Alonzo hielt die erbitterten Montaneros zurück, als sie Guati töten wollten, und befahl, ihn zu binden. Und so groß war der Respekt, den Alonzo seinen Gefährten einflößte, daß sie selbst in diesem Augenblicke höchster Erregung ihm gehorchten.
Gleich darauf lag Guati in unzerreißbaren Banden fest.
Hochaufgerichtet, einen Zug stolzen Triumphes im Antlitz stand Alonzo da, das Schlachtfeld überschauend. Die Aimaràs, der Schrecken seines jungen Lebens, lagen zu seinen Füßen -, vollständig war die vollzogene Strafe an den Mördern im Tale der drei Quellen.
Leider hatten auch zwei der jungen Leute das Leben eingebüßt und viele der Montaneros waren verwundet.
Unverletzt, aber totenbleich und zitternd, stand Don Eugenio da, er hatte das Grauen der letzten Stunde noch nicht überwunden, aber sein Blick ruhte mit dem Ausdrucke von Liebe und Dankbarkeit auf Alonzo.
Mit stolzer Freude kam Antonio, der Mestize, heran, der wie ein Löwe gekämpft hatte.
"Das ist der Tag der Wiedervergeltung, Don Alonzo, sie haben die Qualen gebüßt, die sie dich und mich einst ausstehen ließen, sie sind gezüchtigt, die Mörder, für alle Zeit."
An eine Gartenwand gelehnt, saß finsteren, aber ruhigen Angesichts Tucumaxtli, der Kazike.
Alonzos Schuß hatte ihm die Schulter zerschmettert, als er die Machete erhob, um Eugenio zu töten, eine Kugel, die ihn in den Rücken traf, ihm eine tödliche Wunde zugefügt.
Zu ihm wandte sich jetzt Alonzo, um den sich alle seine Waffengefährten gesammelt hatten.
"Du kennst mich, Kazike?" fragte er ihn.
"Ja, und ich wollte, ich hätte dich getötet wie die anderen, Natter."
"Du siehst, Tucumaxtli, dort liegt Guati am Boden, dein Sohn. Du wirst bald vor dem höchsten Richter stehen, aber er kann noch leben, wenn du hier vor den Weißen sagst, wie du mich einst in deine Gewalt gebracht hast."
"Tucumaxtli hat nichts zu sagen."
"So wird Guati an seinem Halse aufgehängt werden an einem Baum, bis ihn die Geier verzehren."
Der sterbende Kazike zitterte. Nichts ist dem Indianer grauenvoller, als ein Tod durch Erhängen.
"Wird Guati leben?"
"Ja, wenn er bei seinen Göttern schwört, nie wieder den Arm gegen einen Weißen zu erheben."
"Er wird es tun, und ich will reden."
Alonzo bat die Umstehenden, den Worten des alten Kaziken zu lauschen, hinzufügend: "Euch allen, ihr Freunde, wird mein Vertrautsein mit der Örtlichkeit hier verwunderlich erschienen sein. Nun, ich habe fünf Jahre als Gefangener dieser Wilden hier zugebracht, bis ich mit Don Antonio vor fünf Jahren diesem Tale entfloh."
"Bis der heldenhafte Knabe mich vor einem grauenvollen Tode hier rettete; Don Alonzo danke ich es, wenn ich heute noch lebe," versetzte der Mestize feurig.
Mit matter Stimme sagte der Kazike in spanischer Sprache allgemein verständlich: "Tucumaxtli geht zu seinen Vätern und es ist gut so, Guati soll noch leben. Es sind zehn Sommer, da bewog mich Gomez, der Goldsucher und Jäger, einen großen spanischen Caudillo gefangen zu nehmen und in die Berge zu schleppen, und gab mir Gold dafür. Meine Krieger witterten Blut und erschlugen die Weißen bis auf den da," er deutete auf Alonzo, "den schleppte ich mit mir in die Berge, damit seine Feinde mir viel Geld gäben, wenn er erwachsen und ihnen gefährlich geworden sei als Sohn des großen Caudillo. Einen Panther führte ich mit mir, der mich, groß geworden, zerriß, mich und die Meinen. Vor fünf Jahren entfloh er, um heute zurückzukehren. Ich schwöre bei den Göttern der Aimaràs, ich habe die Wahrheit gesagt. - Ich habe gesprochen."
