Alle begleiteten Alonzo zur Stadt hinaus, zum Festplatz, wo fast alles versammelt stand, was hier zusammengeströmt war.
Alonzo fand seine kleine Schar Montaneros bereits im Sattel.
"Wer von den Sennores kennt den nächsten und besten Weg zu dem rauschenden Wasser?" Das war der Name eines Baches, der ungestüm in einzelnen Fällen aus den Felsen in die Ebene hervorbrach.
Ein junger Mann meldete sich.
"So führen Sie uns."
Unter den Segenswünschen aller Umstehenden ritt Alonzo mit seinen Gefährten davon.
Bald sank die Sonne über den Bergen und dunkle Nacht entzog sie den Blicken der ihnen Nachschauenden.
Dreizehntes Kapitel.
Der Rächer
Der Raub der jungen Dame hatte weit und breit in den Ansiedlungen der Berge großes Aufsehen und wilden Grimm erregt. Und lebhaft war der Wunsch, den Räubern, die der allgemeinen Meinung nach nur Aimaràs sein konnten, den Raub abzujagen und die Wilden gründlich zu züchtigen.
So kam es, daß Alonzo, als er mit den Seinen im Lager Sennor Vivandas eintraf, wohl an sechzig entschlossene und gut bewaffnete Bergbewohner antraf -, die bereit waren, den Zug in die Berge zu unternehmen.
Alonzo fand den alten Herrn ganz gebrochen von bitterem Herzeleid.
Er tröstete ihn, so gut er vermochte, besonders mit der Vesicherung, daß die Wilden beim Raube eines Mädchens es nur auf Lösegeld abgesehen haben könnten.
Sennor Vivanda führte ihn hinaus, wo die Montaneros, unter denen auch einige Indianer der benachbarten Ansiedlungen waren, am Feuer lagerten, um ihn diesen vorzustellen; er nannte ihn dabei den Sohn seines Herzens. Die mit Alonzo gekommenen jungen Männer hatten sich den anderen schon zugesellt.
Ein älterer erfahrener Bergbewohner, der als berühmter Jäger das Gebirge bis weit hinauf kannte, erhob sich, schüttelte Alonzo die Hand und sagte dann: "Wir haben überlegt, Sennor Vivanda, wie wir dir und deinem armen Kinde helfen können. Nichts wäre uns lieber, als diese Räuber oben in den Bergschluchten zu vertilgen, aber sie wohnen in solch sicheren natürlichen Festungen, daß sie jedes Angriffs spotten können. Außerdem haben sie deine Tochter als Geisel. Wir müssen den Weg der Unterhandlung versuchen."
"Ja," sagte Alonzo, "aber der Unterhändler muß dreißig tapfere Herzen und dreißig sichere Büchsen hinter sich haben. - Mit dreißig entschlossenen Männern unternehme ich es, den ganzen Stamm zu vertilgen."
"Du sprichst große Worte, Jüngling," erwiderte der Montanero. "Du kennst das Gebirge nicht."
"Ich kenne es, und weiß, was ich sage," erwiderte Alonzo ruhig.
"Und er ist ein wundervoller Schütze," rief einer der jungen Leute, die mit Alonzo gekommen waren, "wir haben es gesehen. Ist es nicht so, Companeros?"
"Ja, es ist wahr," bestätigten die anderen.
Mit hastigen Schritten kam ein junger Mann auf Alonzo zu und vor dem Jüngling stand Antonio, der Mestize, der ihn mit leuchtenden Augen anstarrte.
"Don Alonzo, bist du es?" fragte er mit bebender Stimme.
Durch Alonzos Herz zog ein freudiges Gefühl, als er den vor sich sah, dem er einst das Leben gerettet hatte. Er reichte dem Mestizen die Hand und sagte: "Ich bin es, amigo mio, und freue mich, dich noch unter den Lebenden zu sehen. Doch," setzte er leise hinzu, "sprich hier nicht von dem Beginne unserer Freundschaft."
"O, Don Alonzo," sagte Antonio, sehr bewegt von diesem Wiedersehen, "ein gütiges Geschick war uns gnädig -, ich gehöre Euch im Leben und im Tode, verfügt über mich. - Companeros," rief er dann laut, "wenn einer uns gegen die feigen Mörder in den Bergen führen kann, so ist es hier Don Alonzo, der Sohn dieses würdigen Herrn, ich weiß es aus Erfahrung, ich folge seiner Leitung unbedingt."
Da der Mestize, der sich großer Achtung erfreute, auch als geübter Bergsteiger und Jäger bekannt war, machten seine Worte einen sehr guten Eindruck auf die Montaneros.
