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    Alonzo hatte seinen väterlichen Freunden Mitteilung von seiner Begegnung mit Eugenio de Valla gemacht, ihnen auch nicht verhehlt, wie sehr der sanfte Forscher sein Herz gewonnen hatte.

    Die beiden Herren waren von diesem Zusammentreffen in hohem Grade betroffen gewesen, doch mit nachdrücklichem Ernst hatte ihm der Sennor erklärt, daß ein Freundschaftsbund mit dem Sohne des Ministers unmöglich sei, die hierfür sprechenden Tatsachen würde er, sobald es Zeit sei, erfahren.

    Alonzo hatte sich zu seinem Leidwesen schon Ähnliches sagen müssen. "Wie traurig," dachte er, "der Naturalista war ein solch herziger kindlicher Bursche."

    Einige Tage nachdem Sennor de Vivanda mit Elvira nach den Bergen aufgebrochen war, machte sich Alonzo in Begleitung des Administrators und gefolgt von einigen Peons der Hacienda auf den Weg nach Naëva.

    Das kleine Städtchen, dessen Behausungen vorwiegend aus Adobeziegeln aufgeführt und mit Stroh gedeckt waren, lag lieblich, in das Grün von Manga, Caibabäumen, Palmen und Bananen eingebettet, am Ufer eines Wasserlaufes. Fernhin erhoben sich im Westen die höher und höher ansteigenden Anden.

    Alonzo fand das Städtchen bereits überfüllt von Fremden. Eine größere Zahl derer, die durch Handelsinteressen hierhergeführt wurden, hatte sich in Wagen und roh hergestellten Zelten und Hütten niedergelassen.

    Für ihn war freilich längst ein Haus gemietet worden.

    Ein buntes Gemisch zeigte sich dem Eintretenden. Die reichen Grundbesitzer der Llanos, die Landleute aus den Bergen, die rauhen Montaneros waren da, Kaufleute vom Meta, vom Orinoko und aus den Städten des Nordens, Pferde- und Rinderhirten in ihrer wilden malerischen Tracht, Indianer aus den Pueblos in den Bergen und von den Flußläufen, die verkaufen und kaufen wollten, Neger und Mulatten, zu allen Diensten brauchbar. Auch Spieler und Raubgesindel hatten sich eingefunden, denen eine besonders für den Jahrmarkt eingerichtete berittene Polizei auf die Finger sah.

    In dem kleinen Städtchen herrschte ein Leben und Treiben, wie es nur ein auf kurze Zeit berechneter Zusammenfluß von Leuten, die besondere Interessen verfolgen, hervorrufen kann. Alonzo wurde bei seinem Einreiten jubelnd von einer Schar junger Leute, Söhne von Hacienderos der Llanos, begrüßt und selbst die graubärtigen Vaqueros schmunzelten, als sie ihn in der ihm eigenen stolzen und noch anmutigen Haltung erblickten; sie hatten ihn alle gern, den mannhaften Jüngling, dessen vornehme Gemessenheit doch nichts Verletzendes an sich hatte.

    "Sei willkommen, Don Alonzo."

    "Gut, daß du da bist."

    Und sie schüttelten ihm die Hand.

    "Wo ist Sennor Vivanda?"

    "Und Donna Elvira?"

    "Weißt du schon, Don Alonzo, daß wir um die Wette reiten wollen? Don Sylvio hat einen silbernen Becher ausgesetzt."

    "Du reitest doch mit?"

    "Die Montaneros, die ja nicht reiten können, wollen ein Schießen veranstalten."

    Also durchkreuzten sich die Fragen, als die jungen Leute Alonzo zu seiner Behausung begleiteten, und waren erst zufrieden, als er Auskunft gegeben und vor allem zugesichert hatte, daß er sich am Wettrennen beteiligen wolle.

    Alonzo war augenscheinlich sehr beliebt unter den Llaneros.

    Vor der überfüllten Posada standen, als Alonzo mit seinen Begleitern vorüberritt, der ehrenwerte Haciendero Molino alias Tejada, der es für seine Zwecke vorteilhaft gefunden hatte, Naëva zur Zeit des Jahrmarkts aufzusuchen, in der Hoffnung, bei einem großen Zusammenstrom von Leuten leichter und unverdächtiger Nachforschungen nach dem jungen Alcantara anstellen zu können.

    Hinter ihnen stand Maxtla, der Indianer, und schaute mit einem Blicke zu Alonzo empor, in dem für einen Augenblick Staunen mit Freude gemischt war, um gleich darauf wieder dem gleichgültigen Ausdruck zu weichen, der dem roten Mann in diesen Landen eigen ist.

