daß der wie durch ein Wunder am Leben gebliebene Sohn Pedro d'Alcantaras, immer vorausgesetzt, daß er noch auf Erden weile, hingebende treue Freunde in den Llanos gefunden haben mußte und zwar Freunde, die genau bekannt waren mit den Gefahren, die ihn bedrohten und ihn selbst vor dem mächtigen und allwissenden Manne in Bogotá jahrelang zu verbergen vermocht hatten.

    Es war also nicht ganz leicht, Don Alonzo ausfindig zu machen.

    Das waren so die Gedanken des Mannes, die sein Gehirn durchkreuzten, als er behaglich am Ufer des rauschenden Rio Negro hinritt.

    Sein Denken wurde durch einen aus einem Seitenwege plötzlich auftauchenden Reiter gestört, der nach Art der Hacienderos des Landes gekleidet, auf einem vorzüglichen Maultier im raschesten Paßgange des Mulo erschien und, ohne Tejadas zu achten, seinen Weg nach den Llanos fortsetzte.

    Rasch, wie er gekommen, verschwand der Mann an einer Biegung des Weges und war auch nicht mehr zu erspähen, als Tejada diese erreichte.

    "Hm," murmelte Don Sancho, "der hat's eilig."

    Nach einiger Zeit, während er behaglich weiterritt, hörte er Pferdehufe hinter sich und gewahrte, nicht ohne Schrecken, daß der erste der drei ihm folgenden Reiter die Uniform der Landespolizei trug und zwei bewaffnete Lanceros hinter sich hatte. Tejada fühlte große Neigung, seinem Rosse die Sporen zu geben, bezwang sich aber, sich sagend, daß er sich dadurch nur verdächtig machen würde. Mit einiger Beklemmung, denn Don Sancho Tejada kam sehr ungern mit der Polizei in Berührung, setzte er seinen Weg anscheinend ruhig fort.

    Trotzdem die Pferde der ihm Folgenden sehr erschöpft waren, hatten sie ihn bald eingeholt.

    Der Alguacil grüßte ihn höflich, was Don Sancho in guter Manier erwiderte, und fragte: "Haben Sennor vielleicht einen Reiter auf ungewöhnlich schnellem Maultier auf Ihrem Wege bemerkt, der nach Pflanzerart gekleidet war?"

    Tejada, der jetzt erkannte, daß die Lanceros dem Manne nachsetzten, der so flüchtig vor ihm aufgetaucht war, und damit jede Besorgnis schwinden fühlte, war in seinem Widerwillen gegen die ausführenden Organe des Gesetzes sehr geneigt, zu leugnen, daß er jemand gesehen habe, bezwang aber diese Anwandlung und erwiderte: "Wohl, Sennor, vor eben einer Weile erblickte ich einen solchen Reiter, der in großer Eile nach Süden ritt."

    "O, so ist er uns zunächst entkommen," sagte der martialische Polizeioffizier, "denn wir brauchen Stunden, ehe wir frische Tiere für unsere abgematteten bekommen."

    "Es galt einem Verbrecher, Sennor?"

    "Ja, und einem sehr gefährlichen. Sennor sind in den Llanos zu Hause?"

    "Doch nicht, ich bin am Magdalena ansässig und werde nur durch vorübergehende Geschäfte nach dem Süden geführt."

    "So suchen Sennor gewiß Naëva auf, des großen Jahrmarkts wegen?"

    "Ich hege auch diese Absicht, obgleich mein Reiseziel am Ocoa liegt."

    Der Alguacil, der einsehen mochte, daß mit den erschöpften Tieren, die er und seine Leute ritten, eine weitere Verfolgung des Mannes, den er suchte, untunlich sei, ritt langsam neben Tejada einher.

    Dieser bot ihm höflich seinen Tabakbeutel, den der Polizeimann erfreut entgegennahm und sich mit der Geschicklichkeit der Spanier rasch eine Zigarito formte und in Brand setzte.

    "Darf ich mir die Frage erlauben, Sennor," ließ Tejada, der sich ganz als Caballero fühlte, sich vernehmen, "was der Mann, dem sie folgen, auf dem Kerbholz hat?"

    "Es ist kein Geheimnis und ich bin Ihnen sogar dankbar, wenn Sie verbreiten, was ich Ihnen mitteile. Die Bürgerkriege, die unser schönes Vaterland verwüsteten, die Vernachlässigung der südlichen Departementos haben es möglich gemacht, daß eine Bande von Flußpiraten sich in den Gewässern des Landes - leider sind wir nicht unterrichtet wo, doch jedenfalls am Orinoko oder in einem seiner größeren Zuflüsse - niedergelassen hat und von da aus ihre verderbliche Tätigkeit übt."

    "O, was Sie sagen?" Tejada schien sehr erstaunt zu sein.

    "Leider ist es so. Diese Departementos sind nur spärlich bevölkert, dichtere Ansiedlungen weisen nur die Flußläufe auf und unsere Pflanzer haben einzig den Wasserweg den Orinoko hinab, um ihre Produkte auszuführen und nach der Küste zu bringen, wie Ihnen im Norden jenseits des Gebirges der Magdalena zu diesem Zwecke dienen muß. Seit Jahren ist es bemerkt worden, daß eine ungewöhnlich große Zahl von Flußkähnen und Flößen auf dem Orinoko verschwunden ist, verschwunden mit ihrer reichen Ladung, ihrer ganzen Bemannung. Zwar ist der Orinoko ein wilder und durch seine Felsen, seine Schnellen, seine versunkenen Baumstämme sehr gefährlicher Strom, der alljährlich seine Opfer fordert, und seine Ufer sind auf Hunderte von Meilen von unzugänglichen Wäldern eingesäumt, in denen nur der Todfeind aller Weißen, der wilde Guarani haust. Schließlich wurde aber doch der Verdacht unter unseren Hacienderos rege, daß dies nicht ganz mit rechten Dingen zugehen könne, und man richtete jetzt auf die Stapelplätze an den Flußläufen, besonders am Meta, seine Aufmerksamkeit, ohne aber zu einem Resultate zu gelangen."