"Gut so," sagte der ältere Mann, der aufmerksam die Begrüßung zwischen Antonio Minas, dem Halbindianer, und Alonzo beachtet hatte, und wohl wußte, gleich den Weißen hier, daß der Mestize durch die Klugheit, Tapferkeit und Hingebung eines bei den Aimaràs gefangen gehaltenen Knaben gerettet worden sei, "wenn Antonio Minas das sagt, bin ich bereit, Don Alonzo zu folgen."
"Wir gehen mit ihm," riefen die anderen.
Der Zuruf war kaum verklungen, als zwei Reiter auf die Versammelten zukamen, von denen der Vorankommende, ein älterer bebrillter Herr in leichtem Sommeranzuge, der nichts vom Jäger oder Landmann an sich hatte, in großer Erregung zu sein schien. Der ihm folgende war ein Peon.
"Ich suche Sennor Vivanda," sagte er hastig, sich umschauend.
Vivanda ging ihm entgegen und begrüßte ihn.
"Ich bin Professor Pinola von Bogotá, Sennor, und weile als Forscher in den Bergen. Ich habe von Eurem großen Unglück vernommen -, o -, auch wir haben Gleiches zu beklagen -, das jüngste Mitglied unserer Expedition, Don Eugenio de Valla, ist uns von Wilden in die Berge entführt worden. O, Sennor, der junge treffliche Mann ist mir von seinem Vater anvertraut worden, Sie sorgen um Ihre Tochter, ich höre, daß man Ihnen beistehen will -, o lassen Sie uns unsere Anstrengungen vereinen, um die Gefangenen zu befreien. Der Vater Don Eugenios, der Staatsminister de Valla, wird jedes Lösegeld für seinen Liebling bezahlen und jeden reich belohnen, der zu seiner Befreiung mitwirkt."
Der Professor brachte dies alles in nicht geringer Aufregung hervor.
Über die Züge Sennor Vivandas lagerte sich ein tiefer Ernst.
de Vallas Sohn in den Händen der Aimaràs?
"Strafst du schon hier, Allewiger?" flüsterte er vor sich hin.
Alonzo war schmerzlich überrascht von dieser Kunde, doch blieb sein Antlitz ruhig.
"Wann ist dies geschehen?" fragte jetzt der ältere Montanero, "und woher wissen Sie, daß Aimaràs den jungen Mann gefangen haben?"
"O Sennor," erwiderte der Gelehrte, "Don Eugenio ist ein eifriger Entomologe, und als er vor drei Tagen nicht zum Lager zurückkehrte, suchten wir ihn mit Hilfe der indianischen Jäger, die wir bei uns haben, denn wir fürchteten, er habe sich verirrt oder es sei ihm ein Unfall begegnet. Unser Suchen war vergeblich, doch durch einen Eingeborenen des Landes erfuhren wir, daß berittene Indios einen jungen Weißen, dessen Beschreibung auf Don Eugenio paßte, in die Berge geführt hatten. Da hörte ich gestern auch noch von der Entführung Eures Töchterchens, Sennor. Lassen Sie uns vereint handeln, um diese teueren Menschen zu befreien; kein Preis ist dafür zu hoch."
Die Montaneros, die sich um die Gruppe versammelt hatten, lauschten diesem Berichte mit sich steigerndem Ingrimm. Seit Jahren hatten die gefürchteten Räuber nichts von sich gewahren lassen und nun sich wieder in solch schreckenvoller Weise bemerkbar gemacht.
Der Zorn machte sich in manchem Ausrufe Luft.
"Diese Männer hier," sagte Sennor Vivanda zu Professor Pinola, "sind entschlossen, alles zu versuchen, um mein Kind zu befreien, und werden gewiß auch für Don Eugenio eintreten."
"Gewiß," beteuerten die Hörer, "wir werden ihn nicht verlassen."
"Das ist Ihr Sohn, Sennor?" fragte Pinola, Alonzo anblickend, der neben Vivanda stand.
"Ja, Don Alonzo."
"O, er hat schon einmal Don Eugenio das Leben gerettet -, sein Name ist in unser Herz geschrieben." Er reichte Alonzo die Hand und fuhr mit bewegter Stimme fort: "Wenn Sie wüßten, Sennorito, wie sehr Eugenio Sie liebt, Sie würden stolz darauf sein -, o, wir sind Ihnen ja schon auf das Tiefste verpflichtet -, verlassen Sie Don Eugenio auch jetzt nicht."