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    "Ja, ich weiß es, und darum habe ich dich ausersehen, dein späteres Geschick hängt von meinem Wohlwollen ab."

    "Ich bin Euer Excellenza dienstwilliger Knecht."

    "Es lebt da in den Llanos ein Mensch, der für unser Staatswesen sehr gefährlich werden kann."

    "Euer Gnaden bezeichne ihn mir, ich bin ein guter Patriot und werde die Gefahr, die dem Lande droht, beseitigen."

    Langsam sagte der Minister: "Du findest auf der Hacienda Otoño am Ocoa, die Sennor Vivanda zu eigen, einen jungen Mann, der sich Don Alonzo Vivanda nennt; von ihm droht dem Lande Unheil."

    "Es ist mir Pflicht, dieses abzuwehren."

    "Ich habe schon einen vertrauten Mann nach ihm ausgeschickt, doch konnte ich diesem damals nicht sagen, wo der gefährliche Mensch sich aufhielt und unter welchem Namen. Ich wußte wohl, daß er in den Llanos weilte, aber nicht mehr. Meines Abgesandten Schweigen läßt mich fürchten, daß er ihn vergebens sucht. Ich bin jetzt, wie du siehst, besser unterrichtet und deine Aufgabe ist leichter. Melde mir, daß die Gefahr für den Staat beseitigt ist und du erhältst tausend Pesos und darfst auf meinen ferneren Beistand zu deinem Emporkommen rechnen."

    "Und wenn das Werk, während ich reite, um Euren Auftrag zu erfüllen, schon getan ist?"

    "Gleichviel, bringe mir nur die absolute Gewißheit, daß die Regierung von diesem Menschen nichts mehr zu befürchten hat, und du erhältst die Belohnung."

    "Ah, Excellenza sind immer ein vollendeter Caballero."

    "Hier hast du Geld," er händigte ihm eine Summe ein, "brauchst du ein Pferd oder Mulo, laß es dir vom Majordomo geben, und vor allem laß mich bald günstige Nachrichten von dir erhalten."

    "So rasch als meine Ergebenheit sie überbringen kann."

    "Geh, mein Sohn."

    Don Ignacio ging.

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Am anderen Tage traf mit einem Boten, der mehrere Pferde zu Tode geritten hatte, ein Brief Professor Pinolas ein, worin dieser berichtet, daß Don Eugenio von den räuberischen Aimaràs gefangen und in die Berge geschleppt worden war.

    Zum ersten Male in seinem Leben empfand der Mann, der rücksichtslos seinen Weg zur Höhe gesucht hatte, einen Schmerz, der sein Herz in jeder Faser erbeben machte. Wie sehr er den Jüngling liebte, fühlte er an der gewaltigen Erschütterung seines Innern, die selbst seine ehrgeizigen Träume verstummen machte. Eugenio in den Händen der Aimaràs, dieser fanatischen Feinde der Weißen? Das war der Tod seines Lieblings. Einem Wahnsinnigen gleich ging de Valla umher. Zugleich regte sich auf dem Grunde seiner verhärteten Seele etwas, das gewöhnliche Menschen Gewissen nennen. Den Aimaràs hatte er einst seinen gefährlichen politischen Gegner Pedro d'Alcantara überliefert, damit sie ihn in ihre unzugänglichen Berge schleppten, und unter den Messern dieser Bluthunde waren alle, auch unschuldige Kinder gefallen. Die Schuld war sein, so sehr er sich auch dagegen wehrte, sich das einzugestehen.

    Er schauderte doch zusammen, wie er jetzt des gräßlichen Ereignisses gedachte, das oft genug seinen Schlaf unruhig gemacht hatte. Gab es doch etwas wie Vergeltung? Wurde er gestraft, wie er gesündigt hatte? - Sollte sein Kind - sein Eugenio, der einzige Mensch, den er liebte, als Sühnopfer für seine Blutschuld dargebracht werden?

    Schaudernd erkannte er das Walten einer unerbittlichen Nemesis.

    Sein Eugenio - sein sanfter Liebling - in der Hand dieser Unmenschen? Er litt ganz unerhört unter den Vorstellungen, die ihn folterten. Niemand erkannte den ruhigen entschlossenen Mann in ihm wieder.

    Bote auf Bote flog auf eilenden Rossen nach dem Gebirge, unerhörtes Lösegeld wollte er zahlen - für seinen Eugenio - die Chibchas in den Bergen sollten gegen die Aimaràs aufgeboten werden - die Montaneros - nur mit Mühe ließ er sich zurückhalten, selbst aufzubrechen, um ihn zu befreien.