Alonzo erhob langsam das Haupt.
"Ich wünschte, ihr Freunde, daß ihr das vernehmet, was ihr eben hörtet. Bewahrt es in eurem Herzen, bis die Stunde kommt, wo ich euer Zeugnis brauche.
Alle gelobten es.
Tucumaxtli hauchte bald darauf seinen letzten Seufzer aus.
Nach so furchtbaren Anstrengungen bedurften die Montaneros der Ruhe. Sie fanden Nahrungsmittel, Futter für die Tiere, Wasser, und rüsteten sich, die Nacht in dem Aimaràdorfe zu bleiben. Auch Maultiere und Pferde fingen sie noch genug ein, um die Schar derer, die über die Felsen geklettert waren, beritten zu machen. Die Verwundeten, deren Verletzungen meistens leicht waren, wurden gepflegt und die beiden Toten unter einer Fichte begraben.
Hiernach entfernte sich Alonzo, um seiner inneren Erregung Herr zu werden.
Erst nach längerer Zeit kam er zu den schmausenden, siegesfreudigen Gefährten zurück, sah nach den Verwundeten und nach Eugenio, der sich von der überstandenen Todesangst erholt hatte, lehnte seinen Dank ernst-freundlich ab und sagte, daß er zu seiner Schwester reiten wolle, um sie zu trösten und zu beruhigen.
Für den nächsten Morgen wurde der Rückmarsch bestimmt.
Alonzo hatte Elvira nach der überstandenen Angst gefaßt, fast freudig wiedergefunden.
Er ließ dann den immer noch gebundenen Junma befreien und hieß ihn in die Berge zu gehen. Auch warf er die Indianertracht ab und zog seine Kleider wieder an. Er sorgte für Elviras ungestörte Nachtruhe und suchte selbst nach unerhörten Anstrengungen den Schlaf.
Als er mit Sonnenaufgang erwachte, machte er sich alsbald nach dem Dorfe auf den Weg. Er fand Tempel und Häuser in Flammen. Die erbitterten Montaneros wollten dieses Raubnest für immer zerstören.
Nachdem er eine sanfte Mula für Elvira ausgesucht und ihr eine Art Damensattel hergestellt hatte, ließ er Guati vor sich führen, ihn in der Weise seines Volkes schwören, Frieden mit den Weißen zu halten, und gab ihn dann frei.
Mit den Gefährten machte Alonzo sich dann auf, von der Grenze des Tales noch einen Blick auf die in Flammen gehüllte Stätte, wo er so traurige Tage verlebt hatte, werfend. Er holte dann Elvira und setzte sie, wohl in den Teppich eingewickelt, auf die Mula, worauf der Heimweg nach den Llanos angetreten wurde. Einen Boten, der Sennor Vivanda die Rettung seines Kindes melden sollte, hatte Alonzo vorausgesandt. Langsamer, der Verwundeten und Elviras wegen, bewegte sich der Zug nach.
Am dritten Tage trafen sie auf eine starke Schar der Bergbewohner, die ihnen zu Hilfe ziehen wollte. Mit Jubel nahmen diese die Nachricht von dem bestandenen Kampf und errungenen Sieg auf.
Auf dem Rückweg von den Llanos.
Bald trafen sie auf Sennor Vivanda, um den sich zahlreiche Llaneros gesammelt hatten, und Alonzo legte Elvira in des gerührten Vaters Arme.
Nicht minder erfreut war der Professor Pinola, als er seinen Pflegbefohlenen wieder hatte.
Der Ruf von Alonzos Taten verbreitete sich rasch unter den Llaneros und überall brachte man ihm aufrichtige Bewunderung entgegen.
Sennor Vivanda belohnte die Montaneros mit fürstlicher Freigebigkeit und versprach, für die Toten Messen lesen zu lassen.
Antonio de Minas, der Mestize, war von Alonzo, dem er das Leben dankte, entzückt und hing an ihm mit großer Dankbarkeit.
Der kluge Halbindianer hatte wohl erkannt, daß Alonzos Zukunft, dessen Eltern vor Jahren erschlagen worden waren, während er doch als der Sohn Vivandas galt, von Unheil bedroht sein mußte.
Als er sich von ihm verabschiedete, sagte er nur: "Braucht ihr mich einst, Don Alonzo, ruft mich und ich bin mit allem was ich bin und habe zur Stelle."