    "Wer ist der junge Mann?" fragte Tejada, der sich bei dieser Zusammenkunft von Bewohnern des Landes als Bogotaner ausgegeben hatte, einen neben ihm stehenden Vaquero.

    "Sennorito de Vivanda, Sennor, einer der reichsten Erben des Landes," war die Erwiderung.

    "Gutes Blut darin, man sieht's an Miene und Haltung, ein echter Caballero."

    "Da sagt Ihr wahr."

    Maxtlas dunkle Augen folgten Alonzo, solange seine Gestalt zu erblicken war.

    Als Alonzo am Nachmittage seine Behausung verließ, um einige Besuche bei angesehenen Grundbesitzern zu machen, wie ihm von seinem Pflegevater empfohlen war, vernahm er eine Stimme: "O, Don Alonzo!" und vor ihm stand mit einem von inniger Freude belebten Gesicht Eugenio de Valla. "Welches Glück! Wie freue ich mich, Euch zu sehen -", er gewahrte im ersten Augenblicke gar nicht, daß Alonzos Antlitz trotz des warmen Strahles, der in seinen Augen aufleuchtete, eine fast eisige Haltung annahm.

    Alonzo war bei diesem unerwarteten Wiedersehen bewegter, als er es sich selbst eingestehen mochte, wozu die unverhohlene Freude Don Eugenios nicht wenig beitrug.

    "Auch ich freue mich, Euch wohlbehalten wieder zu sehen, Sennor," erwiderte er mit vollkommener Höflichkeit, doch gemessen.

    "Ich habe immerwährend Eurer gedacht und darauf gesonnen, wie ich Euch etwas Freundliches erweisen könnte -"

    "Ihr legt einem kleinen, ganz selbstverständlichen Dienste zu großes Gewicht bei, Sennor - Ihr seid mir keinen Dank schuldig."

    Jetzt fühlte der so freudig überraschte und erregte Eugenio doch, mit welcher Kälte ihn der Mann begrüßte, dessen er so freundschaftlich gedachte, ja daß er ihm nicht einmal den Vornamen gab, sondern sich auf das formelle Sennor beschränkte.

    Er sah in das ernste unbewegte Gesicht Alonzos und seine Miene wurde traurig.

    Er fand dort nichts von dem Gefühl, das ihn belebte. Das war Eugenio sehr schmerzlich.

    "Ich bin auf dem Wege in die Anden," sagte er dann, "um dort meine Studien fortzusetzen. Sennor Pinola, in dessen Begleitung ich mich befinde, wollte schon heute abend reisen, aber nun möchte ich noch gern länger hier weilen."

    "Ihr werdet hier gewiß manch ungewohnte Erscheinung aus den Llanos wie aus den Bergen erblicken. Ich selbst bin leider während meiner Anwesenheit hier so beschäftigt, daß ich es unmöglich finden werde, Euch etwas von meiner Zeit zu widmen."

    Bei dieser kalten und ganz unverdienten Zurückweisung traten Eugenio fast die Tränen in die Augen, aber er zwang sie zurück und sagte mit unverkennbarem Schmerze: "Das tut mir herzlich leid, Sennor Vivanda. Ich werde Euer Bild im Herzen bewahren und von einem gütigen Geschick erhoffen, daß es mir Gelegenheit gibt, meinen Dank für Eure Hilfe in Todesnot einst abzutragen. Lebt wohl, Sennor."

    Tief gekränkt wandte Eugenio sich ab und verschwand gleich darauf in der Menge.

    Mit einem Blicke, der erkennen ließ, wie teuer der Sohn de Vallas seinem Herzen geworden, und wie schwer es ihm ankam, ihn so scheiden zu lassen, sah ihm Alonzo nach. Aber er war der Sohn des Mannes, von dem er mehr ahnte als wußte, daß er an der grauenvollen Tragödie im Tale der drei Quellen schuldvoll beteiligt war, und er war der Anweisung Sennor Vivandas eingedenk. Nur die eiserne Kraft seines Willens und die Energie, mit der er sich beherrschte, hatte seine kalt abweisende Haltung ermöglicht. Der Tag der Vergeltung nahte und dieser mußte jede Rücksicht weichen.

    Machtvoll schüttelte er die Gedanken, die ihn überkamen, ab und machte seine Besuche. Überall wurde er mit herzlicher Freundlichkeit aufgenommen. Er hörte da von einflußreichen Männern Worte des Unmuts gegen den allmächtigen Minister schleudern, der durch den schwachen Präsidenten mit eiserner Gewalt das Land beherrschte.