    Ja, er war so gewaltig von Gemütsbewegungen aller Art durchschüttelt, daß er selbst des gefährlichen jungen Menschen vergaß, dessen Existenz ihn mit Gefahr bedrohte.

    So vergingen dieser gemarterten Seele fünf grauenvolle Tage und schlaflose Nächte, die die Schatten der Ermordeten heimsuchten, die drohend ihn und das Bild seines Lieblings umschwebten.

    Die Pein wurde dem gequälten Manne umso unerträglicher, als er sie verbergen mußte.

    Da traf ein Correo ein mit Briefen an den Minister und dem fassungslosen Manne leuchteten - die Schriftzüge seines Eugenio entgegen.

    de Valla sank tief erregt in fassungsloser Freude in einen Stuhl und es kostete Zeit, ehe er im stande war, zu lesen.

    Und nun las er von dem schrecklichen Ende, das seinen Liebling in der Steppe bedroht hatte, vor dem ihm ein junger, dem Herzen des Jünglings unendlich sympathischer Mann bewahrte, er las, wie die räuberischen Indios Eugenio in die Berge geführt, wie derselbe junge Mann ihn mit Gefahr seines eigenen Lebens vor dem Mordstahl der Wilden gerettet, und daß dieser junge Mann, der zweimal das Leben Eugenios bewahrt hatte - Alonzo d'Alcantara, der Sohn Don Pedros war - derselbe Jüngling, nach dem er selbst, de Valla, die Mörder ausgeschickt hatte. Nichts hätte ihn mehr erschüttern können.

    Lange dauerte es, bis de Valla das Gleichgewicht seiner Seele soweit wiedergefunden hatte, um seine Gedanken ordnen zu können.

    Eugenio war gerettet - gleich einem sanften lindernden Balsam legte sich diese Kunde um seine Seele - gerettet - ja - aber was er seit langem nicht mehr kannte, die Qualen des wachgerüttelten Gewissens folterten ihn mit unerhörter Kraft - sein Liebling war gerettet von dem, den er kalten Blutes dem Tode durch Mörderhand geweiht hatte.

    Selbst diese verhärtete Seele beugte sich schaudernd vor dem Walten der Macht, die der Menschen Geschicke leitet. Zum ersten Male fühlte sich der Mann besiegt, ratlos - verzweifelnd - niedergeschmettert durch eine Fügung, die da Segen brachte, wo schwerer Schuld die Strafe folgen mußte. Eugenio gerettet durch den Sohn Don Pedros? Immer und immer wieder wälzte er das Ungeheuere durch seine Seele und konnte es nicht fassen.

    Und welche Bewunderung für seinen Retter atmeten die Zeilen Eugenios.

    War er schon gefallen unter dem Mordstahl? Der Retter? de Valla besaß eine eiserne Kraft und er zwang sich jetzt, seine Gedanken logisch zu ordnen. Auch in des verderbtesten Menschen Seele ist immer noch ein tiefversteckter Winkel, wo das Gute wohnt, und wenn es sich auch nur durch bittere Reue geltend macht.

    Alonzo durfte nicht sterben - jetzt nicht mehr. Brachte sein Dasein Gefahr für sein ehrgeiziges Streben, mochte es sein - gegen den Retter Eugenios konnte er die Hand nicht erheben.

    Er befahl, die beiden zuverlässigsten Staatskuriere zu augenblicklichem Dienst herbeizurufen und setzte sich an den Schreibtisch.

    de Valla schrieb mit zitternder Hand an Sennor Vivanda. Er schrieb ihm, wie er eben erfahren habe, daß ein Angehöriger seiner Familie seinem geliebten Sohne zweimal das Leben rettete und sprach seinen innigen Dank aus. Wie Eugenio ihm mitgeteilt hätte, nenne sich der Retter Alonzo d'Alcantara und gehöre vermutlich der Familie Pedro d'Alcantaras an. Sei dieses der Fall, so solle er ihm doppelt willkommen sein und könne in jedem Fall auf seine Dienste rechnen.

    Als der Correo, ein klug und sehr energisch aussehender Mann vor ihm stand, sagte er: "Ich habe dir eine Frage vorzulegen; kennst du Don Ignacio Caldas?"

    "Ja, Excellenza."

    "Gut. Du bringst in höchster Eile diesen Brief an Sennor Vivanda auf Otoño am Ocoa."

    "Es geschieht."